Bewertung: 4 / 5
Langweilige Routine, die Wiederholung des immer Gleichen, so sieht der Alltag von Geschichtsprofessor Adam (Jake Gyllenhaal) aus. Selbst seine Freundin Mary (Mélanie Laurent) bietet ihm kein Highlight und findet ihn offensichtlich ebenfalls zum Gähnen. Doch als Adam sich auf einen Tipp hin einen Film ansieht und darin einen Nebendarsteller entdeckt, der ihm bis aufs Haar gleicht, ändert sich alles. Fasziniert von seinem Doppelgänger Anthony sucht er ihn auf und verstrickt sich nach und nach immer mehr in dessen Leben - und sein Doppelgänger wie auch dessen Frau Helen (Sarah Gadon) sich in das seinige...
Wir kennen die Buchvorlage "Der Doppelgänger" des portugiesischen Nobelpreisträgers José Saramago zu Enemy nicht, haben aber nach Denis Villeneuves (Prisoners) Kinoadaption große Lust es nachzuholen. Villeneuves Film verlegt die Handlung in ein trist und emotional arm erscheinendes Toronto und trist und emotional arm an Erlebnissen wirkt auch das Leben von Geschichtsprofessor Adam (Jake Gyllenhaal), dessen Leben durch den Kontakt mit seinem Doppelgänger Anthony (ebenfalls Jake Gyllenhaal) plötzlich dramatisch erlebnisreich wird. Mit einer großartigen Schauspielleistung Gyllenhaals (Prisoners) in dieser Doppelrolle und einer erstaunlich schlichten, dennoch kunstvollen Inszenierung fesselt Villeneuves Filmvariante eindringlich und mit schon fast quälender Langsamkeit, ohne jedoch langweilig zu werden.
Trailer zu Enemy
Skurrile, erotische und erschreckende Fantasiebilder, die durchaus auch aus einem David Lynch-Film stammen könnten, und an den Nerven sägende Suspense-Musik, viele Closeups, die die Stimmung der Charaktere gekonnt anhand ihrer Mimik und Gestik einfangen, fokussieren in Enemy das, worauf es ankommt: Adams Wunsch, ein anderer zu sein, ein anderes, weniger tristes Leben zu führen und auch einer Partnerin ein anderes Zusammenleben bieten zu können, ihren Bedürfnissen gerecht werden zu können und auch eigene Bedürfnisse erfüllt zu bekommen. So ist zumindest unsere Quintessenz aus der Doppelgänger-Geschichte.
So einfach dieser "Was wäre, wenn"-Plot klingt, stimmt der Film dennoch sehr zum Nachdenken an, wie man sich die Auflösung im Genauen zu denken hat. Hinweise gibt es genug, symbolisch wie auch konkret, so dass selbst weniger Aufmerksame diese zur Entschlüsselung des Musters entdecken können. Enemy wirkt dicht wie ein Kammerspiel, hier ist kein Wort, keine Szene zu viel oder zu wenig, und doch scheint sich alles ganz natürlich zu entwickeln, die eingestreuten Fantasiebilder irritieren und faszinieren, und verschmelzen dennoch problemlos mit dem großen Ganzen.
Durch den engen Fokus auf die sich begegnenden Charaktere in Enemy lebt der Film neben der gelungenen Thrill-Atmosphäre alter Schule vor allem von der Darstellerleistung. Nicht nur Gyllenhaal glänzt in seiner Doppelrolle, auch Mélanie Laurent (Inglourious Basterds) als seine dominant, kühl und von ihm gelangweilt wirkende Freundin, die nach dem Sex rasch verschwindet, und Sarah Gadon (Eine dunkle Begierde) als Anthonys schwangere Frau, die zwar ebenso blond, aber ein völlig anderer Typ Frau ist, machen ihren Part hervorragend.
Isabella Rossellini (Blue Velvet) sieht man nur kurz als Adams Mutter auftauchen, doch sagt sie ein paar wichtige Sätze, die mithelfen, den Film zu verstehen. Ebenso wichtig ist Adams Vortrag am Anfang des Films, der nicht umsonst auch gleich noch einmal wiederholt wird. Enemy ist wahrlich kein Mainstream-Film, für Artkinofreunde aber eine Genre-Perle, die gerade durch ihre Schlichtheit besticht. Obwohl Adam selbst sagt, dass eine Wiederholung eine Farce sei, mit einer der wichtigsten Sätze in Enemy, können wir eine Filmsichtung nur empfehlen.