
Bewertung: 3 / 5
Kinds of Kindness erzählt in drei Episoden: Robert (Jesse Plemons) wird von seinem Chef Raymond (Willem Dafoe) vereinnahmt. Er entscheidet, was Robert isst, liest und mit wem er schjläft. Im zweiten Teil kehrt die totgeglaubte Liz (Emma Stone) nach einer Forschungsreise nach Hause zurück. Doch ihr Mann Daniel (Jesse Plemons) glaubt nicht daran, daß es sich um seine Frau handelt. Im dritten Teil erhalten Emily (Emma Stone) und Andrew (Jesse Plemons) einen Auftrag durch den Guru Omi (Willem Dafoe) und Aka (Hong Chau). Sie sollen einen neuen Heiland suchen.
Vielleicht wäre es besser, ewig allein zu bleiben. Gerade vor dem Hinblick darauf, wie moderne Beziehungen sich auch auf den Menschen auswirken. Man hat ja nicht selten den Eindruck, der Mensch sei irgendwie inzwischen nicht mehr in der Lage dazu und jeder Zyniker, wird sich dann bestätigt wissen, wenn er sich Kinds of Kindness anschaut. Es ist ein Episodenfilm, es ist ein Film über toxische Beziehungen und es ist ein Film von Yórgos Lánthimos. Alle drei Episoden vereint, daß sie davon handeln, wie sich Menschen in eben solche toxischen Beziehungen flüchten und wie sie darunter leiden oder gar daran zerbrechen. Wenn etwa jemand sich für einen anderen ein paar Finger oder gar noch mehr abhacken muss, dann ist klar, man hat es hier nicht mehr mit einem herkömmlichen Werk zu tun. Tatsächlich wirft das aber die Frage auf, ob bei all der Seltsamkeit, die Lánthimos für den Zuschauer bereithält, auch etwas übrig bleibt, über das es sich letzten Endes zu reden lohnt. Denn ja, auch wenn Kinds of Kindness den Anschein erweckt, man bräuchte einen IQ weit über Hundertdreißig um irgendwas zu verstehen, sind die letztlichen Aussagen doch durchaus simpel gehalten und vielleicht ergänzend, gar nicht mal so tiefsinnig, wie das aufgeblasene Werk es einem glauben machen will. Denn das hier sehr viel Style over Substance stattfindet, das merkt man dann auch, wenn der Sinnzusammenhang zwischen all diesen skurrilen Momenten einfach ausbleibt. Manches ist gelungene Provokation und manches eben Zeitvergeudung.
Erzählt werden also drei verschiedene Geschichten. Über Morde, bis hin zur völligen Vereinnahmung des Individuums innerhalb einer Sekte. Es scheint, als zeichne Lánthimos hier ein modernes, absurdes Amerika. Dort wie Führerkulte bestimmen und wo Menschen sich freiwillig dieser Herrschaft hingeben wollen. Natürlich wirkt die Parallele auf den ersten Blick etwas zu seicht. Immerhin handelt Kinds of Kindness Beziehungsmuster ab, während Amerika als Staat gefühlt vor einem weiteren Bürgerkrieg steht. Das ist nicht gleichzusetzen und dennoch geht es hier ganz klar um die Gefühlswelten einzelner Figuren. Diese werden im übrigen grandios von den Hauptakteuren um Emma Stone, Willem Dafoe, Margaret Qualley; Hong Chau und vor allem Jesse Plemons verkörpert. Besonders letzterer ist hier nahezu der Perfektion. Doch genug der Lobeshymnen auf das schauspielerische Können. Kinds of Kindness entwickelt insgesamt keine wirklich neuen Ideen für eine angestaubte Welt. So wird etwa in der ersten Episode ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gezeichnet. Dieser von Willem Dafoe verkörperte Tyrann, nimmt die Figur Robert in all ihren Facetten für sich ein. Das ganze Leben obliegt der Kontrolle von Arbeitgeber Raymond. Und natürlich ist das eine Selbstverständlichkeit und natürlich ist alles auch ein wenig seltsam. Aber das ist eben das, was man erwarten konnte. Interessant hierbei ist vor allem, daß Lánthimos seine Figur aus diesen Fängen befreit oder sie sich besser gesagt, selbst befreit. Im Kern geht es also um das Ablösen von Herrschern und vom Kapital.
Und war diese erste Episode vielleicht noch relativ bodenständig, so entwickelt sich Kinds of Kindness im weiteren Verlauf zu einem immer seltsameren Werk. Wie gesagt, das entwickelt sich kaum abseits seiner Prämisse und bietet eben auch keine besonders großen Innovationen. Und dennoch hat das einen gewissen Charme. Da gibt es dann Gruppensex, Sekten, ganz skurrile Figuren, die die Rated R-Variante eines Wes Anderson-Werks darstellen könnten und dennoch immer weit abgekehrt einer Fantasiewelt. Denn ja, nach Poor Things hätte man ja durchaus erwarten können, daß Lánthimos sein Werk ebenso in einer Parallelwelt ansiedelt. Zumal die seltsamen Charaktere das auch eigentlich ganz gut hergeben würden. Doch Pustekuchen, so ist es nicht und vielleicht hat das auch einen ganz klaren Grund. Denn Kinds of Kindness ist trotz seiner Unzugänglichkeit und der Tatsache, daß alles hier irgendwie komisch ist, auch ein sehr geerdetes Werk. Also im Sinne der Verhaftung in der uns bekannten Realität. Lánthimos hat auch recht, wenn er sagt, daß die Menschen irgendwie komisch sind. Und ebenso recht hat er, wenn er dafür seine Begründung innerhalb von ziemlich gestörten Beziehungsmustern sucht. Natürlich ist das auch nur eine Begründung, aber sie wird nicht falsch dadurch, daß man anderes ausspart. Und so ist dieser Film, neben als dem Nonsens und seinem artifiziellen Gehabe mitunter auch sehr unterhaltsam. Man kann sich in Teilen köstlich amüsieren. Und das auch, wenn das alles so ein bisschen sehr albern daherkommt.
Wenn eine Meeresforscherin verschwindet, dann zu ihrem Partner zurückkehrt und plötzlich irgendwelche Gliedmaßen abgetrennt werden, dann weiß man, daß man über Kinds of Kindness entweder zu viel nachdenkt, oder zu wenig. In jedem Fall bleibt das Nonsens. Nicht, weil die Geschichte in ihrem eigenen Kosmos dann keinen Sinn mehr ergebe. Sondern viel eher, weil diese Art der Pseudo-Provokation zu nichts führt. Man lernt und erkennt nur das daraus, was man bereits anhand der Prämisse wusste. Toxische Beziehungen sind halt blöd und sie bleiben auch blöd.
Mitunter kann man Kinds of Kindness als Farce verstehen. Ein Film, der sich an Beziehungsmustern abarbeitet und ganz viel Nonsens bereithält. Das ist nicht immer grandios, sorgt aber bisweilen für ganz gute Unterhaltung. Und liefert dazu noch grandioses Schauspiel.
