Bewertung: 3.5 / 5
Mit seiner Version vom Mord im Orient Express versucht Regisseur Kenneth Branagh, die bekannte Geschichte klassisch zu inszenieren, aber den modernen Sehgewohnheiten Rechnung zu tragen. Die Geschichte selbst bleibt weitestgehend unangetastet und bis auf einige kleinere Abweichungen zum Buch verfolgt der Film die Vorlage treu. Gerade wer die Geschichte nicht bis ins Detail kennt und zum ersten Mal darüber stolpert, wird sich an der hervorragenden Besetzung und den raffinierten Wendungen erfreuen. Nur sorgt der gut gefüllte Passagierzug dafür, dass nicht alle Figuren und Darsteller die Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdienen.
Mord im Orient Express Kritik
Freitag, Zoopalast Berlin, erstaunlich viele Kritiker haben sich zusammengefunden um zu beobachten, wie Hercule Poirot (Kenneth Branagh) gekonnt scharfsinnig ermittelt. Eigentlich sollte es nur eine entspannte Zugfahrt werden, doch als der Passagier Edward Ratchett (Johnny Depp) mitten in der Nacht ermordet wird, muss Poirot als bester Ermittler der Welt den Fall lösen. Dabei drängt die Zeit, denn sobald der Zug die nächste Station erreicht, könnte der Täter jederzeit verschwinden - und jeder an Bord ist verdächtig. Doch immer dann, wenn Poirot der Meinung ist, dem wahren Schuldigen auf die Schliche zu kommen, gibt es eine neue Wendung in diesem absonderlichen Fall...
Trailer zu Mord im Orient Express
Wer ist der Mörder dieser Reisegesellschaft? Dieser Frage muss Poirot seit 1934 und nun auch in diesem zweistündigen Film nachgehen. Kenner von Agatha Christies Roman wissen natürlich sofort, wer die Tat begangen hat, gehört das Buch doch zu den erfolgreichsten der berühmten Autorin. Es ist auch nicht die erste Verfilmung des Stoffes, weswegen Regisseur Branagh, der sowohl Regie führte als auch die Hauptrolle spielt, nur wenig Spielraum hat, diese Geschichte neu zu erzählen. Im Kern bleibt alles beim Alten, so wie es auch bei früheren Verfilmungen der Fall war, nur eben ein wenig moderner und besser ausgestattet, dem Zeitgeist und den heutigen Möglichkeiten geschuldet.
Branaghs Trumpf ist hingegen er selbst, der perfekt in die Rolle des berühmten Ermittlers schlüpft und ihn glaubwürdig in den zahlreichen humoristischen als auch ruhigeren Momenten verkörpert. Aber auch auf eine erstklassige Besetzung kann er vertrauen, die neben Johnny Depp über Michelle Pfeiffer, Daisy Ridley, Judi Dench, Josh Gad, Penélope Cruz und Willem Dafoe reicht. Über zu wenig Stars kann man sich bei Mord im Orient Express auf keinen Fall beschweren und zusammen mit der Ausstattung, die durchaus nächstes Jahr bei den Oscars ein Thema sein könnte, ergibt sich ein authentisches Bild der frühen 30er Jahre.
Doch leider ist die Laufzeit eines Films nun mal begrenzt und Branagh entschied sich, diesen nicht unnötig in die Länge zu ziehen und seinen Fokus auf Poirot und den Mord zu legen. Das führt dazu, dass die Verdächtigen an Bord nicht durchweg die nötige Leinwandzeit bekommen, um ihre Figuren aus einem eindimensionalen Korsett herauszuhieven. Sicherlich eine vertane Chance, die aber bei der Charakterdichte tatsächlich nur schwerlich genutzt werden kann. Somit bleibt Poirot der Dreh- und Bezugspunkt für den Zuschauer, der ermittelt und oft genauso ratlos ist wie eben jener. Vor allem hier nimmt sich Branagh dann auch die Freiheiten heraus, Änderungen an der Figur vorzunehmen und das Ergebnis ist ein Poirot, der menschlich deutlich greifbarer ist.
Am Ende darf natürlich der heutzutage obligatorische Ausblick auf eine mögliche Fortsetzung nicht fehlen, die würde Hercule Poirot dann zum Nil führen, wohin sonst. Aber mit der aktuellen Besetzung wäre diese Reise nicht einmal etwas Schlechtes. Mord im Orient Express passt zur kalten Jahreszeit und entführt den Zuschauer für zwei Stunden mit einer klassischen Geschichte in eine vergangene Zeit. Nicht immer perfekt, aber durchaus sehenswert und unterhaltsam.