Bewertung: 3 / 5
Oft sind es Kleinigkeiten, die nicht so recht ins Bild passen. 20 Jahre Gefangenschaft und keiner der Protagonisten scheint zu altern. Auch die Charakterzeichnung von Joe Doucett sorgt nicht unbedingt für Sympathiepunkte beim Publikum. Zwar hatte auch Oh Dae-su viele Fehler, aber er war kein Unsympath, die Trennung zu seiner Familie ging nahe. Das Zusammenspiel der einzelnen Faktoren, damit der Plot gegen Joe aufgeht, wirkt hier deutlich konstruierter als im Original und manchmal zufällig. Auch hat die finale Auflösung nicht die gleiche schockierende Wirkung. Sind 20 Jahre Gefangenschaft vor allem auf ein anderes Werteempfinden im Westen zurückzuführen, ist dies bei anderen Änderungen nicht immer ersichtlich, warum dies sein musste. Mal geizt der Film nicht mit nackter Haut, an anderen Stellen scheint die Prüderie der Amerikaner wieder die Oberhand zu gewinnen. Gewalt wird gezeigt und dann sind andere Stellen wieder extrem blutleer, vor allem der Hammerkampf wirkt so, als wäre das CGI-Blut vergessen worden. Gezeigt wird typisch amerikanische Gewalt, aber sie geht nicht unter die Haut und gerade das zeichnete das Original aus. Als Höhepunkt von Park Chan-wooks Vengeance-Trilogie wurde Rache in all ihren Facetten gezeigt. Diesen Anspruch hat Spike Lee bei Oldboy nicht. Er erzählt die Geschichte runter, lässt aber keinen Raum für Interpretationen und gibt dem Zuschauer keinen Grund, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen. Der amerikanische Oldboy ist ein Film, keine Kunst.
Und so wundert es dann auch nicht, dass das Ende an Biss verliert. Wer einmal Oh Dae-sus irres Grinsen gesehen hat, seinen Rachefeldzug und Fall miterlebte und was er dabei opfern musste, vergisst dies nicht so leicht. Das Ende ein melancholisches Drama, welches musikalisch einmalig mit "The Last Waltz" untermalt wurde. Es ergreift, klingt nach. "Lache und die Welt lacht mit dir, weine und du weinst allein." Oldboy dagegen ist musikalisch ein Reinfall, fast schon generisch und der Versuch, am Ende noch etwas Happy End-Stimmung aufkommen zu lassen, pervertiert schon deutlich die Originalbotschaft. Rache führt nur dazu, dass am Ende alle etwas verlieren.
Trailer zu Oldboy
Es war abzusehen, dass es Oldboy nicht leicht haben wird, aber es ist schwer diesen Film objektiv zu bewerten. Zu sehr dürfte die Meinungsbildung davon abhängen, ob der jeweilige Zuschauer das Original kennt oder nicht. Falls ja, dürfte es Oldboy sehr schwer haben. Wer zum ersten Mal den Rachefeldzug erlebt, bekommt trotz vieler Unzulänglichkeiten noch immer einen sehenswerten Thriller geliefert, mit ungewöhnlicher Auflösung, aber eben keinen tiefgreifenden Film.