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Sleepers

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Sleepers Kritik

Sleepers Kritik

Sleepers Kritik
0 Kommentare - 07.02.2023 von ProfessorX
In dieser Userkritik verrät euch ProfessorX, wie gut "Sleepers" ist.

Bewertung: 3.5 / 5

Die idyllische Kindheit der vier Freunde Shakes (Jason Patric), Michael Sullivan (Brad Pitt), John Reilly (Ron Eldard) und Tommy Marcano (Billy Crudup) endet, nach einem vermeintlich harmlosen Strich. Von einem auf den anderen Tag werden sie in das Jugendgefängnis unter dem sadistischen Aufseher Nokes (Kevin Bacon) gebracht, der sie misshandelt. Jahre später wird die Geschichte durch einen Mord wieder aufgegriffen.

Dieser Film mutet sehr ungewöhnlich an, weil er fast im falschen Genre beheimatetet ist. Und dennoch würde man Sleepers zu Beginn als eine typische Rise-and-Fall-Geschichte ansehen, deren Charaktere aufgrund einer prekären Herkunft keinerlei Möglichkeit haben, als in eine Spirale aus Gewalt, Drogen und dergleichen abzurutschen. Gerade der Beginn der Geschichte erinnert dabei sehr stark an Sergio Leones Magnum Opus Es war einmal in Amerika (1984). Kinder suchen einen Job, treffen auf einen Mafiaboss und beginnen sich in das Leben auf der sogenannten schiefen Bahn hineinzufinden. Dabei können sogar explizite Szenen, wie das Ausspannen junger Damen hinter irgendwelchen verborgenen Wänden als explizites Zitat angesehen werden. Das, was man wohl den filmischen Mafiamythos nennt, findet sich in diesem Werk immer an vereinzelten Stellen. Von sadistischen Mördern, über explizite Gewalt, bis hin zur systemischen Ungerechtigkeit, ja sogar die Figurenkonstellation ist in seiner Ausführung durchaus klischierter Natur, weil es eben wieder solche gibt, die „es schaffen“ und solche, die das nicht tun. Man hat das alles schon gesehen und dennoch ist dieser Film nicht nur in einem Genre beheimatet. Wer an der Stelle nicht auch so ein wenig an Stand by Me – Das Geheimnis eines Sommers (1986) dachte, der kennt das Werk wohl einfach nicht.

Nun sind Schlaumeiersprüche à la „Besser gut geklaut, als schlecht selbst gemacht.“ eher nicht so der Maßstab, nach dem man sich richten sollte. Für Barry Levinsons Werk gilt aber, daß die Ausführung dessen durchaus interessant ist. Während man natürlich normalerweise in solchen Filmen, den menschlichen Verfall in das Kapital und die Gewalt sieht, legt dieser Film sich darauf fest, ein vollendetes Drama zu sein. Daher lässt das Werk sich auch Zeit, seine einzelnen Charaktere zu etablieren und ihre Motivation und Beweggründe zu erklären. Es kommt dann zu einem tragischen Zwischenfall, der die systemisch denkende Intelligenz des Werkes unterschreibt. Denn während man hier immer wieder von der sogenannten Arbeiterklasse berichtet, fällt auf, wie mühevoll das Leben ist. Diese Familien sind zerrüttet und unterkühlt, können im besten Fall gerade mal so die Familie über Wasser halten. Gewalt und Tristesse gehören da zur Tagesordnung. Man will da nicht sein und so suchen diese Kinder ihren Weg auf den Straßen. Der Film spinnt dabei Entscheidungen in vielerlei Formen zusammen. Die freie Entscheidung, die Entscheidung aus dem Bauch heraus oder auch die notgedrungene Entscheidung. Dabei tut der Film gut daran, das nicht zu werten. Menschen werden hier sehr clever beobachtet und auch die sogenannte Resozialisierung innerhalb des Systems wird da vorgeführt. Normalerweise landen solche Menschen nicht mehr in solchen Einrichtungen und es stellt wohl ein kleines Novum dar, daß sich hier Kinder plötzlich in Heimen wiederfinden. Die Darstellung dessen, die nach dem Codex keine Schwäche zu zeigen, abläuft, ist ebenfalls spannend und sorgt unweigerlich für ein flaues Gefühl im Magenbereich.

Dabei verzichtet der Film zumeist auch auf Gewalt. Auch das ist wieder ein cleverer Gedanke. Denn häufig verläuft Gewalt zum reinen Selbstzweck. Die Macher wussten wohl um den Umstand, dass mit Der Pate (1972), Es war einmal in Amerika (1984) und GoodFellas – Drei Jahrzehnte in der Mafia (1990) alles zum Thema Gewalt und so legt der Film vermehrt noch seinen Fokus auf die Psyche. Es entspinnt sich ein Racheplot, der vor allem sadistische Kinderschänder treffen soll. Nun ist das ein ganz heikles Thema, und dennoch gelingt es hier auch, daß auf clevere Weise und nicht zu plakativ in Szene zu setzen. Ein besonderes Lob muss man dabei aber auch an den Cast aussprechen, weil Jungschauspieler, Billy Crudup, Ron Eldard, Jason Patric und Brad Pitt hier großartig sind. Wie sie mit dem Trauma umgehen und immer mit der eigenen Vergangenheit konfrontiert werden, ist sehr nervenaufreibend. Dabei sind auch die unterschiedlichen Bewältigungsstrategien durchaus innerhalb der Geschichte sehr logisch. Interessant ist, dass der Film dabei sogar tonal noch ernster wird. In manchen Momenten bekommt diese Dramatik noch etwas Melodramatisches dazu. Nicht in dem Sinne, dass die Gefühle hier expliziter noch zum Ausdruck gebracht werden. Sehr wohl aber taucht dieser Film immer tiefer in die Abgründe der Menschheit ab, ohne dabei wirklich etwas zu zeigen. Der Film funktioniert häufig nur über die Vorstellung der Zuschauer und kann zu teilen da beinahe unerträglich werden. Ein Grund, warum dem so ist, ist vor allem auch Kevin Bacon. Sein Spiel ist atemberaubend. Er ist sadistisch, völlig machtbesessen und dann wieder in den notwendigen Momenten ganz umgänglich. Dann ist der Film in seiner Gewalt effektiv und sehr psychologisch.

Natürlich wirkt das Werk in all seinen Zufällen durchaus etwas konstruiert. Gerade wenn es um das Wiedertreffen von Menschen aus der Vergangenheit geht, oder auch um das Finale. Dennoch ist es wichtig für die Dramaturgie, daß genau das, zu diesem Zeitpunkt stattfindet und dann kann man dem Werk das auch verzeihen, weil der Film sonst nur noch weniger Sinn ergeben hätte. Besonders auffallend ist dabei die Figur von Robert De Niro, der hier einen Priester inmitten von Harlem spielt. Nun geht ein De Niro nicht ohne ein bisschen verbrecherische Vergangenheit. Und dennoch stellt Sleepers eine interessante Antithese im Vergleich zu De Niros sonstigem Schaffen in diesem Bereich dar. Denn die Figur ist hier sehr liebenswert, aber auch bestimmt. Und gleichsam bekommt sie doppelten Boden, weil sie so eine gewisse Vergangenheit hat. Daß nun die Kirche sich um Benachteiligte kümmert, ist ja eigentlich nichts Neues und dennoch hat das gesamte einen gewissen Charme, weil De Niro seine Rolle so überzeugend und nahbar spielt, daß man ihm zu jedem Zeitpunkt abkaufen würde, daß er das ist. Natürlich kommt in diesem Zusammenhang auch leicht der Kontrast aus Engel gegen Teufel oder Gut gegen Böse hervor. Das ist nicht wirklich subtil, doch es ist eben auch ein guter Kontrast.

Über allem ist Sleepers aber vor allem eines, nämlich ein Justizdrama, daß gekonnt mit dem Spannungsaufbau der Urteilsverkündung beschäftigt. Es ist interessant, dass dieser Film es sich dank seiner cleveren Struktur erlauben kann, einzelne Schauspieler und Figuren lange gar nicht zu zeigen. Auch ein kürzerer Auftritt von einem Dustin Hoffman als eher halblegal agierender Anwalt ist dabei bemerkenswert. Es ist bemerkenswert, wie gerade die Szenen im Gericht zum spannendsten gehören, was das Werk zu bieten hat. Dabei scheint der Ausgang dessen eigentlich zunächst so klar, daß man das gar nicht glauben mag. Und dennoch sind diese Angeklagten auch keine Opfer. Der Film kehrt das nicht um und zeigt clever diesen Kontrast aus Opfern, die zu Tätern werden. Dabei erlaubt der Film sich vielleicht ein wenig zu sehr mit eben jenen zu sympathisieren und dennoch ist genau das hochinteressant, weil es mit den eigenen Moralvorstellungen, beziehungsweise mit denen der Gesellschaft spielt. Kann man solche Taten legitimieren? Der Film zwingt einen förmlich dazu, sich damit zu befassen und löst dann einen Diskurs aus.

Dieser Film versucht vielleicht ein wenig zu sehr, anders zu sein und scheitert auch so ein wenig daran, offenkundig etwas zu zeigen, was man nicht längst schon wusste. Doch davon abgesehen, ist Sleepers ein Werk, daß unter die Haut geht, weil der Film immer mit der Psyche der Figuren spielt. Dazu benötigt er keine expliziten Bilder und kann immer mit dem spielen, was der Zuschauer weiß, aber nicht zwingend sieht. Zudem ist vor allem der Cast großartig aufgelegt und hält dabei gekonnt viele Überraschungen und Wendungen in der Geschichte bereit, sodass sich die Karten häufig neumischen.

Sleepers Bewertung
Bewertung des Films
710

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