Bewertung: 2.5 / 5
Erster Teil: Artikel über den Zusammenhang von politischem Denken und Filmgeschmack
Zweiter Teil: Kritik zu "Tyler Rake: Extraction"
Trailer zu Tyler Rake - Extraction
„Terminator“ oder „Tyler Rake: Extraction“ – Filme für Faschisten?
Seit ich begonnen habe, mich für Filme zu interessieren, nutze ich zwangsläufig verschiedene Filmseiten, um mich zu informieren und auszutauschen. Politische Diskussionen bleiben dabei selbstverständlich nicht aus, an welchen ich mich auch nur zu gern beteilige. Interessant ist, dass nach und nach verschiedene Muster zu erkennen sind, anhand derer man die politische Position verschiedener User schon erahnen kann, schließlich beobachte ich regelmäßig dasselbe Phänomen:
Jene Männer, die sich bevorzugt rassistisch, homophob, menschen-, fremden- oder frauenfeindlich äußern, haben allzu häufig ein Profilbild und (oder) einen Usernamen, welche in Zusammenhang mit Actionfilmen wie beispielsweise Terminator bzw. anderen Actionstreifen mit Arnold Schwarzenegger, Rambo bzw. anderen Actionstreifen mit Sylvester Stallone oder Dirty Harry bzw. anderen Actionstreifen mit Clint Eastwood stehen. Ergänzend finden sich auf ihren Profilen Texte, die Werke wie Tyler Rake: Extraction oder The Expendables wegen ihrer Action über den grünen Klee loben, ohne auch annähernd reflexionsbereit zu sein. Diese Art von Filmen scheint wie geschaffen für diese Gruppe so wie sie im Vergleich zu von ihnen verschmähten Meisterwerken gefeiert werden.
Doch schaut man sich einmal Terminator als Beispiel an, so wirft diese Präferenz Fragen auf, ist selbiger Film doch vor allem von einer starken Frauenfigur geprägt, die sich gegen die männliche Bedrohung durchsetzt. Zudem ist der von den betreffenden Usern oft aus fragwürdigen Motiven vergötterte Arnold Schwarzenegger bewundernswerterweise politisch progressiv eingestellt, positioniert sich gegen Rassismus, Hass und andere Arten der Diskriminierung, ist Veganer und großer Fan von Greta Thunberg – alles, was die beschriebene Menschenfeinde eigentlich verabscheuen müssten. Woran also liegt es, dass sich diese Leute dennoch so zu genannten Actionfilmen hingezogen fühlen?
Nun, dafür gibt es viele Indikatoren, angefangen bei der Gewalt. Rechte Ideologien definieren sich unter Anderem immer über Intoleranz gegen Andersartige, immer über einer unter Zwang gesetzten Norm, welche notfalls eben durchgesetzt werden muss. Seien es Verbote statt eines freiheitlichen Liberalismus‘, das „Volk“ statt des Individuums, ein sich von anderen Kulturen gezielt abgrenzender Nationalismus oder gar die öffentliche Ausgrenzung solcher, die mit jener Norm nicht konform gehen. Nicht immer bedeutet diese Denkweise einen Griff zur Gewalt, dennoch steckt in dieser Weltanschauung bereits eine gewisse kollektive, gewaltliche Kontrolle. Wenn es bei verschiedenen Vertretern auch unbewusst ist, so wird in rechten Spektren schnell deutlich, dass sich die entsprechenden Leute zu totalitären Strukturen und (physischen) Machtpositionen hingezogen fühlen, zur Polizei, zur Armee oder ähnlichem, weswegen man dortig immer wieder von rechtsextremen Fällen hört (Beispiel 1, Beispiel 2; Anm.: Natürlich sind nicht alle Polizisten, nicht alle Soldaten rechts, das behaupte ich nicht und um dieses Thema soll es hier auch nicht gehen). Nicht umsonst plädiert die AfD für eine Rückkehr zur Wehrpflicht sowie stark gegen jede Verschärfung des Waffenrechtes, nicht umsonst sind über die Hälfte der statistisch aufgenommenen, politischen Straftaten rechtsmotivierter Natur.
Dass rechtes Denken also auch oft mit einer (latenten) Gewaltzuwendung einhergeht, erklärt, wieso es in erster Linie genannte Actionfilme sind, die in diesen Kreisen so beliebt sind. Denn in diesen setzen sich die Protagonisten mit Gewalt durch, um an ihre Ziele zu gelangen, was gut mit der gewaltbezogenen Einstellung der Rechten harmoniert. Wichtig ist diesbezüglich aber vor allem die Ausrichtung der Filmgewalt, da selbige einige Auflagen erfüllen muss, um den Vorlieben genannter Leute gerecht zu werden.
Einerseits muss sie die nötige Härte aufweisen, schließlich möchte man als stolzer Mann – dazu später mehr – keinen „weichgespülten Kinderkram“ vorgesetzt bekommen. Klar bin ich auch eher Freund des R-Ratings, was ich aber nie als Anlass nehme, Filme pauschal vorzuverurteilen, wenn sich diese doch für ein PG-13 entscheiden; denn wie man beispielsweise an Skyfall sieht, steht eine niedrigere Freigabe grandioser Action nicht im Wege. Bei Usern, die in das von mir beschriebene Bild passen, findet man jedoch ständig Kommentare, die sich bereits im Vorfeld, ohne überhaupt zu wissen, ob das fehlende R-Rating bei betreffendem Film einen Verlust bedeutet, über ein eventuelles PG-13 beschweren. In keinem anderen Klientel ist das derart extrem zu beobachten, da werden gleich ganze Filme, noch vor Release, zum Scheitern verurteilt; dass das äußerst kunstfeindlich und vor allem ungerechtfertigt ist, sollte klar sein. Den Grund für diese pauschale Ablehnung nannte ich: Da das Denken dieser Leute, wie begründet, ohnehin gewaltaffine Züge aufweist, werden selbige am ehesten befriedigt, wenn die Gewalt durch eine ersichtliche Blutigkeit in den Fokus gerückt wird. Zudem, und das sagte ich bereits, gehört es auch zur selbstüberzeugt „mannhaften“ Einstellung, (visuelle) Grausamkeit hinzunehmen, gar über diese die eigene Stärke zu definieren, indem man geringere Brutalität als „für Kinder“ oder „weichgespült“ abtut.
Andererseits darf die Filmgewalt keinesfalls einen zu anspruchsvollen Charakter aufweisen, sondern muss stets im eskapistischen Rahmen bleiben. Eine epochen-, gesellschafts- oder kriegskritische Gewalt bzw. Aussage hinter der Gewalt fällt, trotz oft schonungsloser Intensität, bei solchen Leuten genauso durch wie PG-13-Action. Für jene Personen geht es bei Filmen auch nicht um die Kunst – andernfalls wäre ihre undifferenzierte Herangehensweise auch kaum möglich -, sondern ausschließlich um eine Flucht vor der Wirklichkeit, bei der sie sich (unbewusst) ihrer Ideale zuwenden können. Man möchte von dem kargen Alltag, der möglicherweise sogar von Andersartigen oder politisch weniger Rückständigen dominiert ist, abschalten und sich bestätigt fühlen, mehr aber bitte auch nicht. Das ist derselbe Grund, warum in jenen Kreisen in Sachen Horror beispielsweise Slasher- oder Folterfilme beliebt sind, nicht aber Grausamkeit als etwas abscheuliches, entzweiendes inszenierende Horrorfilme wie Ich seh, Ich seh oder Antichrist.
Fortführend ist es wichtig, dass die in Action verpackte Gewalt sowohl von „den Richtigen“ kommt als auch „die Richtigen“ trifft. Die nötigen Fronten sind dabei klar verteilt, ausgeübt sollte die Gewalt von einem weißen, heterosexuellen Mann werden – alles andere wäre „linksgrünversiffte“ Propaganda -, treffen sollte sie Leute, die im Film gezielt als im Unrecht dargestellt sind, wobei das durchaus auch andere Weiße sein können. Am besten ist, wenn der männliche Protagonist in seinem Kampf eine „schwächliche Frau“ beschützt oder einen Mord an einem geliebten Familienmitglied rächt. Es kommt darauf an, dass die Action das eigene Rechts- bzw. Unrechtsbewusstsein des betreffenden Klientels aufgreift, gern auch über Selbstjustiz. Recht definiert sich für sie dabei selbstverständlich über den weißen Mann, nicht vordergründig über einen freiheitlich demokratischen Rechtsstaat, was man exemplarisch an der Flüchtlingskrise oder der Ablehnung von Frauenrechten besonders gut nachvollziehen kann.
Insofern ist es nicht verwunderlich, dass in der rechten Szene zum Beispiel die Filme eines Quentin Tarantino verabscheut werden, geht es in diesen doch vorrangig um Emanzipation von Dunkelhäutigen, Frauen oder Juden, die sich ihrer Unterdrücker – weiße Männer, Sklavenhalter, Nazis, etc. – auch gern auf recht brutaler Weise entledigen. Das geht denjenigen natürlich gegen den Strich, was zu absonderlichen Vowürfen führt, wie dass die in Inglourious Basterds dargestellten jüdischen Kämpfer dank ihrer Brutalität auch nicht besser als „die Nazis“ wären. Ohne Zweifel ist dies völlig am Film vorbeigehender sowie ideologisch sehr fragwürdiger Blödsinn, der zudem den sonstigen Hang zur Gewalt dieser Leute ad absurdum führt: Die Gewalt darf nur die ihrer Ansicht nach „Richtigen“ treffen und Nazis als „ständige Opfer“ (siehe deren Auflehnung gegen die Erinnerungskultur, etc.) sind aus ihrer Sicht eben nicht „die Richtigen“.
Filme wie Rambo III hingegen bieten genau das, was sich diese Gruppen vorstellen; brutale Action, ein weißer, heterosexueller Mann als Protagonist, der gegen eine als terroristisch gezeichnete Gruppe Araber kämpft und als Held obsiegt, etwas Witz und kaum (politische) Aussage – der für sie perfekte Eskapismus. Doch wie ich eingangs formulierte, findet sich das beispielsweise in Terminator nicht, es muss also noch weitere Elemente geben, die beschriebene Personen zu diesen Filmen hinzieht.
Und klar, ich würde es wohl kaum so formulieren, wenn es diese nicht gäbe; in erster Linie beziehe ich mich hierbei auf das „Männlichkeitsideal“, welches von diesem Klientel in Filmen mit Arnold Schwarzenegger oder Sylvester Stallone gesehen wird. Der durchtrainierte, muskulöse, große, weiße, heterosexuelle Mann als Protagonist (bzw. cooler Antagonist) und somit optimaler Identifikationsfigur, welcher für sie ihre Vorstellung vom wünschenswerten Patriarchat repräsentiert, sich schlagkräftig durchsetzt sowie mit Gewalt die Macht bekommt, die ihrer Empfindung nach einem solch‘ „perfekten“ Mann zusteht bzw. sie (unbewusst) selbst gern hätten. Zudem ist so ein Mann natürlich „voll cool“, das wortkarge Auftreten, welches ihn von der „dauernd brabbelnden“ Frau abgrenzt, die selbstbewusst männliche Art, welche mit seinen abgeklärten Einzeilern herausgestellt wird. Möglicherweise noch eine Sonnenbrille, ein wuchtiges Motorrad und große Knarren, da lacht das Chauvinistenherz.
Allerdings zeichnen sich rechte Weltanschauungen ebenso durch ein „Wir gegen Die“-Denken aus, welches man bereits an typischem Uniformismus und fehlendem Individualismus ausmachen kann. Das Einteilen in menschliche Rassen, das Stigmatisieren eines klaren Feindbildes; oft richtet sich dies gegen den Staat, der nicht so entscheidet, wie die Rechten es würden, weswegen er gegenüber der kleinen, „auserwählten“ Gruppe eine feindliche Übermacht darstellt. Die Schar an Protagonisten in Actionfilmen, die es mit einem zahlenmäßig überlegenen Gegner aufnehmen muss – der ja gerade in den Rambo-Filmen ein feindlicher Staat bzw. in Terminator ein überwachendes Staatssystem (Skynet) ist – funktioniert für sie also perfekt.
Ergänzend geht rechtes Denken zwangsläufig mit einem oft überbordenden Konservatismus einher, durch welchen neue Filme sowie neue Filmtechniken grundsätzlich als den alten unterlegen angesehen werden. Ein Übermaß an CGI ist zweifellos nie gut, dennoch sollte gegen die erweiternden Möglichkeiten von Computertechnik nichts einzuwenden sein. Nichtsdestotrotz schimpfen User, um die es hier geht, regelmäßig auf CGI und leugnen gar inhaltliche Aussagen hinter diesem. Ein Beispiel ist der Film Snowpiercer, in dem der soziale Aufstieg der armen „Unterschicht“ bildlich mit verschiedenen Leveln eines Computerspiels verknüpft wird. Dass dort eine digitale Optik als Sinnträger fungiert, steht außer Frage und doch wird sich aus jener Richtung über das CGI beschwert, selbst wenn man ihnen die metaphorische Komponente dahinter erklärt. Als Klassiker geltende, ältere Actionfilme, die weitestgehend auf CGI und andere neue Praktiken verzichten, schlagen somit genau in die konservative Kerbe, unter der in dieser Richtung Filme gefeiert werden.
In die Riege älterer Actionklassiker sowie in eine für Chauvinisten ideale optische Männlichkeit reiht sich (in deren Augen) eben auch Terminator ein, wenngleich der Film da weder etwas für kann, noch er tatsächlich zu einer solchen Aussage kommt. Im Gegenteil, einerseits bestachen Teil 1 und 2 zum jeweiligen Erscheinungsdatum ebenso mit für damals sehr fortschrittlichen Effekten, andererseits sind sowohl Arnold Schwarzenegger (abseits des Äußerlichen), wie angeführt, weit von Werten entfernt, die solche Leute als „richtig“ erachten würden, als auch die Filme definitiv emanzipatorischer Natur. Allein dass in Teil 1 der Terminator der Böse ist sowie von einer Frau zerstört und dass er in Teil 2 vollstens pazifistisch gezeichnet wird, müsste diesem Klientel sauer aufstoßen und doch wird all das (absichtlich) übersehen. Aber mit dem Ignorieren von offenkundigen Fakten kennen sich derartige Leute ohnehin aus, sei es betreffend des Coronavirus‘, dem Unterschied zwischen von der Meinungsfreiheit gedeckten Äußerungen und Diskriminierungen oder angeblichem Rassismus gegen Weiße.
Dennoch lässt sich nicht verneinen, dass zum Beispiel in der Rambo-Reihe, insbesondere in Teil 3 und 5, schon mit der Aufmerksamkeit der eher rechtsgerichteten Gruppen gespielt wird. Auch nutzt beispielsweise der kürzlich auf Netflix erschiene und von den üblichen Verdächtigen bejubelte Tyler Rake: Extraction (Kritik dazu folgt weiter unten) – eventuell unabsichtlich – das rassistische Stereotyp, dass ein weißer Held in asiatischen Ländern Kämpfen muss, weil die dortige Regierung, die dortigen Menschen dem Film nach scheinbar allein nicht zur Aufrechterhaltung von Friede in der Lage sind.
An manchen Stellen sind einige Actionfilme also schon dafür verantwortlich, dass sie an jene Gruppen geraten, obwohl es eindeutig vermeidbar wäre. Man hätte im Falle Tyler Rake: Extraction einfach nur einen einheimischen Protagonisten wählen müssen und die Sache wäre gegessen gewesen. Ohnehin wäre eine breitere Repräsentation dieser Ethnie in Hollywood angebracht, Weiße gibt es mehr als genug. Auch ein nicht so klischeehaft eingesetztes Männlichkeitsbild, indem man einen weniger muskulösen oder breiter gebauten Mann als Protagonisten nimmt – warum auch nicht -, würde das Problem umgehen. Eine Frau, eine homosexuelle Hauptfigur (das ist übrigens einer der Gründe, weshalb ich mir einen homosexuellen Bond wünsche; aber dazu nach Keine Zeit zu sterben mehr), was auch immer.
Wenn man nun die analysierten Gegebenheiten auf einen Nenner bringt, überrascht es folglich nicht, dass die User, die rechtem Gedankengut zugewandt sind, ihre Profile mit Bildern des T-800 oder Rambos verzieren, sich nach derartigen Filmen benennen und sie feiern. Es liegt in der Natur ihrer Denkweise, ist in den rechten Grundsätzen verankert.
Trotzdem möchte ich abschließend darauf hinweisen, dass nicht automatisch jeder mit einem Terminator-Profilbild (o. Ä.) rechts ist. Vor allem an diesen Filmen sieht man, dass gewisse Leute das Problem sind, nicht per se die Werke. Ihre Qualitäten liegen ja eben weit abseits der von rechten bejubelten Elementen, auch heute noch sind Terminator 1 und Terminator 2 großartige Filme. Ebenfalls mag ich die Rambo-Filme, Teil 1 bietet eine grandiose Kriegskritik, Teil 2 mit die beste Action, die ich kenne. Insofern lässt sich die im Titel provokant gestellte Frage mit einem ganz klaren „Nein.“ beantworten. Gefallen an derartigen Filmen zu finden, bedeutet nicht, rechts zu sein, aber – und das ist, was dieser Artikel herausstellen soll – rechts zu sein, bedeutet meist, Gefallen an derartigen Filmen zu finden.
Kritik: Tyler Rake: Extraction
„Du hoffst, wenn du die Revolvertrommel nur oft genug drehst, kriegst du irgendwann eine Kugel ab."
Für den vorangegengenen Artikel über den Zusammenhang zwischen rechtem Gedankengut und einem speziellen Filmgeschmack musste der kürzlich auf Netflix erschienene Tyler Rake: Extraction bereits als Negativbeispiel herhalten. Dabei haften diesem Film zwar durchaus Fehler an, schlecht ist er jedoch keineswegs; allerdings auch nicht, für was er gefeiert und als was er vermarktet wurde. Dafür, dass er nicht seiner Werbung entsprach, kann ich den Film natürlich nicht verurteilen, welchen Sinn macht es denn, ein Werk entlang dessen zu bewerten, was ich möglicherweise erwartet und nicht bekommen habe.
Dennoch ist es durchaus amüsant, wie trickreich der Film beworben wurde: Der offizielle deutsche Twitteraccount von Netflix retweetete in erster Linie solche Kommentare, die die brutale Härte von Tyler Rake: Extraction erwähnten. Und ich nehme es gleich mal vorweg, ja, der Film ist hart, aber eben nicht so, wie zu was man ihn erklären wollte. Das Schlimmste läuft offscreen ab, zudem erhält Brutaleres auf Netflix ebenso oft eine (berechtigte) ab 16 Einstufung. Die Freigabe ab 18 und die gezielt geteilten Kommentare waren folglich dazu gedacht, dem Film etwas Verbotenes, Skandalhaftes zu verleihen, um ihn in seiner Medienwirksamkeit zu stärken, ihm Aufmerksamkeit zu bringen. Und wenngleich das, wie beschrieben, dem Streifen nicht gerecht wird, so ist es doch ein cleverer Schachzug, der Zuschauerzahlen folgend auch funktioniert hat. Nichtsdestotrotz versandet Tyler Rake: Extraction in der Mittelmäßigkeit – die folgende Handlungseinführung lässt bereits verlautbaren, weshalb:
Nachdem das Kind eines Drogenbosses in Bangladesch entführt wurde, steht dieser kurz vor einem Krieg mit einem Konkurrenten, welcher, wenn, vor allem die Zivilbevölkerung trifft. Um dies zu vermeiden und das Kind zu retten, eilt ein Söldnertrupp, unter der Führung des kriegsmüden Tyler Rake (Chris Hemsworth) zu Hilfe. Geeignet ist letzterer dafür nicht, denn auch wenn er einiges drauf hat, quält ihn nach wie vor ein unverarbeitetes Trauma, welches die Mission für ihn besonders schwer macht.
Aber naja, viel davon bekommt man im Film nicht zu spüren. Wie zu erwarten war, sind Charakterzeichnungen dünn, wobei man sich bei der Hauptfigur zumindest noch etwas bemüht hat, dennoch vermag der Film keinen tragenden Mythos um den Protagonisten aufzubauen, wie es zum Beispiel John Wick oder The Equalizer gelingt. Auch die Nebencharaktere bleiben Beiwerk, treibende Motivationen sucht man bei ihnen vergebens. In allem, was der Film bespricht, auch was er bildlich darstellt, bleibt er ernüchternd oberflächlich. Wenn er sich doch dazu hinreißen lässt, ruhige Momente zu etablieren, ist vieles unnötig plump – man denke nur an die wiederkehrende Vertrauensfrage in Gesprächen. Dabei verpasst er so viele Elemente, die er hätte nutzen können, lässt so viele Szenen liegen; man merkt regelrecht, wie dem Film nicht nur der Mut, sondern auch der Anspruch fehlt, mehr aus reiner Action zu formulieren. Denn dies schafft das Werk, bis auf einer Szene, zu der ich später etwas sagen werde, eben nur im Negativen:
Wenngleich ich mir sicher bin, dass das nicht die Intention der Macher war, nutzt der Film unnötige, rassistische Stereotype. Es ist mal wieder der überlegene, weiße Mann, der einer fremden Nation helfen muss, weil es diese scheinbar selbst nicht schafft, weil es den Menschen dort selbst nicht gelingt, für Friede zu sorgen. Es hat immer einen faden Beigeschmack, wenn ein Werk in solche Klischees rutscht, wo man diese doch so leicht umgehen kann – was genau spricht denn gegen einen Protagonisten, der aus derselben Nation stammt, wie in der der Film spielt? Nichts, richtig. Aber was das anbelangt, habe ich in vorigen Artikel bereits ausführlich Stellung bezogen. Zum Glück bekommt Tyler Rake: Extraction mithilfe zweier Charatere noch die Kurve, wenn man das so sagen kann, dennoch hätte es das angesprochene Problem gar nicht erst gebraucht.
Ergänzend enttäuscht das inkonsequente Ende, das dem Hauptcharakter einen gelungenen Abschluss verwehrt und viele zuvor durchaus effektiver Szenen zu Effekthascherei erklärt. Auch, wenn das nun einige Spoiler bedeutet – das dürfte bei dem Film nicht stören, aber wer mag kann diesen Abschnitt nun überspringen -, mit ihm ruiniert das Werk sein eigenes Motiv. Tyler Rake schleppt mit sich herum, dass er bei einer Mission ein Kind nicht retten konnte, während er weiter und weiter lebt. Das ist keine herausragend clevere Charakterisierung, aber doch genug, um der Figur mehr als nur eine Oberfläche zu geben. Wenn der Moment kommt, an dem sich Rake endlich opfern kann, um ein Kind zu retten, dreht sich sein Schicksal um und er erreicht seine Erlösung. Nur wirft der Streifen das einige Szenen später weg, wenn die Autoren nicht dazu bereit sind, sich von ihrer Figur zu trennen. Die letzte Szene, die man einfach hätte weglassen sollen, nimmt dem Streifen somit einiges an Wirkkraft, aber da war die Möglichkeit einer Fortsetzung wohl wichtiger als ein passender Schlusspunkt.
Und auch, wenn der Soundtrack teils ebenfalls in eine zu leicht zu durchschauende Richtung verfällt, ist dieser dennoch zu loben – er hält an den richtigen Momenten inne, ist nicht zu vordergründig und hin und wieder treffend stimmungsvoll, treibend oder melancholisierend. Gewissen Stellen eine ergänzende Ebene zu verleihen gelingt ihm zwar nicht, dennoch akzentuiert er Sequenzen passend und setzt die Action in Szene.
In dieser liegen sowohl Augenmerk als auch Stärke des Filmes: Intensiv inszeniert, packend pointiert, wuchtig visualisiert und dem Zuschauer kaum eine Möglichkeit lassend, der Brachialität zu entfliehen. Als wäre er mit dabei, überrumpeln die Kämpfe sowohl vor als auch hinter dem Bildschirm und wissen choreografisch zu beeindrucken, auch was die physische Leistung der Schauspieler betrifft.
Worin die Qualität der Action aber tatsächlich begründet liegt, ist die herausragende Kameraführung, die die Kraft der Choreografien, die Intensität, erst wirklich umzusetzen weiß. Bisweilen überraschend kreativ nimmt sie den Zuschauer mit, indem sie in Actionsequenzen nah am Protagonisten bleibt, ohne unnötig oft zu schneiden, ohne hektisch oder unübersichtlich zu werden.
Am deutlichsten wird dies in der dem Film eigenen Oneshot-Szene, in welcher zehn Minuten lang die Kamera so geführt wird, als gäbe es keinen Schnitt. Leicht verkommt eine solche Sequenz zum Selbstzweck, wenn man sie filmisch nicht zu begründen weiß, so jedoch nicht hier: Tyler Rake: Extraction gelingt es an dieser Stelle tatsächlich, mithilfe jenes Stilmittels die Situation der Protagonisten dem Zuschauer greifbar zu machen. Im Abschnitt davor spitzt sich eine Verfolgungsjagd immer weiter zu, wird immer auswegsloser und wechselt dann, nach einem letzten ruhigen Moment, einem letzten Moment des Innehaltens, in die Oneshot-Sequenz. Mit der abschließenden Atempause der Protagonisten verschwindet somit auch die Möglichkeit für den Zuseher, den erlösenden Effekt eines Schnittes wahrzunehmen, wie die Figuren ist er in der unausweichlichen Verfolgung gefangen, muss sich mit ihnen durch Gegner und Gebäude kämpfen, mit ihnen entkommen. Gezielt wird hier die Oneshot-Technik genutzt, um die szenenimmanente Aussage bildlich festzuhalten, denn erst mit dem Ende der Verfolgungsjagd, mit einem Wechsel in die Perspektive der Gegenspieler, fällt der nächste erkenntliche Schnitt – welcher gleichzeitig das vermeintliche Ableben der Protagonisten zementiert, indem er hart in eine gehobene, distanzierte Sicht springt. So und nicht anders sollte dieses Stilmittel genutzt werden – etwas was zum Beispiel 1917 nicht gelingt -, es sollte filmische Relevanz erhalten, damit es nicht nur da ist, weil man es kann und eben beeindrucken möchte.
Und auch wenn ich des Filmes Oberflächlichkeit zuvor kritisieren musste, sind die zwischenzeitlich eingestreuten, ruhigen, teils besinnlichen Momente eine wirkungsvolle Unterbrechung, die der Action einen geeigneten Gegenpol bieten. Dialogtechnisch sind durchaus nennenswerte Ansätze dabei, die glücklicherweise auch über die entsprechende Ernsthaftigkeit verfügen und somit die tragende Tonalität treffen. Verstärkt kontrastiert wird dies von der mehrfach erwähnten, nötigen Härte, die zwar dem Marketing nicht gleichkam, aber ausreichte, um dem Film zu geben, was er brauchte. Speziell in einer Szene fängt das Werk die Grausamkeit, die (moderner) Krieg mit sich bringt, ein, wenngleich mehr Konsequenz auch hier für weitere Wirkung gesorgt hätte.
Dem folgend halte ich die Netflix-Freigabe ab 18 Jahren, wie eingangs angesprochen, für überzogen und bezweifle, dass sie aus einer von Verkaufsstrategien befreiten Sicht auch so getroffen worden wäre. Eine ab 16 reicht für Tyler Rake: Extraction völlig zu, ab diesem Alter sollte die teils blutig Intensität zu verarbeiten sein (Brutalität: 8 von 10 für ab 16).
Ein Fazit bescheinigt nun, was bereits zu erwarten war und auch deutlich geworden sein sollte: Tyler Rake: Extraction ist ein mittelmäßiger Film, der mit seiner Kameraführung und Action punktet, bis auf Einzelszenen aber belanglos bleit. Für die Oneshot-Sequenz lohnt sich dennoch eine Sichtung, auch einer Fortsetzung wäre ich nicht abgeneigt, wenn man für diese nun schon bewusst Makel am Vorgänger in Kauf nimmt. Allerdings gehe ich stark davon aus, dass ein zweiter Teil keine Steigerung mit sich bringen wird, doch für Überraschungen bin ich freilich offen.
Dieses Werk hier erhält als Actionfilm allerdings 8 Punkte, gesamt gesehen jedoch nur
5,5 von 10 Punkten.