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Tyrannosaur - Eine Liebesgeschichte

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Flucht ohne Ausweg

Tyrannosaur - eine Liebesgeschichte Kritik

Tyrannosaur - eine Liebesgeschichte Kritik
0 Kommentare - 10.10.2011 von FBW
Hierbei handelt es sich um eine Kritik der Deutschen Film- und Medienbewertung (FBW).

Bewertung: 5 / 5

"Auge um Auge, Zahn um Zahn" - so sieht das Leben aus in der heruntergekommenen Gegend, in der Joseph (Peter Mullan) sein Dasein fristet, in der er säuft und sich prügelt. Unkontrollierbare Wutausbrüche, Gewaltexzesse, unflätige Schimpftiraden strukturieren die Tage des im Grunde seines Herzens gutmütigen Mannes. - Jedes Wort, jedes Bild ist in Tyrannosaur - eine Liebesgeschichte ein Geschoss. Dennoch ist das schonungslose Kinodebüt von Regisseur Paddy Considine vor allem ein Liebesfilm. Aufrichtig und kraftvoll, tragisch und bittersüß.

Joseph, Ende 40, Anfang 50, ist ein Schläger, ein Frustbürger. Einer, der seinen Hund zu Tode prügelt, weil er gerade kein anderes Ventil findet. Dass ein Baseballschläger griffbereit neben seinem Bett steht, verwundert nicht. Paddy Considine, der auch das komplexe Drehbuch schrieb und bislang vor allem als exzellenter Schauspieler in Erscheinung trat, wählte einen schwierigen Weg: Sein Film wird von einem Protagonisten getragen, der ums Verrecken unsympathisch sein will.

Hilfe annehmen? Zuneigung zulassen? Das geht nicht. Dabei hat Joseph in einem Second- Hand-Laden Glück, in den er eines Tages reinstürmt: Hannah (Olivia Colman) versteckt ihn vor einer Horde jugendlicher Schläger. Sie bietet ihm Tee an, ein offenes Ohr, will ihm helfen. Dabei braucht sie selber Hilfe. Aber das weiß Joseph nicht, und Hannah gesteht es sich nicht ein.

Sie vergibt ihrem Ehemann (Eddie Marsan) immer wieder; wenn er sie schlägt, wenn er sie anpinkelt, sie demütigt und wie Dreck behandelt. Hannah versteckt sich hinter gebrauchten Mänteln und abgewetzten Hosen, die sie für einen guten Zweck verkauft. Ihre Hilferufe sind Gebete. Aber Gott hört nicht zu.

Joseph und Hannah sind zwei Menschen auf der Flucht. Nur weglaufen können sie nicht. Ihre Wege kreuzen sich immer wieder, und irgendwann entdecken die beiden vom Leben Vergessenen, dass sie einander Kraft geben können. Obwohl sie zum Scheitern verdammt sind.

Es ist eine überwältigende Liebesgeschichte, die sich Paddy Considine hat einfallen lassen. Er erzählt sie, getragen von zwei überragenden Hauptdarstellern, sehr behutsam und bettet sie in eine spröde Wirklichkeit ein, in der es nur ewig wiederkehrende Tage voller Frust, Enttäuschung, Verlust und Leere gibt. Faszinierende Details schildern scheinbar beiläufig das frustrierende Leben in der Mittelschicht, hinter deren Vorhängen Monster lauern.

Oder Tristesse und Ausweglosigkeit eines englischen Arbeiterviertels: Josephs Nachbarsjunge ist wie ein Spiegel. Unschuldig und ehrlich, wie es vielleicht auch Joseph einmal war. Doch diese Zeiten sind längst vorbei, und wenn man dem Leben irgendeine Logik unterstellen will, dann wird auch der Kleine irgendwann ein Joseph. Zumal sein Stiefvater und dessen aggressiver Köter sein Leben zu einem Albtraum machen.

Hoffnung gibt es kaum, aber das macht Tyrannosaur zu einem unvergesslichen Film über die Unausweichlichkeiten des Lebens. In seinem harten Sozialrealismus erinnert er an frühe Filme von Ken Loach. Mit dem Unterschied, dass Considine konsequenter ist, spannungsreicher, immer wieder überraschend und in seinem vielschichtigen Drehbuch dramaturgisch kluge Reizpunkte setzt.

Gerade die seltenen Momente zaghaften Glücks, die Hannah und Joseph erfahren, sind von Hilflosigkeit geprägt. Und Hilflosigkeit führt zu Frust, der sich entladen muss. Die Spannung wird vom Leben aufgebaut - und das ist so fesselnd wie irritierend und schockierend. Das Warten auf den nächsten Gewaltexzess ist eine Qual - mit jeder Minute wird die Anspannung unerträglicher. Doch alles Wissen um die Unvermeidbarkeit schützt nicht vor dem finalen Knalleffekt.

Tyrannosaur - eine Liebesgeschichte bekommt 5 von 5 Hüten.


(Quelle: teleschau - der mediendienst | Andreas Fischer)

Tyrannosaur - eine Liebesgeschichte Bewertung
Bewertung des Films
1010

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