Bewertung: 2 / 5
Eigentlich hätte der Baby Schimmerlos in dieser so apostrophierten Kir Royal-Fortsetzung ja mit von der Partie sein sollen. Aber Franz Xaver Kroetz wollte den legendären Münchner Klatschreporter aus den 80-ern dann doch nicht noch einmal spielen. Weil das Drehbuch für ihn keine jungen Weiber und keinen Porsche vorsah, echauffierte sich Filmemacher und Schimmerloserfinder Helmut Dietl. Weil das Buch ein "schreckliches Desaster" sei mit zu viel Menschenverachtung und zu wenig Humor, entgegnete Kroetz, der kurz vor Drehbeginn ausstieg und dieser Totgeburt, das muss man nun leider sagen, dadurch wahrscheinlich den Rest gab. Nachdem die Arbeiten am Film, der einmal "Berlin-Mitte" heißen sollte, sieben Jahre lang die Medienlandschaft auf Trab hielten, ist Zettl, benannt nach der von Bully Herbig gespielten Hauptfigur, ein ziemliches Desaster.
Hier der junge Münchner Parvenü Zettl, der im Macht-Medien-und-Moneten-Morast Berlin-Mitte die neue Zeit verkörpert. Dort sein Gegenspieler Schimmerlos, der abgewrackte Schwabinger Societystenz, der für die alte Zeit steht. So hatte sich Helmut Dietl das ursprünglich gedacht. Stattdessen wird der heiß geliebte Serienheld von anno dazumal gleich eingangs beerdigt. In einer zotigen Zeichentrickouvertüre erfährt man, wie das damals, vor dem Mauerfall, war mit der heimlichen Hauptstadt München. Und dass heute alle, die was sein wollen, in Berlin sind. Außerdem erfährt man, wie der Schimmerlos zu Tode kam: Auf einer Harley sei er in wilder Fahrt gegen das Brandenburger Tor gerauscht. Ein dämliches und reichlich unwürdiges Ende, das leider exakt das Niveau dessen vorgibt, das noch kommt.
Bully Herbig, der hier wie immer Bully Herbig spielt, hört also auf den Namen Max Zettl. Der unüberhörbar aus Bayern stammende Chauffeur eines unüberhörbar aus der Schweiz stammenden Verlegermilliardärs (Ulrich Tukur) setzt alles daran, Chefredakteur eines neuen Online-Klatsch-Portals namens "The New Berliner" zu werden. Weil der Zettl dank der vielen Chauffiererei irgendwie jeden kennt und weil er, wie's der Filmuntertitel will, "unschlagbar charakterlos" ist, gelangt er im Handumdrehen ans Ziel: ein Redaktionsloft über den Dächern der Stadt. An seiner Seite: Freundin Verena (Karoline Herfurth), die auch die Kanzlergeliebte (gegen Cash) ist. Ferner ein verwahrloster Online-Experte und das alte Fotografenschlachtross Herbie Fried (Dieter Hildebrandt), der jetzt im Rollstuhl sitzt, weil er nach eigenen Angaben in Monaco von einer Promijacht gefallen sei.
Was ist das im Grunde für ein tolles Timing! Auf der Welle der Wulff-Affäre hätte diese Generalbrechnung mit der Verderbtheit der Berliner Republik regelrecht dahinsurfen können. Aber Dietl und sein Koschreiber Benjamin von Stuckrad-Barre haben sich fürs völlig falsche Kaliber entschieden. Statt die feinen Perfidien des Polit- und Medienbetriebs zu sezieren, werden ausschließlich die ganz groben Klötze gehackt. Nach Menschlichem sucht man hier vergebens, willkommen im Schablonenstadl.
Der Kanzler (Götz George) ist ein alkoholgeschädigtes Wrack, das bald verstirbt und dann zu Vertuschungszwecken in der Privatklinik am Alex auf Eis konserviert wird. Um seine Nachfolge rangeln die Regierende Bürgermeisterin (Dagmar Manzel), die eigentlich ein Bürgermeister ist und sich genötigt sieht, die männlichen Geschlechtsteile heimlich wegoperieren zu lassen (Teilnarkose!), sowie der Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern. Harald Schmidt spielt diesen schwäbischen Windbeutel mit Kanzleramtsambitionen mit Halbglatze, großem Sexhunger und häufig im Bademantel. Subtil ist was anderes.
Um zu unterstreichen, dass in Berlin-Mitte die Provinzler herrschen, hätte man vielleicht nicht unbedingt jeder Figur einen krassen Dialekt verpassen müssen. Und ganz sicher schadet es einem Spielfilm nicht, wenn ein paar tragende Rollen auch mit Schauspielern besetzt sind. Stattdessen sieht man hier einen Sketch-Comedian in der Hauptrolle, den BR-Kabarettisten Christoph Süß als skrupellosen Spin-Doctor und einen Late-Night-Moderator als schwäbelnden Landesvater.
Wenn im Fernsehen eine Ansagerin zu sehen ist, dann muss es die Bauerfeind sein. Und wenn sich der alte Herbie aus der Zeitung Pflegepersonal bestellt, dann steht da die ehemalige Dschungelcampbewohnerin Katy Karrenbauer dreckverschmiert als osteuropäische Dampfwalze vor der Tür. Und so weiter und so fort. Wenn der Politbetrieb ein einziger Klüngel ist, dann ist die Unterhaltungsbranche auch nicht besser.
Natürlich könnte man einwenden, dass Dietl schon immer so gearbeitet und getickt hat. Aber die Herangehensweise war früher doch eine andere, eine klügere. Kir Royal - das hatte einen gewissen Stil, Beobachtungsgenauigkeit und immer eine tragische Fallhöhe. Zettl hat nur noch derbe bis plumpe Zoten - sowie die alten Serienhelden Mona (Senta Berger) und Herbie Fried, die Dietl, vielleicht in einer Art Gnadenakt, nacheinander in die alte Heimat München zurückschickt.
Wenn aus diesem Film einer als Gewinner herausgeht, dann ist es Franz Xaver Kroetz, weil er der Versuchung widerstanden hat, sich diesem würdelosen Promiabtrieb anzuschließen. Mit dem Schimmerlos beerdigt Dietl am Anfang einen großen Fernsehmythos - und mit ihm die alte Art des Filmemachens. Vielleicht ist die Berliner Republik ja derart depraviert, dass sie eine sterile Brachialsatire wie diese schon wieder verdient hat. Es ist ein Trauerspiel.
Zettl - Unschlagbar charakterlos bekommt 2 von 5 Hüten.
(Quelle: teleschau - der mediendienst | Jens Szameit)