Bewertung: 4.5 / 5
Großbritannien während des Zweiten Weltkriegs. Das Land wird wie andere europäische Nationen hart von den deutschen Attacken getroffen. Man brennt darauf, die hochgradig perfekte ENIGMA-Verschlüsselung der Nazis zu knacken, um die deutschen Funksprüche zu verstehen und kommende Angriffe im Keim zu ersticken - dies ist der geheime Auftrag für den verschlossenen Kryptoanalytiker Alan Turing (Benedict Cumberbatch), den britischen Schachmeister Hugh Alexander (Matthew Goode) und weitere Analytiker in Bletchley Park. Doch wie sich schnell herausstellt, kann diese Sisyphusarbeit von keinem Menschen geschafft werden - wie Turing bald erkennt.
Jahre später geht die britische Polizei einem Einbruch in Turings Haus nach. Im Zuge der Aufklärung des Falls kommt heraus, dass der hochintelligente, zurückhaltende Mann eine Beziehung zu einem anderen Mann hatte. Diese Beziehung kann Turing als "grobe Unzucht und sexuelle Perversion" ins Gefängnis bringen, da Homosexualität zu jener Zeit in England strafbar war...
Trailer zu The Imitation Game - Ein streng geheimes Leben
Wie unsere Einleitung andeutet, erzählt das packende Drama The Imitation Game Alan Turings Geschichte in mehreren Ebenen, um genau zu sein in drei Erzählsträngen, die mal mehr, mal weniger lang das Puzzle um den weltberühmten britischen Logiker und Kryptoanalytiker schließen und seinen Charakter greifbar machen. Turing legte mit den Grundstein zur modernen Informatik und war mit seinen Theorien maßgeblich daran beteiligt, dass komplexe Aufgabenstellungen heutzutage von Computern gelöst werden können. Dabei ist The Imitation Game weitaus weniger trocken oder hochkompliziert, als es das Sujet erahnen lässt, erwartet den Kinozuschauer doch eine wirklich spannende und vor allem emotional packende Lebensgeschichte.
Dies ist vor allem ein großer Verdienst von Benedict Cumberbatch (Sherlock, Star Trek Into Darkness), der Turing wunderbar unnahbar und sensibel spielt, gleichzeitig aber auch dessen Hunger nach mathematischer Berechenbarkeit mit einer Innbrunst spielt, dass man sich wünscht, auch nur halb so schlau wie der hochintelligente Analytiker zu sein. Es gäbe viele andere Schauspieler, die Turing ebenfalls gut dargestellt hätten, aber Cumberbatch ist es zu verdanken, dass wir uns keinen anderen in dieser Rolle vorstellen wollen. Turings verschlossener Charakter wird unterstrichen durch die Lebensfreude der Menschen um ihn herum, sei es Matthew Goode (Watchmen - Die Wächter) als Schachmeister Alexander, Keira Knightley (Fluch der Karibik) als Analytikerin Joan Clarke oder Allen Leech (Rom) als John Cairncross. Wir möchten an dieser Stelle Charles Dance (Game of Thrones) als Commander Denniston nicht vergessen, der Turing genug Steine in den Weg legt, sowie Mark Strong (Dame, König, As, Spion) als MI6-Mitarbeiter Stewart Menzies. Es ist fast absurd zu glauben, dass The Imitation Game bei aller Dramatik und eingestreuten zeitgenössischen Kriegsaufnahmen tatsächlich auch die eine oder andere Humorsekunde aufblitzen lässt, was gerade zu Beginn (im englischen Original auch dank Cumberbatchs sonorer Stimme) für einen wunderbaren Schlagabtausch zwischen Turing und Denniston sorgt.
Die zu erwartende dröge Entschlüsselung des Codes ist dabei nicht annähernd so zäh, da viel Wert auf die beteiligten Figuren und ihre teils mehr, teils weniger freundschaftlichen Beziehungen gelegt wird. Interessant wird es an dem Punkt, wenn der Code geknackt ist und die Analytiker um Turing vor der Frage stehen, wie man nun vorgehen soll - denn könnten die Briten plötzlich wie von Zauberhand alle kommenden Angriffe abwehren, würden die Deutschen schnell dahinter kommen und den Code umgehend anpassen, was den Vorteil der Alliierten pulverisiert. Es wird schnell klar, dass persönliche Emotionen an dieser Stelle zurücktreten müssen, denn wie sagte Spock einst so passend - das Wohl von Vielen, es wiegt schwerer als das Wohl von Wenigen oder eines Einzelnen...
Kurz mag man sich verloren fühlen, wenn sich die drei Erzählstränge - Turings Zeit auf dem Internat, seine Zeit in Bletchley Park zur ENIGMA-Entschlüsselung und die spätere Verhaftung - abwechseln, aber dieser Eindruck schwindet bald und lässt das Bild um den Wissenschaftler mit der Zeit immer klarer werden. Dabei liegt es nicht in unserer Macht zu bestimmen, was tatsächlich so passiert ist oder nicht. Gab es die innige Zuneigung zu einem Freund in frühester Jugend? Waren sich Clarke und Turing tatsächlich so nah? Und waren sich die Analytiker so spinnefeind, wie es teilweise den Anschein hat? Es gibt Historiker, die The Imitation Game aufgrund dessen als untragbar einstufen, aber es geht unserer Meinung nach nicht darum, eine korrekte Biographie wahrzunehmen. Viel wichtiger ist es, dass es Regisseur Morten Tyldum (Headhunters) schafft, die Faszination für einen Mann und dessen Interessensgebiet zu schaffen, dass dem Großteil der Menschen fremd, einfach zu hoch sein dürfte und dessen Bedeutung für unser heutiges Leben betont. Es ist eine stille Hommage an einen der größten Denker des 20. Jahrhunderts, der viel zu spät von seinem Land die Ehre erhielt, die ihm gebührt.
Hinzu kommt, dass The Imitation Game auch mit dem Soundtrack punktet, der das ganze Werk abrundet und auch nicht zu dominant ist. Neben Die Entdeckung der Unendlichkeit über den brillanten Astrophysiker Stephen Hawking ist The Imitation Game ein charmanter, wunderbarer Film über eine faszinierende Persönlichkeit - mit absoluter (Heim-)Kinoempfehlung. Dann aber bestenfalls im Original.