
Bewertung: 4 / 5
Krass komisch. Krass brutal. Krass schön. Mit 28 Years Later kehrt das Rage-Virus nach 18 Jahren Wartezeit auf die Leinwand zurück. Statt des lange erwarteten 28 Months Later markiert 28 Years Later nun den dritten Teil der bekannten Horrorreihe, die mit 28 Days Later 2002 begann. Regisseur Danny Boyle, der bereits mit T2 Trainspotting gezeigt hat, dass er späte Fortsetzungen überzeugend umsetzen kann, wagt mit dem Film nicht nur eine Rückkehr, sondern einen Neustart: 28 Years Later ist der Auftakt einer neuen Trilogie innerhalb des Franchise, einer Trilogie, die das Zeug hat, das Genre erneut zu revolutionieren.
28 Years Later Kritik
28 Days Later hatte das Zombie-Genre Anfang der 2000er radikal erneuert. Schnelle Infizierte, ein gesellschaftskritischer Unterton und eine Bildsprache, die rohe Unmittelbarkeit vor Hochglanz setzte. Daran knüpft 28 Years Later stilistisch wie inszenatorisch an und präsentiert uns einen Film, der komplett auf einem iPhone 15 Pro Max gedreht wurde. Daran befestigt waren zwar mehrere Geräte, um den Dreh auf einem Smartphone überhaupt zu ermöglichen, doch stach der einzigartige Stil uns sofort ins Auge. Genau wie bei 28 Days Later, der auf einer Canon XL-1 Digitalkamera entstand, wird der innovative Look mit seiner grobkörnigen, rauen Videoästhetik auch hier die Gemüter spalten. Auf der einen Seite schafft Regisseur Danny Boyle damit eine sehr düstere Atmosphäre, die selbst tagsüber Unbehagen auslöst. Gleichzeitig wirken ausgewählte Einstellungen wunderschön, während andere eben aussehen, wie mit dem iPhone gefilmt. Schlussendlich geht es um das Gefühl, welches bei uns Zuschauern erzeugt wird, und das gelingt dem Spitzen-Regisseur gewohnt fantastisch. Wir sind ganz nah dran an der Action, an den Infizierten, aber auch an den Figuren.
Trailer zu 28 Years Later
Nachdem der Vorgänger 28 Weeks Later damit geendet hatte, dass Infizierte bis nach Paris vorgedrungen sind, rudert die neue Trilogie steil zurück. Statt eines "infizierten Europas" wird die Ausbreitung des Virus auf Großbritannien beschränkt, um eine deutlich intimere Geschichte zu erzählen. Einige Menschen haben Wege gefunden, inmitten der Infizierten zu existieren. Eine solche Gruppe von Überlebenden lebt auf einer kleinen Insel, die durch einen einzigen, stark verteidigten Damm mit dem Festland verbunden ist. Als Jamie (Aaron Taylor-Johnson) mit seinem Sohn (Alfie Williams) auf einer Mission die Insel verlässt, um in das dunkle Innere des Festlandes vorzudringen, stoßen sie auf unerwartete Geheimnisse, Wunder und Schrecken, die nicht von ihnen ablassen wollen.
Entgegen unserer Erwartungen nahm 28 Years Later in der zweiten Hälfte eine überraschende Wendung. Indem Spikes Mutter Isla (Jodie Comer) in den Vordergrund rückt, lernen wir auf einem anderen Abenteuer eine Reihe neuer Figuren kennen, die dem Film ein neues Level an Tiefe verleihen. Während zunächst insbesondere die Bedrohung durch die Infizierten und die damit einhergehende Spannung im Vordergrund standen, schafft 28 Years Later später auch Raum für Themen, wie die Dualität aus Leben und Tod. Im kleinen Rahmen findet ebenso der Vergleich zwischen der Realität innerhalb und außerhalb der Quarantäne Platz. Dadurch gewinnt der Horror-Streifen zugleich an Humor, aber auch emotionaler Tiefe. Gerade die mysteriöse Figur, gespielt von Ralph Fiennes, sticht dabei stark heraus. Der Vergleich ist definitiv übertrieben, doch fühlten wir uns ein wenig wie in Apocalypse Now, wo der Film sich von einem klassischen (Anti)-Kriegsfilm zu einer fast schon spirituellen Erfahrung wandelt.
Diese zweigeteilte Handlung kann einem durchaus auch negativ aufstoßen und gerechterweise wird eine wichtige Figur für einen Großteil der Handlung komplett außen vor gelassen. Obwohl dies innerhalb des Films zwar auch logisch begründet werden kann, so ärgerlich ist es doch im Kontext der Figurenkonstellation. Dazu kommen ein oder zwei Logiklücken innerhalb des Plots, die der Streifen durchaus beantworten hätte sollen. Das Drehbuch von Danny Boyle und Alex Garland ist somit zugleich Stärke und Schwäche der Geschichte.
Untermalt wird Danny Boyles neuestes Werk von einem Score und Sounddesign, wie wir es lange nicht gehört haben. 28 Years Later manipuliert absichtlich die Soundkulisse, um unsere Furcht vor Infizierten ständig aufrechtzuerhalten. Dabei spielt auch die bereits im Trailer zu hörenden Audionachricht von Rudyard Kiplings Gedicht "Boots" aus dem Jahr 1915 eine Rolle. Wir können es kaum beschreiben, doch harmoniert die steigende Intensität des Gedichts mit der aufkommenden Spannung des Films. Es entsteht ein Unbehagen, das sich durch den gesamten Auftakt der Geschichte zieht. Parallel entfaltet der Score der Hip-Hop-Gruppe Young Fathers eine Mixtur aus düsteren und berührenden Songs.
Auf der technischen Seite stechen die hervorragenden und überaus blutigen praktischen Effekte heraus, sowie der außergewöhnliche Schnitt. Gerade in Action-Sequenzen kommen alle Aspekte zusammen, das Sounddesign, die blutigen Effekte und der rasante, sowie teils abgehackte Schnitt. Dieser kommt fast einer Kill-Cam gleich, wie wir sie aus manchen Videospielen kennen. Dadurch erzeugen die Sequenzen ein hohes Maß an Spannung und lassen uns regelmäßig an ihrem Ende aufatmen. Gerade jegliche Erweiterung auf Seiten der Infizierten sorgt abwechselnd für eine schleichende oder rasante Spannungskurve innerhalb der Action.
Fazit
28 Years Later ist einer dieser Filme, bei dem wir nicht erwarten können, wie es wohl weitergeht. Mit der Beschränkung des Virus auf Großbritannien sind Danny Boyle und Alex Garland uns zwar einen Schritt zu weit zurückgegangen, doch hat uns ihre fokussierte und spannende Geschichte mehr als überzeugt, dass dies der richtige Weg ist. 28 Years Later wagt den Schritt nicht höher, schneller, weiter sein zu müssen wie sein Vorgänger. Stattdessen wird hier ein solides Fundament für die neue Trilogie gelegt, das sowohl mit seinen Figuren, der Spannung und dem richtigen Look Lust auf mehr macht. Gerade die technische Seite des Films zeichnet sich durch den interessanten Schnitt und den innovativen Dreh mit einem iPhone aus. Die Bilder, die dadurch entstehen, erschaffen, wie bereits bei 28 Days Later, ein Gefühl des mittendrin dabei seins. Abseits davon bringt 28 Years Later ein paar sehr kreative und unvorhersehbare Ideen mit sich, die wir so noch in keinem Zombie-Horror-Film zuvor gesehen haben. Umso gespannter sind wir auf die bereits abgedrehte Fortsetzung.
