Bewertung: 3.5 / 5
Ein biografisches Filmdrama aus Deutschland. Und dann noch über Milli Vanilli. Das könnte arg ins Auge gehen. Tut es aber nicht. Und das liegt an der sehr flüssigen Inszenierung von Regisseur Simon Verhoeven, dem - immer noch - mitreißenden musikalischen Fundament und den beiden Hauptdarstellern, die ein großartiges Double abgeben.
Girl you know it´s true Kritik
Mitte der 1980er Jahre brennt es Musikproduzent Frank Farian (Matthias Schweighöfer) unter den Nägeln: Mit Robert Pilatus (Tijan Njie) und Fabrice Morvan (Elan Ben Ali) hat er die perfekten Tänzer gefunden, die er zu Stars machen will - doch singen sollen andere. Als "Milli Vanilli" gelingt ihnen ein mehrwöchiger Nummer-1-Erfolg in den deutschen Charts, der sich in den USA fortsetzen soll. Dort gelingt den beiden Jungs u.a. mit "Baby don’t forget my number" das Kunststück schlechthin, mit einem in Deutschland produzierten Song auf Platz 1 der Billboard-Charts zu landen. Bei der Grammy-Verleihung 1990 gewinnen sie einen Award in der Kategorie "Best New Artist" - doch auf den steilen Aufstieg folgt ein tiefer Fall...
Leser:innen ab Mitte 40 und älter werden sich an den Sommer 1990 erinnern, der nicht nur vom Ohrwurm "Verdammt - ich lieb’ dich" dominiert wurde, sondern auch vom Skandal um Milli Vanilli. Dieser beherrschte die internationalen Gazetten und mündete speziell in den USA in einen prähistorischen Shitstorm, gipfelnd in der Zerstörung von Milli-Vanilli-Platten durch die Fans und der Aberkennung des Grammys. Regisseur Simon Verhoeven nahm sich dieses dankbaren Filmthemas an und inszenierte mit Girl you know it´s true einen dynamischen Film über eine Band, bei der offenbar alles perfekt war.
Mit Blick auf die kurze Vorstellung des Films in der letzten "Wetten, dass..."-Sendung vor einigen Wochen, ahnten wir Schlimmes. Zwar legte sich Frank-Farian-Darsteller Matthias Schweighöfer ins Zeug, was die Promotion anging, die wenigen Szenen aus Girl you know it´s true waren aber recht lieblos und dürften den großen Eindruck verpasst haben. Wer jedoch unvoreingenommen ins Kino geht und generell ein Herz für Filme wie Bohemian Rhapsody oder The Dirt hat, der wird an der Verfilmung viel Freude haben.
Diese stellt liebevoll viele Szenen, Auftritte und Videos nach, die von den beiden Hauptdarstellern Tijan Njie und Elan Ben Ali nahezu perfekt kopiert werden. Rob und Fab sind top besetzt und man sieht den beiden Newcomern die Spielfreude an. An ihrer Seite ein cholerischer Matthias Schweighöfer, der Frank Farians Wutexzesse großartig für die Leinwand übersetzt. Man möchte meinen, nah am Overacting, aber der deutsche Ausnahmeproduzent soll so ein Wutzwerg gewesen sein.
Insgesamt reißt Girl you know it´s true mit, was mit Sicherheit an den eingängigen Popsongs liegt, aber auch an der Balance, die Geschichte nicht ins Lächerliche zu ziehen und mit Würde zu erzählen. Es gibt diese befreienden Momente vollen Glücks, wenn die beiden Underdogs - ein junger Schwarzer, von einer deutschen Familie adoptiert, und ein junger Schwarzer aus Frankreich, der sich alleine nach Deutschland aufmacht - in den Pophimmel aufsteigen und nach und nach erkennen, dass sich ihr Leben ins Geniale kehrt. Und die Vorboten des Dramas, wenn die Fassade erste Risse bekommt und es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis die Öffentlichkeit von der Täuschung erfährt. Stark sind diese stillen Momente, in denen die beiden Persönlichkeiten nahbar wirken, und so ist Girl you know it´s true trotz des ziemlich bekloppten Bandnamens, der immer noch mitreißenden Popsongs und der skurrilen Story mehr Drama als Komödie, denn bis auf kurze finanzielle Sternstunden gab es (fast) nur Verlierer.
Ein guter Fluss, eine gute Story, ein rasanter Aufstieg und ein tiefer Fall - wie einst im Pophimmel kann auch Girl you know it´s true international mithalten.
Wiederschauwert: 80 %