Bewertung: 3.5 / 5
Sein immer noch volles Haupthaar überspielt sein Alter, doch auch wenn man es nicht glauben mag, hat das Hollywoodurgestein [i]Robert Redford[/i] ([b]Der Clou[/b], [b]Der Pferdeflüsterer[/b]) seinen 70. Geburtstag schon vor etlichen Jahren gefeiert. Vor 12 Jahren hat er den Ehrenoscar für sein Lebenswerk erhalten und vor 7 Jahren schien er sich langsam aufs Altenteil vorzubereiten. Etwas überraschend dann sein Comeback vor 2 Jahren und noch überraschender sein Engagement in[b] All is lost[/b], erfordert seine Rolle in dem Survivaldrama auf hoher See doch auch eine gewisse physische Präsenz und Kraft. Aber nicht nur das. Der Film verzichtet auf jede Rahmenhandlung, der einzigste Darsteller wird nicht formell charakterisiert und es gibt weder Dialoge noch eine Stimme aus dem Off. Da ist ein Mann, das Meer und sein Kampf ums Überleben. Für den Zuschauer ergibt sich aus dieser dokumentarisch anmutenden Reduktion kaum eine Möglichkeit der Identifikation, auch auf spektakuläre Szenen oder Special Effects kann man lange warten. Es regiert lange Zeit die Routine eines hocherfahrenen Seglers, der sein leck geschlagenes Boot auf eine befahrene Route steuern möchte, um dort von einem Schiff gerettet zu werden. Das Ziel eines solchen Werkes ist klar. [i]Redford[/i] möchte mit diesem fast schon bahnbrechenden Filmexperiment Geschichte schreiben, während die Macher ganz stark auf einen kleinen Goldjungen schielen, der im März vergeben wird. Und der Film hat tatsächlich eine Statue so gut wie sicher. Aber es wird vermutlich nicht [i]Redford[/i], sondern ein anderer sein, der auf die Bühne gebeten wird. [u]Inhalt[/u] Ein in die Jahre gekommener Skipper[b]([/b][i]R.Redford[/i][b])[/b] wird unsanft aus dem Schlaf gerissen und bemerkt, daß sein Schiff auf Treibgut gestossen und leck geschlagen ist. Mit der Ruhe eines alten Fahrensmanns versucht er die Situation zu meistern, aber es ist nicht mehr möglich mit der Aussenwelt zu kommunizieren und um Hilfe zu rufen. Ein Unwetter lässt die Lage immer bedrohlicher werden, und damit scheint alle aufgebaute Erfahrung und Weisheit eines langen Lebens mit einem Mal wertlos geworden zu sein. Denn auf den eigenen Tod kann man nicht hintrainieren. [u]Kritik[/u] Der Streifen beinhaltet 3 Faktoren, die den Gang ins Kino lohnend machen. [b]1.)[/b] Die Kameraarbeit:[b][/b] Die Kamera wirkt zu Beginn des Dramas nicht nur etwas hektisch und nervös, sondern auch sehr aufmerksam. Der Hauptdarsteller wird in seinem Tun von allen Seiten beleuchtet, jede noch so kleine Routinetätigkeit wird eingefangen und damit eine Bedeutung beigemessen. Je schwieriger sich die Lage für den Protagonisten gestaltet, umso [b]“[/b]behäbiger[b]”[/b] verhält sich auch die optische Umsetzung. Irgendwann nimmt die Kamera sogar die Sicht der Haie ein, die scheinbar nur noch warten bis ihr [b]“[/b]Futter[b]”[/b] aufgibt. Die Kameraarbeit spiegelt den jeweiligen Seelenzustand des Schiffbrüchigen wider, der zu Beginn seiner Not noch voller Hoffnung und Konzentration ist, später aber immer mehr in Resignation verfällt. [b]2.)[/b] Der Hauptdarsteller[b]:[/b] Nicht nur seine Figur, sondern auch der Schauspieler selbst ist extrem auf sich alleine gestellt. In seinen Aktionen muss er authentisch wirken ohne etwas über sich und sein bisheriges Leben sagen zu können, seine Mimik ist die einzigste Möglichkeit mit dem Zuschauer zu [b]“[/b]kommunizieren[b]”[/b], der ansonsten keinen Zugang zur Figur hat. [b]3.)[/b] Der Musikscore[b]:[/b] Während in der 1. Hälfte des Films die Musik nur eine untergeordnete Rolle spielt, wandelt sich das Bild in der 2. Hälfte. Analog zur Kameraarbeit orientiert sich auch die musikalische Untermalung stark am Innen- und Gefühlsleben des Skippers und es entwickelt sich zusammen mit der grossartigen Mimik des Schauspielers sowie der Kameraführung eine geradezu sakrale Stimmung, die bleiern [b]-[/b] aber eben auch wunderschön [b]-[/b] den dramaturgischen Höhepunkt ansteuert. [u]Fazit[/u] Ist das Kunst oder kann das weg ? Der Film kann zwar mit seinen 3 Stärken qualitativ punkten, aber es sei nicht verhehlt, daß trotz des Sujets nur wenig Spannung aufkommt, und der Stoff eigentlich ideal für einen Kurzfilm wäre. Denn der Reduktionismus führt nicht unbedingt zu einem Konzentrat der Ereignisse, gerade die 1. Hälfte des Werkes lädt desöfteren zu einem 10-minütigen Spaziergang ein, und man könnte der Handlung bei Rückkehr trotzdem weiter folgen. Bei diesem Film wird der geduldige Zuschauer belohnt. Denn in der 2. Hälfte wandelt sich das Bild, die Identifikation des Zuschauers mit der Figur steigt von dem Zeitpunkt an, als [i]Redford[/i] [b]-[/b] losgelöst von jedem Vorleben seiner Figur [b]-[/b] nur noch die nackte menschliche Existenz angesichts eines nahenden Endes auf die Leinwand projizieren muss. Und wie [i]Redford[/i] diesen Wandel mit seiner Mimik einfängt, bleibt nachhaltig im Gedächtnis kleben. Die berühmte Goldstatuette wird aber vermutlich [i]Alexander Ebert[/i] vorbehalten sein, dessen musikalischem Genie es zu verdanken ist, daß die letzte halbe Stunde eine beeindruckende Emotionalität entfaltet, die zwar unverhohlen religiöser Natur, aber in dem Kontext alles andere als fehlbesetzt ist, und wo nicht der Tod, sondern das Leben abgefeiert wird, wenn sich das weisse Licht nähert. "Amen".
All Is Lost Bewertung