Bewertung: 4.5 / 5
New York, 1955: Als der etwas heruntergekommene Privatdetektiv Harry Angel von dem geheimnisvollen Mr Cyphre engagiert wird, um den vor zwölf Jahren verschwundenen Musiker Johnny Favourite zu finden, weil Favourite und Cyphre noch eine Rechnung zu begleichen haben, ist Angel erst mal verwundert. Denn eigentlich nimmt Angel keine Fälle dieser Größenordnung an, er gibt sich lieber mit unauffälligen Versicherungssachen zufrieden. Aber die Bezahlung ist gut und erste Anhaltspunkte sind schnell gefunden. Als Angel sich den Arzt vorknöpft, der Favourite vor zwölf Jahren aus der Nervenheilanstalt entlassen hat, führt in dieser auf die Spur einer reichen Familie aus Louisiana, deren Tochter dem Okkultismus zugetan ist und mit Favourite in einer Beziehung war. Irgendwer scheint aber ein Interesse daran zu haben, dass Harry seinen Auftrag nicht erfüllen kann und so sterben bald die ersten Zeugen. Auch hat Louis Cyphre anscheinend etwas kompliziertere Motive als eine simple unbezahlte Rechnung...
Der Teufel und die Musik sind, spätestens seitdem Blueslegende Robert Johnson der Legende nach dem Belzebub an einer Wegkreuzung seine Seele für den musikalischen Erfolg verkauft hat, untrennbar miteinander verbunden. „Angel Heart“ bastelt aus diesem Zusammenhang eine Geschichte in schmutzigen New Yorker Hinterhöfen und den ländlichen Voodoogemeinden Louisianas, in der die Grenzen zwischen Realität und Wahn langsam verschmelzen. Hochkarätig mit Robert De Niro und Mickey Rourke besetzt, inszenierte Regisseur Alan Parker einen schmutzigen, brutalen Film, der vor Sex und Gewalt nur zu platzen droht.
Zugegeben, der Twist am Ende des Filmes ist nicht besonders schwer zu erraten, gerade weil die Charakternamen (Louis Cyphre? Gut, „Mephistopheles“ wäre in Brooklyn auch ein bisschen viel...) einem die Themen schon vom ersten Akt an entgegen schreien. Das macht jedoch nicht besonders viel aus, denn darum geht es eigentlich gar nicht. Parkers Film lebt weniger von seinen Wendungen und vielmehr von seiner Film noirigen Atmosphäre, die Parkers Stammkameramann Michael Seresin mit seinen sorgsam eingefangenen Bildern von der ersten Einstellung an erzeugt. Auffällig oft richtet sich die Bildkomposition auf einen Fluchtpunkt auf der rechten Seite der Einstellung, was nicht nur ästhetisch äußerst ansprechend ist, sondern dem Film tatsächlich noch eine nette subtextuelle Ebene verschafft. Denn der geflüchtete Johnny Favorite war Okkultist, also auf dem „Pfad zu linken Hand“ unterwegs. Der Fluchtpunkt unterstreicht sein Verlangen, mit diesem Teil seines Lebens abzuschließen, seinem Handel mit dem Teufel zu entkommen. Aber auf der rechten Seite des Bildes sitzt am Ende auch Louis Cyphre, der Harry Angel vor sich hergetrieben hat und ihn mit einer letzten Enthüllung konfrontiert, die Angels Seele ihrer rechtmäßigen Verdammnis zuführt. Die Moral der Geschichte wird hier visuell klargemacht: vor dem Teufel gibt es kein Entkommen, wer sich mit jenseitigen Mächten einlässt, muss bezahlen. Hier hört die visuelle Erzählweise Parkers jedoch nicht auf, vielmehr finden sich immer wieder kleine Hinweise auf Harrys Schicksal. Andauernd finden sich Gittermotive, während einer Auseinandersetzung fällt eine Engelsfigur und zerbricht in zwei Teile. Dies alles kulminiert in Angels finaler Abfahrt im Aufzug, die den Abspann des Filmes durchzieht und die bedeutungsschwangerer nicht sein könnte.
Harry Angel ist dabei der typische Film Noir-Protagonist, ein von seiner Vergangenheit verfolgter Privatdetektiv, der Frauen und Alkohol nicht abgeneigt ist und der es mit der Moral nicht ganz so genau nimmt. Rourke spielt Angel mit einer lakonischen Lässigkeit, die im letzten Akt von einer panischen Verzweiflung abgelöst wird. Dass bei Angel nicht alles mit rechten Dingen zugeht, zeigt der Film recht subtil schon relativ früh in einer wunderbar gespielten Szene, in der Rourke eine Krankenschwester bezirzt, um von ihr Einblick in Favorites Krankenakte zu kriegen. Der Clou an der Sache: Angel tut dies unter falschen Namen, den er aus einer Mappe mit unterschiedlichen gefälschten Ausweisen auswählt. Sofort wird offensichtlich, dass Angel kein Problem damit hat, seine Identität zu wechseln, um auf diese Weise zu seinem Ziel zu gelangen. Angel wird im Kleinen bereits als Identitätsdieb geoutet, bevor Cyphre ihm am Ende aufdeckt, dass er die letzten zwölf Jahre eine Lüge gelebt hat.
De Niro wiederum spielt den Cyphre mit einer Art gelangweilten Belustigung, er weiß von Anfang an, wie die Geschichte laufen wird und macht auch keinen Hehl daraus. Wie üblich dominiert De Niro dabei jede Szene, in der er sich befindet. Seine Zurückhaltung wird durch sein sonderbares Auftreten auf großartige Weise kontrastiert, er ist stets in einen schwarzen Anzug gekleidet, hat langes, hochgestecktes Haar und lange, zu Krallen gefeilte Fingernägel. Gerade die Szene, in der Cyphre genüsslich ein Ei verspeist („In manchen Religionen ein Symbol für die Seele, Mr Angel.“) wird durch sein Auftreten zur puren Freude, der Film verrät an dieser Stelle seinen verschmitzten Sinn für Humor.
Wäre der Twist von „Angel Heart“ nicht extremst vorhersehbar, wären nicht alle Charakternamen in diesem Ausmaß „thematisch wichtig“ (ein Charakter heißt gar „Epiphany“ - Erleuchtung, Offenbarung), wäre der Film ein absoluter Klassiker. So ist er „nur“ ein sehr guter Film, der mit seiner verschwitzt-düsteren Atmosphäre und seiner cleveren Inszenierung punkten kann.