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Bis zum Horizont, dann links

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Wenn Rentner in die Luft gehen

Bis zum Horizont, dann links Kritik

Bis zum Horizont, dann links Kritik
0 Kommentare - 04.07.2012 von FBW
Hierbei handelt es sich um eine Kritik der Deutschen Film- und Medienbewertung (FBW).

Bewertung: 4.5 / 5

Das Alter lässt sich nicht aufhalten - weder für den Einzelnen noch in der Gesellschaft. Lag der Anteil der über 65-Jährigen im Jahr 2000 noch vier Prozentpunkte unter dem der Unter-20-Jährigen, kehrte sich der Trend innerhalb von zehn Jahren um. 2040, so prophezeit das Statistische Bundesamt, werde der Anteil der Alten doppelt so hoch sein wie der der Jungen. Es wird die große Aufgabe der jetzigen Generation sein, dafür zu sorgen, dass die wachsende Rentnerschar einen angemessenen Platz in der zukünftigen Gesellschaft findet. Denn dass sich moderne Senioren nicht mehr einfach in Altersheimen abstellen lassen wollen, verdeutlicht Bernd Böhlich, Baujahr 1957, in seiner rührenden Komödie Bis zum Horizont, dann links mit Nachdruck und Finesse.

"Schau mal Lisa, mit so einem Auto holt ihr mich wieder ab", erklärt Frau Simon (Angelica Domröse) ihrer Enkelin, als sie einen Leichenwagen aus der Einfahrt des Altenheims biegen sieht. Nein, mit ihrer neuen Wohnsituation ist die adrette Dame überhaupt nicht zufrieden. Da kann der erwachsene Sohnemann (Stephan Grossmann) noch so darauf beharren, dass die Ausquartierung der Eltern in der öffentlichen Debatte überdramatisiert werde.

Doch so sehr sich die Pflegerinnen im Seniorenheim "Abendstern" auch um Unterhaltung für die Bewohner bemühen: Man muss nicht lange Mäuschen spielen, um Mitleid mit ihnen zu bekommen. Mit den alten Damen, die nur glücklich sind, wenn sie in der Vergangenheit schwelgen, und mit den alten Herren, deren größte Freude darin besteht, während der Gymnastikstunde einen Blick in Schwester Amelies (Anna Maria Mühe) Ausschnitt werfen zu können. Kein Wunder, dass sich der grummelige Langzeitinsasse Herr Tiedgen (Otto Sander) wortwörtlich die Kugel geben will - bis ihm im letzten Moment ein besserer Verwendungszweck für die stibitzte Waffe einfällt: Am nächsten Morgen zückt er sie kurzerhand in dem Flugzeug, in dem die Heimbewohner eigentlich einen Rundflug über Brandenburg genießen sollten ...

"Flugzeugentführung ist kein Spaß", lässt Böhlich den geschockten Piloten (Tilo Prückner) sagen - und Tiedgen mit "Altersheim auch nicht!" antworten. Die pointierten Sprüche fliegen in seinem Drehbuch so zuverlässig wie die alte Tante Ju, in der sich der Hauptteil der liebevoll inszenierten Handlung abspielt. Die Polizeiruf-Koryphäe Böhlich weiß genau, was sie tut - und sie tut es mit leichter Hand.

Das Herzstück des großartig besetzten Films bildet jedoch eine kurze, bittere Rede, die Tiedgen hält, um seine zunächst durchaus widerspenstigen "Geiseln" vom Konzept Entführung zu überzeugen. Harte Worte fallen - und zwar nicht nur darüber, wie die Gesellschaft ihre älteren Mitmenschen behandelt. Vielmehr prangert Böhlisch in diesen bewegenden Minuten an, wie erwachsene Kinder mit ihren Eltern umspringen: Wie sie sie abschreiben, sie zur Last deklarieren, von sich weg schieben. Es liegt Wahrheit in dieser Anklage. Wie viel, muss jeder mit sich selbst ausmachen.

Nicht wenige Zuschauer werden das Kino mit der Frage im Hinterkopf verlassen, wie sie selbst handeln wollen, wenn ihre Eltern einmal in ein Alter kommen, in dem sie Hilfe benötigen. Und die Frage wird dort eine ganze Weile bleiben: Weil man sich gern daran erinnert, wie geschickt, wie rührend, wie amüsant sie Böhlisch einem einflüsterte. Was "Bis zum Horizont, dann links!" wohl zum nachhaltigsten Beitrag macht, der in letzter Zeit zur Diskussion um die Überalterungsproblematik geleistet wurde.

Bis zum Horizont, dann links bekommt 4,5 von 5 Hüten.


(Quelle: teleschau - der mediendienst | Annekatrin Liebisch)

Bis zum Horizont, dann links Bewertung
Bewertung des Films
910

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