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Brendan und das Geheimnis von Kells

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Das Geheimnis von Kells ist die Kunst selbst

Brendan und das Geheimnis von Kells Kritik

Brendan und das Geheimnis von Kells Kritik
1 Kommentar - 20.02.2023 von Entenverlag
In dieser Userkritik verrät euch Entenverlag, wie gut "Brendan und das Geheimnis von Kells" ist.

Bewertung: 5 / 5

Zwei Fußspuren im Sand - links von einem jungen Erwachsenen, rechts von einem alten Mann. Sie stehen am Strand, der Mann überreicht ein Buch. Dann: Eine Welle. Sie spült die rechte Spur hinfort. Zeitgleich beginnt ein Voiceover, das implizit den letzten Willen des Alten formuliert:
"Es war dem Buch nie bestimmt, hinter Mauern verborgen zu sein. Weggeschlossen von der Welt, der es seine Entstehung verdankt. Brendan, du musst das Buch zu den Menschen bringen. Es wird ihnen Hoffnung geben."
Eine tatsächliche Todesszene gibt es hingegen nicht. Keine Abschiedsworte, keine Verbalisierung. Denn es ist die beschriebene audiovisuelle Poetik, über die "Das Geheimnis von Kells" seine Geschichte erzählt.

So spoilert sich der Film schon in der ersten Szene selbst, wenn er sich abstrakt in die Ereignisse der Welt einordnet. Ein mystischer Blick auf das Geschehene und das Kommende, durch die Augen eines Fabelwesens, präsentiert in einem kindlichen Look. Es ist ein irisches Märchen, doch eines für Erwachsene. Eines, das in seinem Subtext voller Ernsthaftigkeit steckt.
Wieder und wieder wägt das Werk verschiedene Perspektiven ab, stellt jugendliche Neugier erwachsener Regelversessenheit gegenüber. Der Konflikt der Figuren gerät zum Konflikt zwischen Fortschritt und Konservatismus, zwischen Freiheit und Autorität. Aber eben auch zur Verantwortung vor den Ereignissen der Zeit:
Es ist das Beharren auf einmal festgelegten Regeln und Handlungsweisen, das einen Großteil der Bewohner*innen von Kells dem Untergang weiht. Hingegen ist es das Brechen von Verordnungen, das den größten Schatz der Stadt rettet, ja ihn sogar erst entstehen lässt. Und dennoch sind es Liebe, Vergebung und das Eingestehen von Fehlern, welche den Figuren schlussendlich emotionale Katharsis gewähren.

Dazu braucht "Das Geheimnis von Kells" irgendwann nicht einmal mehr Dialoge - ist alles ausgesprochen, sprechen Musik und Bilder. Dann spricht die Träne im Auge eines Charakters, die Spiegelung in seiner Iris; sie transportieren die Empfindungen der Person in das Visuelle. Verzweifelt eine Figur im Angesicht ihres Scheiterns, sieht sie, in einer einzelnen, schockhaften Einstellung, den Tod in ihrem engsten Verwandten. Und fürchtet ein Charakter die Natur, spiegelt ihn ein anderer, den die Stadt ängstigt: Brendan ist neugierig und naiv, Aisling misstrauisch und vorsichtig. Er hat blaue Augen, sie grüne - entsprechend hat die Katze, welche die Brücke zwischen beiden schlägt, jeweils ein blaues und ein grünes Auge.
Die Nordmänner hingegen, als größte Bedrohung des Filmes, gleichen in ihrer Darstellung Dämonen. Sie haben wenig Menschliches an sich, haben kein Verständnis für Kultur und Bildung. Über sie formuliert das Werk seine Auseinandersetzung mit Kunst: All die Zerstörung, all der Tod, und doch ist es das kunstvoll gestaltete Wissen, das überdauert. Dem Progressivität innewohnt. An welchem die Wikinger nicht einmal Interesse zeigen - blättert Brendan durch das Buch, wird die Schrift über Animationen lebendig, tut es der Nordmann, bleibt das Bild leer. Er reißt nur den goldenen Einband ab, lässt die Seiten liegen - passend zu der Szene, in der die Wikinger von Wissenschaft und Chemie geblendet werden. Selbst ihr heidnischer Gott, dessen angsteinflößender Mythos am Anfang noch Schrifttafeln zu zerstören vermag, wird später metaphorisch mithilfe der Kunst besiegt. Kunst, die in der finalen Szene des Filmes regelrecht lebendig, dreidimensional wird, der er wieder und wieder bewundernde Bedeutung beimisst, die er als seinen zentralen Gegenstand begreift. Nicht zuletzt, indem sich das Werk selbst in ihre Illustration überführt, um in ihr aufzugehen, mit ihr die Zeit zu überdauern.

Entsprechend erinnert der Animationsstil des Filmes an zeitgenössische Malerei. Als liefen die Figuren durch ein antikes Buch - aufwendig koloriert, klar arrangiert, zweidimensional. Nur in Bedrohungssituationen erhält das Bild visuelle Tiefe. 3D als aggressiver Fremdkörper, der Gefahr zusätzliche Disharmonie gibt. Nicht umsonst leitet die dreidimensionalste Szene des Werkes den Untergang der titelgebenden Stadt ein, fluten die Trümmer ihres Tores regelrecht das Bild.
Unterstrichen von einem Soundtrack, der irische Volksmusik aufgreift. Er verortet "Das Geheimnis von Kells" im Kontext der dargestellten Epoche und kommentiert das Gezeigte: Kirchliche Chöre im Augenblick angsterfüllter Vorahnung, weinende Violinen im Moment melancholischer Verzweiflung. Wenn die Bewegungen von Figuren mit der Tonhöhe des gesungenen Liedes harmonieren, schlägt sich die unterschwellige Poetik des Filmes sogar in seiner Musik nieder.

Und so ist es nicht zu viel gesagt, wenn man "Das Geheimnis von Kells" ein Meisterwerk nennt. Schließlich braucht er für all seinen Subtext, all seine Komplexität, für all die Emotionalität und Menschlichkeit, gerade einmal fünfundsiebzig Minuten.

10 von 10 Enten.

Brendan und das Geheimnis von Kells Bewertung
Bewertung des Films
1010

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MJ-Pat
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Dabei seit: 16.11.11 | Posts: 17.395 | Reviews: 180 | Hüte: 635

@Entenverlag

Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich bisher noch gar nichts vom Tomm Moore gesehen habe. Seine Filme stehen eigentlich weit oben auf meiner Animationsfilmliste, aber bisher fehlen mir noch die Gelegenheit und die richtige Stimmung dafür.

"Dit is einfach kleinlich, weeste? Kleinjeld macht kleinlich, Alter. Dieset Rechnen und Feilschen und Anjebote lesen, Flaschenpfand, weeste? Dit schlägt dir einfach auf de Seele."

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