Bewertung: 3.5 / 5
Der ruhige und zurückhaltende Schüler Ian Curtis (Sam Riley) heiratet in Jungen Jahren seine Freundin Debbie (Samantha Morton). Ian träumt davon Musiker zu werden und wird durch Zufall der Sänger der Band Joy Division. In der Zeit des Post-Punks avanciert die Gruppe schnell zu einem lokalen Phänomen, wodurch auch der berühmte Labelboss Tony Wilson (Craig Parkinson) auf die Gruppe aufmerksam wird. Unterdessen versucht Curtis sein Privatleben und die Band unter einen Hut zu bringen und geht neben seiner Frau, mit der er eine Tochter hat, auch eine Beziehung mit der belgischen Fotografin Annik Honoré (Alexandra Maria Lara) ein. Doch der eigentliche Schlag kommt für Curtis erst nachdem er an Epilepsie erkrankt und immer wieder schwere Anfälle hat.
Musikerbiographien sind sicherlich eine Geschmacksfrage. Diese Erkenntnis ist vermutlich nicht besonders geistreich, bedenke man die Tatsache, daß so ziemlich jeder Film eine Geschmacksfrage bleibt. Allerdings haben diese Filme das enorme Glück, oder auch das enorme Pech, die Künstler, die sie porträtieren eben auch mit ihren Werken in Einklang zu bringen. Musik, beziehungsweise Lieder verschiedenster Genres haben demnach einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf den Konsumenten und tragen damit durchaus auch zu einer erweiterten Emotionalisierung bei. Nun ist Punk als Solches vielleicht eine sehr simple, dennoch neben vielleicht Blues oder Jazz, die Musikrichtung, die noch am ehesten echte, linke Revoluzzer hervorgebracht hat. Plakativ kann es dann werden, wenn man die Figur in ihrer eigenen Sozialisation in ein anderes, vielleicht auch zu pathetisch-nobles Licht rückt. Daran scheitern viele dieser Filme letztlich auch, weil sie den Spagat aus Huldigung und kritischer Analyse eben nicht meistern.
Doch genau das macht Control an dieser Stelle anders. Der Biopic, der sich vor allem eben auf den Frontmann der Band Joy Division fokussiert, liefert eine zutiefst interessante Charakterstudie über diesen Mann, bei dem nie so ganz klar ist, was er eigentlich vom Leben erwartet. Nun mag man das auch als gängiges Klischee abtun, und viele konservativere Köpfe, werfen links angehauchten Menschen ja durchaus Träumerei und Utopismus vor, während sie in ihrer eigenen Revolution selbst nie viel bewegen würden. So ganz entkräften lässt sich das Argument auch nicht, schließlich ist gerade die Kunst gesellschaftlich nicht wichtig. Zumindest wenn man rein vom Nutzen für die Gesellschaft spricht und aus dem kapitalistischen Trott kommt man ja augenscheinlich auch nicht raus. Doch der Film zeichnet Curtis als unglaublich vielschichtige Figur, die einerseits vom großen Erfolg in der Musik träumt. Anderseits eine Familie hat und vielleicht das Träumen wieder aufgeben sollte. Dann wiederum von einer anderen Frau fasziniert ist, die ihn nicht an die festgefahrenen Erwartungen seiner Rolle knüpft und dabei vielleicht auch ihre Schattenseiten auslebt. Zudem ist sie von einer Krankheit geplagt, die unter bestimmten Umständen auch nicht so einfach zu bewerkstelligen ist. Epilepsie ist eine eher ungewöhnliche Krankheit, die sich auch als Filmstoff eher selten wiederfindet. Natürlich es hier wohl dem Umstand der Unwissenheit, oder womöglich auch der Verfilmbarkeit ein ausschlaggebender Faktor, schließlich sind diese Anfälle ausgedrückt durch unkontrolliertes Zucken, eher weniger ästhetisch, oder gar leicht zu spielen. Doch auch hier gelingt es dem Film das Glaubhaft in Szene zu setzten, während er zudem das Krankheitsbild nicht – wie so häufig im Falle von Epilepsie – mit anderen Krankheiten vermischt. Gleichsam übernimmt nicht die Krankheit die Person, sondern die Person Ian Curtis bleibt ein Mensch aus Fleisch und Blut.
Es wäre sicherlich sehr einfach gewesen einen versteckten Rise and Fall-Film aus Control zu machen. Wie es ja viele dieser Filme machten. Dann wären Drogen ein Thema geworden, vielleicht noch die ein oder andere sexuell übertragbare Krankheit, viele Exzesse, ein Absturz und ein Abspielen des Best-Off der Musiker hinter dem Film. Doch das tut dieser Film nicht. Dieser Film versteht sich als ernsthaftes Charakterdrama, das zudem noch eine sehr intime Liebesgeschichte in den Fokus rückt.
Zwar ist die Geschichte dennoch mit vielen stereotypen Handlungsmustern bestückt, sodass die Geschichte in weiten Teilen wie das Abklappern eines Spießroutenlaufes wirkt und auch die so impertinente Schwarzweißoptik hat mal so gar keine Funktion, außer den Film noch etwas mehr nach Arthaus aussehen zu lassen. Man sollte sich vielleicht an der Stelle eben ein Beispiel an Werken wie Der Leuchtturm (2019) nehmen, die aus der Schwarzweißoptik eine Tugend machen und sie clever in den Film integrieren. Doch das tut Control nicht, also gibt es auch keinen ersichtlichen Grund den Film so vorzuführen. Denn imposanter, oder glaubwürdiger, geschweige denn schöner, ist er damit nicht. Er ist halt einfach in Schwarzweiß.
Dennoch ist diese Liebesgeschichte os greifbar und wunderschön in Szene gesetzt. Rileys Chemie mit Lara spürt man durch den gesamten Film, wenn sie auch nur durch ihre Mimik sprechen. Dabei sagen sie viel mehr, als Worte jemals zu Stande bringen könnten. Gerade Lara darf hier für einige andere Auftritte in den letzten Jahren als entschuldigt verstehen sehen. Denn während sie in Filmen wie Der Fall Collini (2019) einfach nur durch das Bild läuft und unglaubwürdig, gestelzt ihre Zeilen aufsagt, so spürt man hier wahre Chemie. Nun hat es bei den Beiden natürlich auch hinter der Kamera geknistert, was man eigentlich sehr gut erkennen kann. Dieser Umstand hebt das zweite große Thema des Filmes konsequent hervor. Denn der Film versteht sich eben nicht nur als Biographie, sondern auch als Liebesgeschichte. Diese wird im Film so unaufgeregt und Intim erzählt, wie es nur selten der Fall ist. Allgemein trägt die Figur Ian Curtis so viel Teife in sich, die durch starke, sinnsuchende Dialoge in Poesie verloren geht. Gerade im Zusammenspiel mit Lara wirkt es so nahbar, gleichsam dezent und eloquent in der Ausführung ihrer Gefühle.
Es mag dem Umstand der Liebe für diese Musik geschuldet sein, daß Control so gut für einige funktioniert. Gleichsam ist der Film aber ein gelungen Charakterdrama, daß vielleicht gut darin tut, seinen Fokus nur auf den Frontmann der Band zu legen. Dabei bekommt der Zuschauer eine zutiefst menschliche Charakterstudie mit Ambivalnzen geliefert, die sich grandios in das unaufgeregte und unprotzige Werk verwandelt, welches der Film ist.