Bewertung: 3.5 / 5
Eine junge Belgierin mit italienischen Wurzeln erbt ein Haus auf Korsika, von dem bisher keiner aus der Familie etwas wusste. Anstatt die Bruchbude gleich zu veräußern, will sie hinfahren und sich das Erbe genauer ansehen. Die geliebte Großmutter könnte sich ja etwas dabei gedacht haben, es ausgerechnet ihr zu vermachen. Startschuss für ein Aussteiger-Drama, das sich mit dem Mut, etwas Entscheidendes im Leben zu verändern, beschäftigt. Das raue und wild-romantische Korsika im Winter bietet dafür eine schöne Kulisse.
Renovierungsbedürftig ist in Das Haus auf Korsika, dem Debütfilm von Pierre Duculot, nicht nur Christinas (Christelle Cornil) geerbtes Haus. Auch das Leben der 30-Jährigen in dem heruntergekommenen Charleroi hat jeden Glanz und jede Perspektive verloren. Nach ihrem kulturwissenschaftlichen Studium fand die junge Frau keinen Job und hilft nun in der Familienpizzeria ihres langjährigen festen Freundes Marco (Jean-Jacques Rausin) aus. Die Erbschaft reißt sie aus diesem Trott, sie bricht in einer Nacht-und-Nebel-Aktion trotzig allein nach Korsika auf. Christina muss schlucken, als sie das fast zerfallene Steinhaus sieht, doch sie bleibt und lässt sich auf das Dorf und die Geschichten ein, die auch immer mehr zu ihrer Familiengeschichte werden.
Der Gegensatz von belgischer Bergarbeiterstadt-Tristesse zur wild-romantischen Natur der Mittelmeerinsel könnte nicht größer sein. Wer je nur ein bisschen Aussteigersehnsucht in sich gespürt hat, ist auch als Zuschauer mit Begeisterung dabei. Im Original trägt der Film übrigens den Titel Au cul du loup, was sich mit "Am Arsch der Welt" übersetzen lässt. Das schien dem deutschen Verleih wohl unpassend, ein harmloserer, fernsehfilmtauglicher musste her. Zum neuen Titel passt allerdings auch wieder die Figur des überaus attraktiven korsischen Ziegenhirten Pascal (François Vincentelli), der in dem winzigen Dorf in einer der abgeschiedensten Ecken der Insel ein Zurück-zur-Natur-Leben führt.
Eine sich anbahnende Liebesgeschichte zwischen Christina und dem Ziegenhirten hält Pierre Duculot zum Glück dramaturguisch geschickt in der Schwebe. Schließlich geht es in Das Haus auf Korsika auch um weibliche Selbstbestimmung. Und Christina hat sich gerade davon befreit, dass Männer, sei es ihr Vater, der Freund oder der Schwiegervater in spe, sagen, was sie zu tun hat. Vielleicht war das auch eine Intention der Großmutter, die auf Korsika ebenfalls schon ihren ganz eigenen Weg gegangen ist. Ein bemerkenswerter Debütfilm mit einer ungewöhnlich charaktervollen Hauptdarstellerin, der aber nicht ganz umhinkommt, das Aussteigertum zu verklären.
Das Haus auf Korsika bekommt 3,5 von 5 Hüten.
(Quelle: teleschau - der mediendienst | Diemuth Schmidt)