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Der fremde Sohn

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Der fremde Sohn Kritik

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Der fremde Sohn Kritik
0 Kommentare - 23.02.2023 von ProfessorX
In dieser Userkritik verrät euch ProfessorX, wie gut "Der fremde Sohn" ist.

Bewertung: 3.5 / 5

ines Tages verschwindet der Sohn von Christine Collins (Angelina Jolie) spurlos. Zehn Monate später bekommt sie eine hoffnungsvolle Nachricht, nach derer die Polizei ihren Sohn gefunden haben will. Als sie einander gegenübergestellt werden, stellt sich jedoch heraus, dass es nicht ihr Kind ist. Da die Polizei bedingt durch Korruptionsfälle in einem schlechten Licht steht, versucht sie mit dem Fall ihren Ruf zu verbessern. In der Zwischenzeit rät ihr der Ermittler J.J. Jones (Jeffrey Donavan), dieses Kind zumindest eine Zeitlang als ihr eigenes auszugeben. Mit aller Kraft versucht Collins jedoch die Wiederaufnahme des Falls zu erreichen.

Die Geschichte um die junge Christine Collins ist eine sehr interessante. Nicht häufig kommt es vor, daß das Kino mit wahren Begebenheiten konfrontiert ist, die auch wirklich noch eine Wirkung auf das moderne Publikum haben. Allzu leicht macht man es sich, wenn man das Kino nach einem schweren Thema beurteilt, daß zwar durchaus wichtig sein kann, aber viel zu offenkundig, als daß es dem Diskurs noch etwas Neues hinzuzufügen hätte. So ein Filmemacher ist Clint Eastwood eher nicht. Wenngleich sich auch viele Themen durch seine Filmografie ziehen, die man immer und immer wieder erkennt. Eastwood berichtet immer vom einfachen Volk. Von Menschen, die vom Staat zurückgelassen oder gar betrogen werden. So ist es Million Dollar Baby (2004), so ist es in Sully (2016) und so ist eben auch in Der fremde Sohn. Man darf durchaus die Frage stellen, inwieweit, das konstruktiv ist, den Staat als gescheitert zu betrachten und seine Funktionäre als korrupt. Nun ist diese These allein sicherlich nicht komplett unwahr, doch es ist eine gefährliche Polemik, die da vorherrscht. Denn zum einen, geht dies mit einer besserwisserischen und erhabenen Attitüde einher, die auch keinerlei Lösungsvorschläge bietet und zum anderen neigt man sich mit einer solchen auch sehr schnell bei den falschen Leuten beliebt zu machen. Irgendwie steckt etwas in Eastwoods Werken. Doch es scheint immer so, als sei er für die revolutionäre These, einfach ideologisch zu verbohrt und daher sind seine Werke auch gar nicht mit den ganz großen wie Scorsese, Wilder, Hitchcock, Fassbinder oder Polanski zu vergleichen.

In Der fremde Sohn werden dennoch aber sehr interessante Fragen in den Raum geworfen, die einen erschreckenden Aktualitätsgehalt zu sich haben. Allein die Prämisse ist dermaßen absurd, daß man sie eigentlich erzählen musste. Eine Frau, die ihr Kind vermisst. Eine Polizei, die ihr ein wildfremdes Kind mitbringt und es für ihren Sohn ausgibt. Wenn sie es nicht erkennt, dann sind es die Hormone, sie sei „emotional“ und ihre „extreme Gefühlslage“ würde ihren „Blick trüben". Bei solchen Sätzen läuft es einem immer wieder kalt den Rücken hinunter. Nun ist es dabei aber nicht so, als wäre es ein ungewolltes Staatsversagen, daß durch die schiere systemische Überforderung zustande gekommen wäre. So ist es ja im Kapitalismus gerne mal der Fall. Wer sich einmal mit deutschen Behörden auseinandergesetzt hat, der wird das unterschreiben können. Sofern denn ein Zettel vorhanden. Das Staatsversagen ist hier eigentlich anders und es ist kaum begreiflich, wie so etwas passieren kann. Dann wird diese Frau angehalten, doch bitte ihren Mund zu halten und die Polizei nicht immer auf ihre Fehler hinzuweisen. Und je mehr sie das macht, desto mehr begibt sie sich in Gefahr. Es führt letztlich dazu, daß Chrstine Collins ohne auch nur einen Grund dafür zu nennen, von der Polizei mundtot gemacht wird, indem man sie in eine Nervenheilanstalt verfrachtet. Wer das zu Beginn erwartet hatte, der kannte die Geschichte wohl. Vielleicht wird durch die gesamte Prämisse und Handlung zunächst aber nicht klar, warum denn eine solche Geschichte zu erzählen ist. Und doch hat man das Gefühl, als wolle Eastwood da noch auf mehr hinaus. So versteht sich das Verfrachten der Frau in eine Nervenheilanstalt eigentlich ganz klar als Kampf Schachzug im Kampf der Geschlechter. Die Frau soll nicht nur wegen ihrer kritischen Äußerungen mundtot gemacht werden, sondern auch weil sie überhaupt spricht. Eastwood legt das patriarchale System offen, daß zwischen Korruption und Inkompetenz wandert.

Gerade der Blick auf die Nerveneilanstalt ist indes ein hochinteressanter. So werden in Hollywoodfilmen ja durchaus gerne mal Menschen gezeigt, die in ein solches Etablissement gebracht werden und dort leben. Ein sehr populäres Beispiel dafür ist natürlich Miloš Formans Klassiker Einer flog über das Kuckucksnest (1975). Doch während der Ansatz da eher Charakter fokussiert ist und komödiantisch aufgeheitert wird, zeigt dieser Film dies aus einer anderen Perspektive und macht dazu noch eine interessante These auf. So werden die Patienten hier stark unter Drogen und/oder Beruhigungsmittel gesetzt, die sie gefügig und vor allem still machen sollen. Nun wirken aber nicht unbedingt alle Menschen dort so, als seien sie psychisch krank, was ja auch durch die Einbindung der Hauptfigur überhaupt bestätigt wird. Nun werden Pfleger und Ärzte hier als äußerst brutale Schänder beschrieben, die die Klientinnen drangsalieren. Gleichsam gibt es dort aber auch Menschen, die sich dem entsprechenden Stigma benehmen, was auch auf Christine Collins abfärbt. Das heißt also, daß Menschen, die eigentlich psychisch gesund sind – sofern man den glaubt, es gebe so etwas – durch das Ambiente und die Zustände, die dort vorherrschen, krankgemacht werden sollen. Nun ist das hier natürlich auch ein Ort, der die Figur mundtot machen soll. Gleichsam ist die Frage durchaus spannend, ob es richtig ist, Menschen, die vermeintlich alle krank sind, an einem Ort zu halten. Es wäre ja durchaus möglich, daß die Resozialisierung wesentlich besser gelingen kann, wenn man kranke Menschen, mit gesunden konfrontiert.

Durch dieses sehr aufreibende Leben der Frau und den stetigen Wechsel von Perspektiven streut die Inszenierung von Eastwood dazu noch einige interessante Merkmale hinein. So inszeniert Eastwood zwischen Drama, Melodram, Historie und wandert hin und wieder auch in den Horrorfilm, besser gesagt den Psychothriller ab. Da herrscht eine ordentliche Anspannung und Angst, wenn Jolies Figur ihr vermeintliches Kind vorgeführt bekommt. Gerade auch, wenn sie es mit nachhause nimmt und es nun umsorgen soll. Eastwood kitzelt hier den wahren Terror aus dem Film und schafft es, daß das Oberstübchen mindestens genauso verwirrt und irritiert ist, wie die Hauptfigur. Der Film fordert den Zuschauer immer wieder, weil er in den angesprochenen Themen immer tiefer in die Materie geht, sodass der Film eindeutig einen bleibenden und wirklich tristen Eindruck beim Zuschauer hinterlässt. Darüber hinaus beweist vor allem der Cast, wie atemberaubend er ist. Daß Jolie hier für so ziemlich jeden wichtigen Filmpreis nominiert war, ist absolut gerechtfertigt. Denn die Figur kämpft an der Schwelle zum Wahnsinn, sie weiß nicht, wie ihr geschieht und sie versucht die ganze Zeit eigentlich nur ihren Sohn wiederzubekommen. Dabei entsteht auch ein interessanter Wandel in der Figur, die durchaus mitdenkt und ab einem bestimmten Zeitpunkt um ihre Chancen weiß. Und auch diese Erkenntnis, dieses eigentlich nicht kämpfen wollen, porträtiert die Schauspielerin atemberaubend. Es geht ihr nicht um Politik, was es aber dennoch letztlich ist. Sie wird dabei zu einer Galionsfigur, die sie eigentlich nicht sein möchte.

Überdies muss man Eastwood für seine Aufmachung loben. Kleidung, Gerätschaften und auch die von der Kamera eingefangenen Bilder sind mit großem Aufwand entstanden. Doch dieser hat sich gelohnt und es ist teilweise spektakulär zu sehen, wie es gelungen ist. Da fühlt sich diese Geschichte gleich viel authentischer an. Ein nicht minder wichtiges Thema ist hier auch die Macht der Kirche. Während natürlich der sympathische Priester Gustav Briegleb den Einfluss auf das Volk nutzt, um Medien und Masse für den Fall Collins zu sensibilisieren, kann man die Kirche hier als reine Volksvertreter begreifen, die nur gutes tun wollen. Nun zeigt die Realität das aber häufig sehr anders und dennoch begreift der Film dies, als Zusammenschluss der Menschen, die sich gegen die Korruption zur Wehr setzen. Gerade Malkovich ist hier der absolute Sympathieträger und besticht durch eine wirklich ausdrucksstarke Leistung.

Die korrupte Welt zum Einsturz bringen, daß ist eines der Anliegen von Der fremde Sohn. Wenngleich man durchaus hier mit dem Feuer spielt, verbrennt sich das Skript nicht wirklich die Hände. Eine spannende Geschichte ist es noch dazu, die auch in ihrer Darstellung von Grundsätzen einige spannende Fragen aufwirft, die man heute noch genauso diskutieren würde. Die Macht der Kirche, ein korrupter Staat, der Umgang mit den Zivilbürgern und allen anderen Dingen, sind aktueller denn je. Gleichsam schafft es Eastwood eine sehr dichte Atmosphäre mit dem ein oder anderen Schwenker in ein anderes Genre zu erzeugen. Schauspielerisch ist das ebenso atemberaubend, weil Jolie hier in jeder Szene brilliert, während auch das restliche Ensemble überzeugen kann.

Der fremde Sohn Bewertung
Bewertung des Films
710

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