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Der Seidenfächer

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Konstruierter Flickenteppich

Der Seidenfächer Kritik

Der Seidenfächer Kritik
0 Kommentare - 23.06.2012 von FBW
Hierbei handelt es sich um eine Kritik der Deutschen Film- und Medienbewertung (FBW).

Bewertung: 2.5 / 5

In jeder Epoche und jeder Kultur werden Frauen mit Schönheitsidealen konfrontiert, die manchmal faszinierend, manchmal abschreckend sein können. Heutzutage ist die ideale Frau - zumindest in der westlichen Welt - gertenschlank, langbeinig und puppengesichtig. Früher schnürten sich Damen in ein Korsett ein oder ließen sich - wie im alten China - die Füße binden, um eine möglichst gute Partie zu machen. In seinem Drama Der Seidenfächer, der auf dem gleichnamigen Bestseller von Lisa See basiert, verbindet Regisseur Wayne Wang das Früher mit dem Heute. Allerdings steht in seinem langatmigen Film weniger der Schönheitskult als eine tiefe Frauenfreundschaft im Mittelpunkt, die bis in die Gegenwart nachwirkt.

Snow Flower (Jun Ji-hyun) und Lily (Li Bingbing) leben im 19. Jahrhundert in der chinesischen Provinz Hunan. Im Kindesalter werden ihnen am selben Tag die Füße gebunden, was sie zu Laotongs, Freundinnen fürs Leben, macht: Sie wachsen zusammen auf, lernen gemeinsam Nu Shu - die Geheimschrift der Frauen -, und warten darauf, dass sie in eine möglichst reiche Familie einheiraten können. Kontakt halten sie nach ihren Eheschließungen über Botschaften, die sie auf filigrane Seidenfächer schreiben und sich gegenseitig zukommen lassen.

In stimmungsvollen, detailreichen Bildern zeichnet Wang das Leben und die Sitten in China während der Qing-Dynastie nach. Allerdings will sich der Teil der Geschichte, der in der Gegenwart angesiedelt ist, nicht so recht in den Erzählfluss einfügen: Zu abrupt sind die Wechsel zwischen den Epochen. Zudem bieten sich zu wenig Anknüpfungspunkte, um die Nachkommen von Snow Flower und Lily, die Freundinnen Sophia und Nina, sinnvoll mit ihren Ahninnen in Verbindung zu bringen.

Im heutigen Shanghai machen die mondänen Großstädterinnen, die ebenfalls von Jun Ji-hyun und Li Bingbing verkörpert werden, eine schwere Krise durch. Li Bingbing gelingt es, Nina überzeugend und unabhängig von der Ahnin Lily darzustellen. Jun Ji-hyun hat mit Sophia deutlich weniger Aufwand: Sie liegt nach einem Unfall im Koma. Weshalb sich die Frauen zuvor einander entfremdeten, bleibt lange nur schwer nachvollziebar.

Erst langsam wird klar, dass sie seit Jahren nicht miteinander sprachen. In verwackelten Rückblenden, die eher verwirren als aufklären, wird ihre gemeinsame Geschichte aufgezeigt. So krampfhaft die Drehbuchautoren Angela Workman, Ron Bass und Michael K. Ray auch versuchen, Parallelen zwischen den jungen Frauen und ihren Urgroßmüttern zu konstruieren - es lässt sich nicht verbergen, dass die Romanvorlage diesen Teil der Story schlicht nicht enthält.

Regisseur Wayne Wang begründet diese überflüssige Erweiterung der Geschichte damit, dass auch moderne Frauen vor ähnlichen Problemen stehen wie Snow Flower und Lily. Daher habe er Identifikationsmöglichkeiten schaffen wollen. Derer gab es in der Originalvorlage wahrlich genug: Die Themen Freundschaft, Verpflichtungen und Zusammenhalt sind heute ebenso aktuell wie im Hunan des 19. Jahrhunderts.

Es bereitet deutlich mehr Vergnügen, in das historische China mit seiner fremden, aber fesselnden Lebenswelt einzutauchen, als Nina durch das sterile Shanghai zu folgen, während sie zwischen Glasfassaden die Scherben ihrer Freundschaft zu Sophia aufsammelt. Einziges Highlight dieses Kapitels ist der Gastauftritt von Hugh Jackman, der Sophias Ex-Freund spielt und als Nachtclubbesitzer seine Tanz- und Gesangskünste präsentiert. Unter dem Strich bleibt Der Seidenfächer daher ein erzählerischer Flickenteppich, der die Chance vergibt, seine durchaus interessanten Protagonistinnen greifbar zu machen - zugunsten einer nur vermeintlich gehaltvolleren Geschichte. Künstliches Aufhübschen hat eben nicht immer den gewünschten Effekt.

Der Seidenfächer bekommt 2,5 von 5 Hüten.


(Quelle: teleschau - der mediendienst | Christina Freko)

Der Seidenfächer Bewertung
Bewertung des Films
510

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