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Die Taschendiebin

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Wenn einer "sexuelle Ausbeutung" nicht versteht

Die Taschendiebin Kritik

Die Taschendiebin Kritik
2 Kommentare - 14.04.2021 von MobyDick
In dieser Userkritik verrät euch MobyDick, wie gut "Die Taschendiebin" ist.
Die Taschendiebin

Bewertung: 2 / 5

Das hier ist im Prinzip eine Art Ergänzung meiner Oldboy Filmkritik, welche das bisherige Gesamtwerk Chan-Wook Parks beleuchtete. Ich hatte schon dort geschrieben, dass ich Park für einen extrem guten Filmemacher halte, dessen Weltanschauung und Menschensicht mir irgendwie nicht so ganz behagt. So habe ich mir tatsächlich ein paar Jahre Zeit gelassen, seine Taschendiebin zu schauen, obwohl der Film größtenteil sehr wohlwollende Kritiken eingeheimst hat und direkt nach Oldboy als einer seiner besseren Werke gilt. Ob dem auch für mich so ist, gibt es jetzt...

Die Geschichte ist eigentlich recht altbacken: Das imperialistische Japan hat sich in Asien ausgebreitet, es gilt einen Collaborateur aufs Kreuz zu legen. Hierfür wird eine junge Dirn involviert, welche im Laufe der Zeit Gefühle für das vermeintliche Opfer zu hegen beginnt, und dann im Grunde sich entscheiden muss, auf wessen Seite sie eigentlich steht.

Trailer zu Die Taschendiebin

Diese Art der Geschichte gibt es zu Hauff, sowohl im europäischen Raum mit den Nazis und den Kollaborateuren der bestezten Länder als auch im asiatischen Raum. Immer ist eine gewisse Art der Erotik in den besseren Filmen dieser Gattung vertreten, und wenn diese Filme in den Händen von fähigen Leuten gedreht werden, haben wir trotz der ganzen sexuellen Konnotation und dem eventuellen Sleaze auch immer eine unglaublich feine Charakterstudie und die "Erkenntnis", dass die wahren Schweine auch bei den sogenannten Helden sich verstecken können. Zwei besonders eindrückliche und gute Beispiele für solche historischen Heist-Filme/-Krimis sind Verhoevens Black Book, der seine Protagonistin zwar im Stile eines B-Pulp-Movies auch immer wieder entblösst und erniedrigt, aber es immer dem Zwecke des Filmes dient und nie zu exibitionistisch und voyeuristisch wird. Der andere Film ist Gefahr und Begierde von Ang Lee, der sich direkt nach Tiger and Dragon anscheinend ausgerechnet für diesen Film entschied, und der auch extrem bitter wird mit der Zeit und seine Protagonistin ebenfalls allen möglichen Erniedrigungen aussetzt, aber nie voyeuristisch wird und im gegensatz zu Verhoeven sich stilistisch dazu entschliesst, im entscheidenden Moment, immer wegzublenden. Beide Werke funktionieren bestens, der eine etwas reisserischer, der andere etwas elegischer, aber keiner von beiden beutet hier die Protagonistin wirklich aus und es ist alles im Rahmen der Geschichte auch visuell angebracht.

Der vorliegende Film hat nun den entscheidenden Unterschied zu den oberen Filmen, dass das ausgesuchte Opfer eine Frau ist, und sich unsere junge Täterin ausgerechnet in diese Frau zu verlieben beginnt, und dass die Bösen im Film eben die Männerwelt ist.

Und auch hier gibt es diverse Filme zu diesem Thema, wahrscheinlich dürfte einer der bekanntesten Werke hierzu Bound von den damals noch Wachowski Brüdern sein. Jener Film war für Hollywoodverhältnisse tatsächlich sagen wir mal weniger zahm und versuchte so verrucht wie möglich und so sinnlich wie möglich daher zu kommen, dabei aber immer noch seine Frauenbestärkungsrolle inne zu behalten. Auch jener Film funktionierte im Rahmen seines B-Movie Settings ganz gut, gerade auch weil er eben die Frauen nicht dem Voyeurismus der geifernden Männerwelt aussetzte sondern die sinnlichen Sequenzen eben sinnlich zu bebildern versuchte.

Harter Cut

Südkorea ist wenn man seinen Filmen glauben schenken soll, ein extrem unterentwickeltes Land, was die Rolle der Frau in der Gesellschaft angeht, der Grossteil der männlichen Bevölkerung ist extrem Machismo unterwegs und die Frau hat ihre Fresse zu halten und geflissentlich hat sie im übetragenden Sinne lediglich eine Kette am Fuss, welcher ihr höchstens den Weg zwischen Küche und Bett gewährt. Wenn sie aufmuckt, gehört sie klein gehalten, notfalls - nein nicht mal notfalls - mit äußerster Gewalt. Ob dem tatsächlich so ist, oder ob es sich um eine filmische Darstellung und Übertreibung handelt, um seine Messages unters Volk zu bringen, mag ich nicht wirklich zu beurteilen. Aber das zieht sich so dermassen durch die Filmografie des Landes (Bedevilled, die ganzen Kim-Ki-Duk Filme als die offensichtlichsten Beispiele, oder sogar der extrem legendäre No Blood No Tears, wo der männliche Protagonist gefühlt eine Viertelstunde lang auf die beiden Protagonistinnen mit nackter und roher Gewalt mit seine Fäusten eindrischt), dass man geneigt ist, dieses Bild zu haben.

da also als intelligenter/intellektueller Filmemacher einen Film zur Stärkung der Rolle der Frau zu drehen, ist natürlich nicht nur probat sondern auch erwünscht. Und Park hat schon diverse starke Frauenfiguren etabliert und sie abseites der Norm platziert, und es hat jedes mal gut funktioniert: JSA, Lady Vengeance, Im a Cyborg, Thirst, Stoker. Immer gab es starke Frauen und immer waren sie würdig in Szene gesetzt worden.

A Propos in Szene setzen: Natürlich ist die Taschendiebin eine Augenweide, die Inszenierung ist über jeden Zweifel erhaben, Szenenbild, Aufmachung, Schnitt, Musik, alles perfekt. Aber das ist nicht weiter verwunderlich, erstens sind südkoreanische Filme im Prinzip bekannt für diese Qualitätene, und zweitens ist insbesondere Park bekannt dafür, dass seine Filme sensationell gut durchgeplant sind.

Auch ist die Erzählstruktur tatsächlich ähnlich wie Oldboy in mehrere Kapitel unterteilt, welche das vorher Gesehene immer wieder in Frage stellen und neue Facetten eröffnen, so dass der Film als Krimi und Wie wird es jetzt eigentlich weitergehen erstens tatsächlich gut bei Stange hält (Achtung Wortspiel) und zweitens aber auch teilweise einige Längen aufweist. In der Regel ist es kein gutes Zeichen, wenn ich nach einer Stunde mal auf die Uhr schaue, und der Film geht noch 1,5 Std. weiter. Aber trotzdem gelingt es ihm, uns weiterhin interessiert belassen und wir immer noch gespannt weiter schauen.

Auch die Auflösung ist natürlich sehr elegant gehalten, so dass manch geneigter Zuschauer sich von dem betörend eingefangenen Film einlullen wird lassen und ihn als etwas deutlich besseres wahrnimmt als er tatsächlich ist.

Wenn wir jetzt beispielsweise vor 20-30 Jahren wären, würde ich wahrscheinlich tatsächlich auch etwas um die 8 Punkte für diesen Film geben, wobei wie ich ja oben schon schrieb, es damals schon deutlich bessere und auch heute noch wunderbar funktionierende Filme mit ähnlichem Sujet vorhanden sind, aber die elegische und elegante Inszenierung, welche die streng analytische Komposition des Filmes sehr gut verschleiern kann, krönt ihn wirklich zu etwas was deutlich besser erscheint als er tatsächlich ist.

Tatsächlich handelt es sich ab spätestens Kapitel 2 nämlich um ein ziemlich pulpiges Anti-Männer-Manifest, das sich in seiner sexuellen Andersartigkeit tatsächlich richtiggehend suhlen möchte. Und dies wird dann so dermassen sinnlich und schön fotografiert, dass den wenigsten Zuschauern tatsächlich auffallen würde, dass wir uns fast schon auf Softpornoniveau befinden. Dazu möchte ich sagen, dass ich rein gar nichts gegen nackte Haut habe oder ein bißchen Porno. Aber es muss im Gesamtkontext passen. Wenn ich Emanuelle schaue erwarte ich keinen Schindlers Liste, und wenn ich Django schaue, erwarte ich nicht Jenseits von Afrika. Und wenn ich Thelma und Louise schaue, erwarte ich auf gar keinen Fall Jenna Jameson in einer Femdom-Lesbenszene. Und diese Grenze überschreitet die Taschendiebin mehr als nur ein bißchen. Und ich möchte festhalten, dass das weniger mit Prüderie zu tun hat las mit dem künstlerischen Anspruch dieser Art von Film: Wenn ich besipielsweise (oft genug und den meisten hier wahrscheinlich zu den Ohren raushängend mit meiner ewigen Moralpredigt) Die Gerard Butler Racheactioner immer wieder verteufele, gerade weil sie gewaltverherrlichend und reaktionär über den Anschlag hinaus sind und im gleichen Atemzug eben genau Parks Rache-Vehikel über den Klee lobe, gerade weil sie den Gewaltaspekt künstlerisch hinterfragen, dann schlägt das in die gleiche Kerbe: Eine gewisse Verhältnismässigkeit muss gegeben sein, und selsbt wenn es mal over the top geht, muss dies im Rahmen der Geschichte rechtfertigbar und nachvollziehbar sein.

Wenn man minutenland sieht, und zwar explizit sieht, wie sich zwei Frauen gegenseitig vernaschen, und hier jeglicher Schleier entfällt (wie es beispielsweise künstlerisch bei Wenn die Gondeln Trauer tragen gelang), und dies dann im zweiten kapitel nochmal minutenlang zelebriert wird, und am Ende nochmal eine recht sinnbefreite Szene diesbezüglich uns zugemutet wird, dann schiesst das enorm über das Ziel hinweg.

Vor allem wenn man bedenkt, dass der männliche Protagnist eben nichts von alledem erfahren oder machen muss. Vor allem haben wir am Ende tatsächlich die Möglichkeit, eine andere Art des Hentai-Tentakelpornos zu bekommen, welche genau das ausbeuterische Bild bezüglich der Frau, welches wir 2 Stunden lang beobachten durften, hätte unterwandern können und mich hätte Lügen gestraft, gerade weil Park hier die Möglichkeit hat, seine weibliche Rache zu perfektionieren. Aber er lässt davon ab, obwohl er dies schon recht früh im Film aufbaut ( Wieso hatte die Tante keine Scheisse in den Hosen als sie sich erhing und die darauf folgende Antwort) und er sein Lieblingshaustier (spielte ja schon in Miniformat eine wesentliche Rolle in Oldboy) dann schliesslich entblösst. Aber nein, der Kerl darf seine Würde behalten und auch noch - auch wenn er noch so schmierig und ekelig ist - als harter Kerl abdanken. Zudem ist gerade dieses in die Länge gezogene dann doch offensichtliche Ende auch noch wirklich mühsam anzusehen, da es einen fast nur noch ärgert, was einem vorgesetzt wird. Nicht dass ich mir so ein Ende zu sehen wünschen würde, solche Grenzerfahrungen brauche ich nun wirklich nicht, aber alleine das Andeuten und Wegblenden würde schon ausreichen, dass der geneigte Zuschauer ein Gefühl der Genugtuung erfährt. Andeuten und Wegblenden sowohl bei den expliziten intimen als auch grausamen Szenen, das ist etwas, was Park sicherlich drauf hat und sich dagegen entscheidet, erstens bei den intimen Szenen und zweitens sogar komplett gegen die grausame.

Das geht schon in Richtung eines altersgeilen Bertolucci, der für seinen Letzten Tango in Paris die blutjunge Hauptdarstellerin der Öffentlichkeit preis gibt, während er Brando vor allem Ungemach schützt. das hat vielleicht vor 40-50 jahren irgendwie funktioniert, aber heute gelten andere Masstäbe, zumindest sollten sie das.

Und dabei geht es gar nicht so sehr um das Thema sexuelle Macht, Gewalt oder sonstwas, sondern um die Inszenierung und die extrem einseitige Ausstellung dieser Sexualität.

Wenn ein Mann solche Missstände anprangern will, sollte er zumindest nicht selbst das machen, was er den Leuten vorwirft, und die Darstellerinen explizit ausbeuten! Ganz stark ist beispielsweise die Szene in der Bibliothek, als die ganzen Bücher vernichtet werden, wodurch der Film seine Kritik an der Ausbeutung nochmal deutlich untermauert, nur um dies selbst immer wieder mit seiner grafischen Darstellung zu konterkarieren. Und sorry, wenn Park hier schelmisch uns den Vogel zeigen will, und er es machen kann, weil ihm die Journaille das abkauft, mir stösst es dann als Gesamtkonstrukt umso bitterer auf.

Ach ja, sein Welt- und Menschenbild ist nach wie vor unter aller Sau, was mich allerdings jetzt weniger gestört hat und auch nicht überraschte, aber das nur der Vollständigkeit halber.

All das macht diesen im Grunde sehr eleganten und wirklich guten Film dennoch zu einem riesengrossen Ärgernis. Wenn Style den Inhalt zerstört!

Eigentlich ärgert mich das sogar dermassen, dass ich dem Film sehr gerne die Mindestwertung geben würde, aber dafür hat er doch zu starke andere Qualitäten, die ich trotz allem doch leider würdigen muss.

4 Punkte

Die Taschendiebin Bewertung
Bewertung des Films
410

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ProfessorX : : Moviejones-Fan
16.04.2021 18:07 Uhr
0
Dabei seit: 17.05.14 | Posts: 932 | Reviews: 1.016 | Hüte: 42

Oh wow, du hast den Film auf jeden Fall wesentlich weniger wohlwollend aufgenommen, als ich.

Was soll man da sagen? Sicherlich kann man eine gewisse Männerfeindlichkeit in diesen Film hineinlesen, ich muss aber gestehen, daß ich persönlich das auch im historidchen Kontext betrachtet habe und daher eigentlich nicht als ärgerlich empfand.

Ähnlich verhält es sich meiner Ansicht nach mit den Sexszenen und dem Plot. Es ist sicherlich eine Debatte wert sich zu fragen, wie solch drastische Unterschiede in Sachen Film zu Stande kommen. Dann sprächen wir aber vermutlich über die jewielige Sozialisation und Prägende Ereignisse im Leben. So gesehen hinge da ein riesen Rattenschwanz dran und wir kämen auf keinen Nenner. Ich kann aber verstehen, daß man diese Akt-EInteilung auch als faulen Zauber auslegen kann, nur emfpand ich es als geschichtliche Bereicherung. Was diesen historischen Kontext angeht, so muss ich gestehen, daß ich mich nicht so stark mit der südkoreanischen Geschichte auskenne und dazu nichts sagen kann.

Gleichwohl hatte ich eine riesen Freude an diesem Skandalfilm ^^

Consider that a divorce!

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MobyDick : : Moviejones-Fan
14.04.2021 10:41 Uhr
0
Dabei seit: 29.10.13 | Posts: 7.688 | Reviews: 254 | Hüte: 620

Da ist sie, meine abschliessende Kritik zur kurzen Chan-Wook Park Retrospektive

Dünyayi Kurtaran Adam
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