Bewertung: 4 / 5
Das Märchen vom Rottkäppchen ist wahrscheinlicherweise das am meisten zitierte sexuell aufgeladene Märchen in der westlichen Hemisphäre. Nicht nur, dass diese Geschichte um den Verlust der Unschuld sowohl bei Kleinen als auch Großen enormen Anhang findet, nein sie ist in ihrer Grundtendenz anscheinend uns allen eingeimpft, so dass jeder irgendwo eine gewisse Analogie aus diesem Märchen versteht. und es geht dann noch weiter, je nach Lesart ist dann plötzlich der Wolf das Opfer. Also alles eine Frage der Präferenzen und Auslegung. Dies geht so weit in die gesamte Popkultur ein, dass sogar mittlerweile Rotkäppchen und der Wolf überall Erwähnung finden, ohne dass wir es merken: profanes Beispiel Jean Grey hat rote Haare und ist in einer unschuldigen Beziehung mit Cyclops. Wolverine tritt den X-Men bei, er ist von Anfang an fasziniert von Jean, die Missionen werden gefährlicher, sie wird zu Phoenix (eine Art Coming of Age) und fühlt sich jetzt plötzlich auch zum animalischen Haudegen Wolverine hingezogen. Anderes Beispiel: Dracula erzählt die Liebesgeschichte eines armen alten Wolfes.
Und so kann man das nahezu unendlich durch deklinieren und wir kommen immer auf das typische Setting zurück:Verführung, Erwachen.
Da ist es natürlich schwierig, nicht auch mal eine erwachsene Herangehensweise an dieses Märchen anzulegen und das ganze zu psychologisieren. Neil Jordan, seines Zeichens einer der besten Regisseure der 1980er hat sich also rangehalten, ein psychologisches gothisches Märchen mit mehreren Ebenen, die mehr Traumweltverknüpfung denn Horror sein wollen, abzuliefern. Eine Geschichte über Die Blumenund die Bienen, nur irgendwie über rote und innere Haare.
Der Film ist in typischer 1980er Fantasy-Optik gehalten, irgendwo zwischen Gilliam, Boormann, Mulcahy, und den Muppets, aber das sagt alles noch gar nichts über die Qualitäten des Films per se aus. Auch wenn es auf den ersten Blick vielleicht nie so wirken mag, so ist der Film in erster Linie ein Diskussionsfilm und man muss auch zuhören, was ihn auf eine gewisse Weise sehr altmodisch aber auch bodenständig macht. Dieser erklärende Ansatz gepaart mit der zunehmenden fantasievollen Bildgewalt entlädt sich (was für eine Analogie!) immer stärker auf unsere Protagonistin bis zum furiosen Finale.
man sollte kein Ginger Snaps oder irgendein anderes Vehikel erwarten, wo Neil Jordan draufsteht. wir haben stattdessen ein absolut intellektuell überragendes feminines Coming-of-Age Gothic Novel, das sich vor den besten des Faches nicht verstecken braucht.
ich persönlich bin kein Märchenfan, daher trifft er mich nicht zu 100%, so dass ich trotz dem Gefühl, dass der Film wahrscheinlich 9 Punkte verdienen dürfte, nur mal so die 8 zücke.
und ganz klare Empfehlung!