Bewertung: 4 / 5
Dieser Mann verliert Sand. Er rieselt einfach so aus ihm raus. Es ist eine skurrile Idee, die Regisseur Peter Luisi in Ein Sommersandtraum verfolgt. Doch dieser Luisi war einer der Drehbuchschreiber des ausgezeichneten Dramas Vitus" (2005) und ist sozusagen ein Spezialist für ungewöhnliche Leben. Und als Filmemacher kann der Züricher sogar noch mehr.
Wobei man der Fairness halber sagen muss, dass er in diesem Bereich bereits Erfahrung hat und für kleinere Produktionen hinter der Kamera stand. Richtig groß ist Ein Sommersandtraum auch nicht. Aber exzellent zu Ende gedacht und verschwenderisch im Detail. Schon die erste Szene knallt ganz lautlos: In Zeitlupe landet eine Tasse Kaffee im Gesicht des Hauptdarstellers Fabian Krüger, einem Mann von der Bühne, der nach Bochum und Zürich seit 2009 am Burgtheater in Wien spielt.
Benno (Krüger) ist ziemlich das Gegenteil von einem Menschenfreund: Schnippisch ist er, doch das ist steigerungsfähig. Er arbeitet in einem Briefmarkenladen, bescheißt seine Kunden und schikaniert Sandra (das Ein-Mann-Orchester Frölein Da Capo, Irene Brügger), die Bedienung im Café unter seiner Wohnung.
Was für ein böser Kauz, der sich als Schöngeist verkauft. Er kleidet sich wie ein Dirigent, hat ein geregeltes Leben und eine attraktive Freundin (Florine Deplazes), alles in Ordnung also. Doch plötzlich verliert er Sand. Begleitet wird das ständige Rieseln aus Hemdsärmeln und Hosenbeinen von Albträumen, die Benno verunsichern. Es folgt ein wunderbares Chaos, schräg und clever ausgetüftelt. Die Frage, was da los ist, prangt in großen Lettern über dem filmischen Geschehen. Doch Ein Sommersandtraum unterhält auf so liebenswerte, manchmal böse Weise, das man darüber völlig die Zeit und die Fragen vergisst, die sich stellten.
Selbst als der seltsame Snob dahinter kommt, weswegen er an Sand und Gewicht verliert, kann er das Problem nicht so einfach aus der Welt schaffen - die Schadenfreude lässt sich schwer zügeln. Luisi verquickt derben Humor mit wahrhaft amüsanten Momenten, ohne seine Geschichte aus den Augen zu verlieren. Er nimmt sich sogar Zeit für Nebensächlichkeiten: Der Fernseh-Wahrsager Dimitri (Michel Gammenthaler), an den sich der Sandmann in seiner Not wendet, dürfte in Erinnerung bleiben.
Peter Luisi, der diese Komödie sicherlich mit wenig Budget drehte, darf sich zufrieden zurücklehnen. Er sagt, ihm sitze noch in den Knochen, dass er mit 19 seinen ersten Film unter unendlichen Strapazen fertig stellte. Bei der ersten Vorführung schliefen zwei seiner sieben Freunde ein. Das wird ihm heute, 17 Jahre später, nicht mehr passieren. Hand drauf.
Ein Sommersandtraum bekommt 4 von 5 Hüten.
(Quelle: teleschau - der mediendienst | Claudia Nitsche)
