Bewertung: 4 / 5
Fred und Mick sind seit 50 Jahren beste Freunde. Gemeinsam treffen sie sich seit langem in demselben Hotel in den Schweizer Bergen, um zu entspannen und ihre Künstlerseele baumeln zu lassen. Fred ist Komponist, Mick Regisseur. Und während Fred versucht, sein Leben als gefeierter Musikstar endgültig hinter sich zu lassen, tüftelt Mick zusammen mit seinen bemühten Assistenten an dem letzten großen Filmcoup, der sein Vermächtnis werden soll. Was jedoch beide in diesen letzten Wochen des Sommers erkennen müssen, ist, dass die Jugend ein vergängliches Gut ist.
Ewige Jugend, den neuen Film von Paolo Sorrentino durchweht ein Felliniesques Gefühl. Zwei Männer im fortgeschrittenen Alter, zwei Künstlerseelen, zwei große Egos, die im Herbst des Lebens auf dasselbige zurückblicken und sich mit ihren Sehnsüchten, ihren Fehlern und ihren letzten großen Träumen konfrontiert sehen. In Michael Caine und Harvey Keitel findet Sorrentino für seine Figuren die Idealbesetzung. Caine ist der Gentleman, der elegante Charmeur, der allein für die Musik lebte - und sich von seiner Tochter mit all den Grausamkeiten konfrontieren lassen muss, die er ihr und vor allem seiner Frau angetan hat. Und Keitel ist der ruhelose Künstler, das Genie, das nie ganz zufrieden mit seinem eigenen Schaffen war und stets hinterfragt, was er der Welt hinterlassen kann.
Trailer zu Ewige Jugend
Beide begegnen in den Schweizer Bergen vielen herrlich skurrilen Figuren, die perfekte Spiegelungen ihrer eigenen Konflikte sind. Die pompösen und perfekt arrangierten Bilderwelten des Films wirken in ihrer großen Künstlichkeit und Finesse wie Gemälde, Panoramen oder auch Choreografien, passend zum artifiziellen Umgang der Künstler miteinander. Dennoch gelingt auch eine raffinierte Leichtigkeit, auch dank der herrlich ausgewählten Musik, die den Film wie einen großen schwebenden Bildertraum wirken lässt.
Sorrentino hat den Ehrgeiz, mit jeder Einstellung neu zu überraschen. Dramaturgie oder Plausibilität lässt er gerne sausen, wenn er nur eine Sequenz inszenieren kann, bei der die Zuschauer sich ungläubig die Augen reiben. Ist es tatsächlich Maradona, der da massig als ein Fussballgott im Pool plantscht und später mit traumwandlerischer Sicherheit immer wieder einen Tennisball senkrecht in den Himmel schießt? In einer Traumsequenz sieht Fred den Markusplatz von Venedig im Wasser versinken und später dirigiert er das Muhen der Kühe auf einer Almwiese. Und der junge amerikanische Schauspieler, der darunter leidet, dass er durch eine Rolle bekannt wurde, in der er einen Roboter spielte, erscheint plötzlich im Speisesaal des Hotels in der Maske und dem Kostüm von Adolf Hitler, um die Wirkung dieses Auftritts zu testen. Der Film sprudelt über von solchen mit viel Witz und Fantasie erdachten und grandios inszenierten Sequenzen.
Bodenhaftung bekommt Ewige Jugend durch die Leistungen der Schauspieler. Michael Caine und Harvey Keitel sind als Künstler und Freunde zugleich komisch und berührend, weise und eitel, egozentrisch und großzügig. Paul Dano spielt nach seiner Verkörperung von Brian Wilson wieder überzeugend eine komplexe Künstlerseele und Jane Fonda hat im letzten Akt einen grandiosen Auftritt als alternde Kinodiva, der wie ein Crescendo vor der Coda wirkt. Es ist selten geworden, dass ein Regisseur so barock und lustvoll aus dem Vollen seiner Kunst schöpft.
Letzten Endes, das macht Sorrentino auf beeindruckende Weise klar, ist die Welt bloße Kunst. Und sein wundervoll durchkomponierter Film ist eine Hommage daran. An ihre Schönheit, ihr Leiden, ihren Genuss. Und ihre ewige Jugend.
Prädikat: besonders wertvoll
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung