Bewertung: 5 / 5
Geläutert von den Geschehnissen im Vorgänger, will Henry Frankenstein nichts anderes, als seine Frau heiraten und seine Schöpfung vergessen. Doch er hat die Rechnung ohne Prof. Pretorius gemacht. Pretorius war einst Frankensteins akademisches Vorbild und genau wie Frankenstein davon besessen, selbst Leben zu schaffen. Wo Frankenstein jedoch sein Ziel erreicht hat, scheitert Pretorius: ihm gelingen nur Homunculi, winzige Menschlein, und keine lebensgroßen Schöpfungen. Pretorius ist davon überzeugt, dass Frankenstein seine Arbeit noch nicht vollendet hat, denn wo Gott Adam und Eva geschaffen hat, hat Henry nach seiner ersten Schöpfung bereits aufgegeben. Zu allem Überfluss hat das Monster den Mühlenbrand auch noch überlebt und sucht seinen Platz in der Gesellschaft. Als sich die Wege des Monsters und Pretorius in einer Gruft kreuzen, scheint Frankensteins Schicksal besiegelt: er muss eine Gefährtin für das Monster erschaffen, oder seine Verlobte stirbt...
Man mag es sich im Zeitalter des Franchisefilms kaum vorstellen, aber Sequels waren damals minderwertige Filme angesehen, die es künstlerisch nicht mit dem Original aufnehmen konnten. Diese Aussage sollte James Whale mit seinem 1935 erschienenen „Frankensteins Braut“ Lügen strafen. Basierend auf einem Subplot in Mary Shelleys Romanvorlage wird die Geschichte geschickt weitergesponnen. Dabei zeigt sich die Fortsetzung um einiges verspielter und schwarzhumoriger als der Vorgänger, ohne den ernsten Ton des letztgenannten Films zu untergraben.
Erreicht wird dies mit dem wohl wichtigsten Neuzugang in der Darstellerriege, nämlich Ernst Thesiger als Prof. Dr. Pretorius. Pretorius ist noch skrupelloser als Frankenstein es war, ungebunden von menschlicher oder gar göttlicher Moral, hat er für die ethischen Belange seiner Arbeit nur ein spöttisches Lachen übrig. Thesiger spielt ihn mit hintergründigem, sardonischem Witz, der es quasi unmöglich macht, sich nicht in den hedonistischen Lebenmann („Do you like Gin? Its my only weakness!“) zu verlieben. Und so wird Pretorious zu einem der großen Leinwandantagonisten – in einem Film mit Boris Karloff will das schon was heißen!
Und wo Karloff gerade seine Erwähnung findet: auch dieser brilliert wieder, sowohl als stilles Monster, als auch nachdem er das Sprechen lernt. Seinen Szenen sind auch über 80 Jahre nach erscheinen ergreifend und herzzerreißend und haben kaum was von ihrer Wirkung eingebüßt. Besonders sticht dabei die Sequenz mit dem blinden Einsiedler ins Auge. Karloff darf mit kindlicher Freude die Schönheit der Musik kennenlernen, darf eine Freundschaft schließen, Trinken und Rauchen lernen, die Angst vor dem Feuer besiegen und das alles nur mit Mimik und hinterher begrenztem Wortschatz. Seine Leistung kann nicht überschätzt werden, da sie den Film emotional ankert und die Tragödie des Endes verkauft.
Und auch Regisseur James Whale läuft wieder zur Höchstform auf, indem er dem Impuls widersteht, die Handlung des ersten Teils schlicht zu wiederholen. Stattdessen greift er geschickt Thematiken wieder auf und konstruiert „Frankensteins Braut“ als Spiegelbild des Originals. So verwundert es nicht, dass Frankensteins „Wiederauferstehung“ zu Beginn des Films visuell an die Belebung des Monsters erinnert (Nebencharakter Minnie darf sogar Frankensteins ikonischen Ausruf aus dem Vorgänger schreien: „HES ALIVE!“), oder die Erschaffungssequenz, im Vorgänger noch der Katalysator der Handlung, hier das Finale darstellt. Auf diese Weise erschafft Whale einen Film, der seinen Vorgänger nicht abkupfert, sondern passend erweitert.
Eröffnet wird der Film übrigens mit einer Prologszene, die Mary Shelley (Elsa Lanchester, die auch die Braut spielt) zusammen mit Lord Byron und ihrem Ehemann Percy Bysshe Shelley zeigt. Für die Uneingeweihten: in dieser Zusammensetzung (eigentlich noch mit John Polidori und ihrer Steifschwester) erdachte Autorin Mary Shelley ihren modernen Prometheus im Jahre 1816 erstmals. Dieser Prolog dient nicht nur dazu, neuen Zuschauern, die Vorgeschichte nahezubringen, nahezubringen, sondern kann mit Shelleys Kommentar zum Thema Verlegern (diese würden „Frankenstein“ schon veröffentlichen, sobald sie die wahre Aussage dahinter auch verstünden) auch als augenzwinkernden Seitenhieb auf etwaige Sitten- und Moralwächter, die etwas am ersten Film auszusetzen hatten, verstehen.
„Frankensteins Braut“ ist also eine der wenigen Fortsetzungen, die die Geschichte würdig weiterschreiben, und kann die von „Frankenstein“ hochgesteckte Messlatte locker halten. Dieser Film gehört zum Pflichtprogramm!