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Gilbert Grape - Irgendwo in Iowa

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Gilbert Grape - Irgendwo in Iowa Kritik

Gilbert Grape - Irgendwo in Iowa Kritik

Gilbert Grape - Irgendwo in Iowa Kritik
0 Kommentare - 09.09.2023 von ProfessorX
In dieser Userkritik verrät euch ProfessorX, wie gut "Gilbert Grape - Irgendwo in Iowa" ist.

Bewertung: 4 / 5

Das kleine Örtchen Endora ist nicht gerade der Brennpunkt der Zivilisation. Gilbert Grape (Johnny Depp) fühlt sich in jedem Örtchen gefangen, der sich um seine adipöse Mutter Bonnie (Darlene Cates) kümmern muss, die seit dem Tod ihres Vaters auf dem Sofa liegt. Zudem muss er sich auch um seinem minderintelligenten Bruder Arnie (Leonardo DiCaprio) kümmern, der unter anderem jede Woche versucht auf den örtlichen Wasserturm zu klettern.

Das ländliche Amerika ist häufig geprägt vom Wilden Westen. Auch heute noch, wo die Welt sich so stark gewandelt zu haben scheint, ist da diese romantisch verklärte Idylle, die jenem Amerika und jener Heimatverbundenheit ihren Sinn gibt. Davon hält man viel, wenn man sonst nichts im Leben hat. Insofern ist Lasse Hallströms Gilbert Grape – Irgendwo in Iowa ein Film, der sich eigentlich recht schnell entfalten sollte und dessen Ideologie sich doch sonst eher einem anderen politischen Lager zuordnen ließe. Es ist vielleicht ein wenig an der Realität vorbei, wie Hallström inszeniert, man muss aber auch dazu sagen, daß sich seine gesamte Vita eher wie eine Vermischung vermeintlicher Realität und Märchen anfühlt. So zu sehen auch in Gottes Werk & Teufels Beitrag (1999), Chocolat – Ein kleiner Biss genügt (2000) oder Hachiko – Eine wunderbare Freundschaft (2009). Und ja, daß kann man dem Film schon vorwerfen, wenn er eben einerseits die Tristesse und monotone Lebensweise auf dem Land ankreidet und gleichzeitig immer wieder mit einer starken Sehnsucht nach Geborgenheit konterkariert. Dabei ist diese Art von Konflikt, die hier vor allem durch die Hauptfigur Gilbert Grape ausgespielt wird, ein reines Paradoxon.

Im Prinzip auf den ersten Blick, liefert Gilbert Grape – Irgendwo in Iowa das, was die besten Filme überhaupt ausmacht, nämlich keine Geschichte. Es ist eine Ansammlung von Bildern und Versatzstücken eines Lebens, daß der Zuschauer bewerten soll. Und daher funktioniert ja auch die scheinbare paradoxe Inszenierung durch Hallström überhaupt erst, weil er eben dadurch keine genaue Wertung des Lebens vornimmt. Auf den ersten Blick sieht man das, was wohl in gehobeneren Klassen, als Unterschichtler bezeichnet würde. Eine latent inzestuöse Beziehung zwischen einer fettleibigen Mutter und ihren Kindern. Besonders der kleine Arnie Grape profitiert davon und möchte seine Mutter immer um sich haben. Dann ist da auch immer wieder die Vergangenheit, ausgedrückt durch einen Vater, der sich das Leben nahm. Ein junger Gilbert, der wiederum zwei aufeinanderfolgende Liebesbeziehungen zwischen ihm und einer älteren und ihm und einer jüngeren Frau auslebt. Und ja, auch die Liebe ist ja durchaus spannend. Je nachdem, wen man fragt, kann man da auch dieses Thema der Mutterliebe wieder aufgreifen, warum sonst, sollte man sich nämlich zu älteren Frauen hingezogen fühlen, wenn es eben nicht ein sehr positives, oder sehr negatives Bindungsgefüge zu wichtigsten Sozialisationsinstanz gäbe. Nun kann man aber auch daran erkennen, daß es eben, wie auch der gesamte Film suggeriert, um die Abnabelung geht. Vielleicht von der Mutter, sicher von der Vergangenheit und ganz sicher von diesem Landleben.

Aus der Ruhe, mit der Hallström inszeniert, lässt sich die intrinsische Suche nach einem neuen Leben erkennen und dieser tiefschürfende Konflikt, gegenüber seiner Verantwortung. Denn seine kleinen Geschwister können sich eben nicht um die schwerkranke Mutter und den ebenso als schwerkrank wahrgenommenen Bruder kümmern. Und ab dem Zeitpunkt ist da eben diese ehrliche Erkenntnis, die ja selbst die rechten Amerikaner immer wieder zulassen. Man ist eben für seine Familie verantwortlich. Zwar in rechten Kreisen auch, weil man sonst nichts anderes im Leben hat, aber das Ziel ist ja das gleiche und wird immer das Gleiche bleiben. Nun muss man sagen, daß Hallström den Aspekt der beiden Behinderungen – Intelligenzminderung und Adipositas – eben auch immer wieder in den so wichtigen und tatsächlich exkludierenden gesellschaftlichen Kontext verfrachtet. Denn es ist ja wahr, Menschen, die vermeintlich anders sind und eben nicht so auftreten, wie es ein Großteil der Gesellschaft tut, werden von eben jener kritisch betrachtet. Und jenen Blick stellt Hallström dann zum Ende hin gekonnt heraus, wenn es dann eben darum geht, sich und die Familien nicht mehr zu verstecken und einen Besuch auf dem Polizeirevier zu wagen.

Immer wieder setzt der Film den Kontrast zwischen Realität und Träumen. Nicht in dem Sinne, daß er seine Welt so traumhaft inszeniere, wie es Hallström in anderen Fällen gerne tut, sondern indessen, daß die Realität eben immer wieder das Träumen von Emanzipation und Sinnhaftigkeit im Leben unterbindet. Gilbert kann gar nicht richtig leben, weil sein Leben ihn begleiten muss. Ob das nun gut, oder schlecht ist und jene inzestuöse Verbindung, die eben schon immer da war, aufgebrochen werden kann, daß sei mal dahingestellt. Tatsächlich könnte man das dem Film vorwerfen, oder dies als gekonnten Erkenntnisgewinn verstehen. Dann so unaufgeregt, wie das gesamte Treiben dort ist, wie wenig Epos darin steckt, so wenig Epik steckt auch in den allermeisten Leben. Klar, jetzt kann man sich fragen, ob das Kino der Ort ist, an dem man die Realität betrachten sollte. Doch dadurch entsteht im Falle von Gilbert Grape – Irgendwo in Iowa eben auch eine Nahbarkeit, die sehr viele Leute nachvollziehen können. Und unterschwellig spiegelt das wiederum auch eine Kritik an amerikanischen Verhältnissen wider. Denn so trostlos und perfekt zugleich das Leben da auch wirken mag, umso weniger schert es jene, die eben mit dem goldenen Löffel geboren wurden. Und wie sich eben die Gesellschaft dort gewandelt hat, daß muss man dann leider erschreckend feststellen, wenn man mal wieder Nachrichten sieht oder liest.

Seltsam melancholisch blickt Gilbert Grape – Irgendwo in Iowa auf die Welt. Es ist ein Leben voller Träume und der Realität, die eben jenen amerikanischen Traum wiederum dekonstruiert. Es gibt keine Geschichte, sondern eine Bestandsaufnahme, die schön und erschreckend zugleich anmutet.

Gilbert Grape - Irgendwo in Iowa Bewertung
Bewertung des Films
810

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