Bewertung: 5 / 5
Wenn man Tragik so weit biegt, bis sie zur Komik wird: das ist vermutlich das Konzept, das mir in Filmen am meisten Freude bereitet. Im Kontext existenzieller zwischenmenschlicher Themen. Todd Solondz Meisterwerk passt da sehr gut rein und fügt noch ein bisschen mehr "awkwardness" hinzu.
Der Titel verrät bereits, worum es allgemein gesprochen geht: um das Glücklichsein; Happiness. Nur glücklich ist von der Vielzahl der Figuren in diesem Episodendrama niemand. Auch, wenn sie dies nicht zugeben möchten oder zumindest herunterspielen.
Es ist ja in gewisser Weise ein Tabuthema. Wie ehrlich antworten wir schon auf die gängige Floskel "Wie gehts?". Wie sehr wollen wir wirklich wissen, wie sich der andere fühlt? Es wird schließlich erwartet, ein leistungsfähiger Bürger zu sein. Ohne Ecken und Kanten, Probleme und Krankheit. Vielen fällt es wie den Figuren schwer, darüber zu reden. Todd Solondz hat gewiss keine Angst, Tabus anzusprechen.
Ein wunderbarer Prolog fängt die Essenz des Films perfekt ein. Die naive, schüchterne Joy sitzt mit ihrem Partner in einem Restaurant und fragt ihn, ob alles okay sei. Er bejaht. Im Close Up ist leicht zu erkennen, dass das nicht wahr ist. Nichts ist okay. Kurz darauf verlagert sich die Stimmung der Szene schlagartig ins Gegenteil, wenn die unterdrückten Emotionen Überhand nehmen.
Diese Stimmungsschwankungen sind charakteristisch für den Film. Ebenso die Divergenz zwischen Gesagtem und Gezeigtem. Durch den ganzen Film zieht sich eine gewisse Ironie und tiefschwarz getränkter Humor.
Im Zentrum des Films stehen Joy, ihre Familie und die Menschen in ihrem Umfeld. Alle haben unterschiedliche Probleme in ihrem Leben. Entfremdung, Obsessionen, Einsamkeit, Unsicherheit. Ungestillte, unterdrückte Bedürfnisse und der dysfunktionale Umgang damit ist der Kern der Geschichte.
Da ist Joys Schwester Trish, die nicht erkennt, dass ihre Ehe längst nur noch eine leere Hülle ist. Da ist ihr Mann Bill, ein Psychiater, der selbst psychische Probleme hat. Ihr gemeinsamer elfjähriger Sohn, der mit den Unsicherheiten der heraufziehenden Pubertät und seinen körperlichen Veränderungen kämpft. Da ist der (sexuell) frustrierte Allen, ein Klient von Bill, der seine Einsamkeit und Fantasien in Alkohol und Selbsthass ertränkt, besessen von seiner unerreichbaren, attraktiven Nachbarin Helen, Joys zweiter Schwester. Dabei übersieht er das ehrliche Interesse einer anderen Frau.
Helen hat ein reges Sexleben, ist aber von den oberflächlichen Begegnungen gelangweilt und fühlt sich trotz ihres beruflichen Erfolgs leer. Da sind die Eltern der drei Geschwister, die sich nach langer Ehe überdrüssig sind und sich trennen. Und natürlich Joy selbst, deren Naivität und Unsicherheit immer wieder dazu führt, dass sie ausgenutzt und übergangen wird.
Was alle gemeinsam haben, ist insbesondere die Suche nach Nähe, Akzeptanz und zwischenmenschlicher Verbindung. Das frustrierende Streben nach Glück und der fortwährende Zustand des Unglücklichseins wird hier als immanenter Konflikt der menschlichen Existenz identifiziert.
Happiness ist ein Blick hinter die Fassade des bürgerlichen Lebens und beleuchtet die "düsteren Geheimnisse" abseits der gesellschaftlichen "Norm" in all seiner Tragik, Komik und Sonderbarkeit. In teils überwältigenden Szenen. Man schwankt hin und her zwischen Mitleid, Belustigung und Erschütterung. Gerade auch aus den schwer verdaulichen Szenen zieht der Film seine enorme Kraft.
Es ist ein unangenehmer Film. Offbeat. Downbeat. Mit einem funken Hoffung am Ende. Die einen lernen, die anderen verzweifeln. Mit wahnsinnigen Performances der mutigen Schauspielerinnnen und Schauspieler. Eine tiefgründige, komische und dennoch berührende Charakterstudie zwischen Filmen wie "American Beauty", "Blue Velvet", "Little Children" und Co.