Bewertung: 3 / 5
Am Ende von Breaking Bad rast Jesse Pinkman schreiend und verstört in die Nacht. Sein Schicksal bleibt offen. Die wahnsinnige Geschichte des Drogenduos hatte ein Ende - vorerst. Jetzt folgt der Netflix Film El Camino ("Die/der Straße/Pfad"), der genau an dieser Stelle anknüpft.
Auf den ersten Blick mag das Wiedersehen mit den geliebten Figuren für Fans der Serie (also die meisten) mit Freude, Nostalgie und der Hoffnung auf eine ähnlich hochwertige Fortsetzung verbunden sein. Bei genauerer Betrachtung erweist sie sich jedoch als zweischneidiges Schwert.
Es gab ja bereits einige Szenarien, die man sich hinsichtlich Jesses ausmalen konnte. Wird er gefasst? Zerbricht er an seinem Trauma? Steckt er weiterhin im kriminellen Sump fest? Oder findet er endlich Frieden? Vielleicht war aber der Ausdruck zwischen Schock, Verzweiflung und scheinbarer Befreiung bereits das perfekte Schlussbild. Je nachdem, wie man dazu steht. Die Antwort ändert auch das Ende der Serie.
Trailer zu El Camino - Ein Breaking Bad Film
El Camino will also nun die Story fortführen. Über fünf Staffeln haben wir sie bereits verfolgt. Haben mitgefiebert und mitgelitten. Kennen die Figuren in und auswendig. Man braucht nicht lange, um sich zu Hause zu fühlen. Spätestens, wenn auf Jesses Flucht die ersten bekannten Gesichter auftauchen, ist es als wäre man wieder mittendrin. Auch wenn die Narben auf Jesses Körper bestens zu verstehen geben, dass er nicht mehr derselbe ist.
Doch dann passiert es: der Film zieht die Handbremse. Anstatt darauf aufzubauen, geht der Film wortwörtlich rückwärts. In Flashbacks wird die Gefangenschaft Jesses wieder aufgegriffen. Geschätzt ein Viertel seiner Laufzeit widmet sich der Film zurückliegenden Geschehnissen, bei denen Todd eine zentrale Rolle einnimmt. Sprich Backstory. Backstory, zu einem Film, der auf 62 Folgen, das heißt mal grob gerundet 60 Stunden Backstory aufbaut. Eine halbe Stunde lang erzählt der Film, was wir bereits wissen und fügt dem auch fast nichts wesentliches hinzu. Eine Verschwendung.
Letztlich zieht der Film auch darauß die Folge, dient dies vor allem dazu, den Plot in Gang zu setzen, der leider simpler nicht sein könnte. Jesse braucht Geld. Ein Motiv, das nach einer kurzen Dusche dann auch leider den den Film antreibt. Jesses Innenleben scheint zwar immer wieder zwischen den Zeilen durch, wird aber nicht mehr zentral behandelt. Dafür gibt es zwei, drei spannende Setpieces zu bestaunen, die gekonnt den Puls in die Höhe treiben. Nicht immer handeln die Figuren dabei allerdings nachvollziehbar, was die tolle Umsetzung dann wieder etwas trübt. Letztlich scheint der Film aber nicht mehr viel zu sagen zu haben. Wer Jesse den filmischen Abschluss gewünscht hat, darf sich freuen. Wiedergutmachung gibt es keine, wie Mike zu Beginn treffend sagt. So ist der Film nicht mehr als eine Zugabe, ein Abschied, eine nachgeschobene Episode, die auch in einer Stunde hätte abgehandelt werden können.
Am Ende von El Camino steht die Frage, ob es dieses Extra gebraucht hätte. Eigentlich nicht.