Bewertung: 3.5 / 5
So, dies wird Euch vielleicht ähnlich überraschen wie mich. Doppelt und dreifach. Aber lasst mich die Geschichte von Anfang an erzählen:
Mein Bruder (Liam Neeson-Fan (sind wir das nicht alle?)) bat mich, doch heute Abend Hard Powder anzuschauen. Nungut, sagte ich mir nach kurzem Zögern und dachte mir weiter nichts dabei. Ich habe sowieso nichts mehr vor. Zwei Stunden kann ich schon mal in den Wind schießen. Wird der übliche Neeson, der ja sein eigenes Genre hier zusammenbaut.
Der Film beginnt also. Was auffällt sind die seltsam sprunghaften Schnitte, als wären die Macher auf Koks. Qualitätsware scheint nicht mehr gefragt, nur ran an den Stoff. Und bevor man es sich versieht, wird der erste Handlanger in voller Neeson Manier verdroschen. There we go, denke ich. Cut right to the chase, denke ich. Nur nicht mit irgendwas aufhalten. Ein sarkastisches Cheers! Es folgen zwei weitere Szenen exakt wie die erste. Rigoros und blutig. Immerhin. Ich rolle die Augen. Aber dann beschleicht mich so ein leicht unsicheres Gefühl. Ist das einfach nur schlecht? Irgendwas stimmt doch nicht.
Trailer zu Hard Powder
- ich unterbreche kurz, um mich mit Schokolade und anderen Lebensmitteln einzudecken. -
Der Film läuft noch nicht lang und scheint dem Ende aber schon nahe. Bisher scheinen sie ja keine Zeit zu verlieren. Was soll denn nun noch passieren? Nochmal 90 Minuten? Auch der Soundtrack schlägt irgendwie andere Töne an als gewohnt. Diese Zwischentitel irritieren auch. Da ist doch ein Muster zu erkennen, oder doch nicht? Und als es so weitergeht, tauchen immer mehr schrullige Nebenfiguren auf. Die Dialoge zünden richtig. Mir kommt sowas wie "Fargo" in den Sinn. Aber das kann nicht sein. In einem Satz mit diesem Film??
Und langsam, langsam dämmert es mir. Meine erste hämische Reaktion zu Anfang des Films scheint sich als wahr zu erweisen.
Dies ist kein einfacher Liam Neeson-Hau-Drauf-Film. Es ist eine wahrhaftige Liam-Neeson-Hau-Drauf-Parodie! Die über die ich schon oft scherzte. Diesmal richtig. Im Ernst! Sie meinen es wirklich so. Und auf einmal ist die Erleuchtung da und der Film öffnet sich mir nun in jeder Minute mehr. Und ich beginne es nicht nur zu belächeln, sondern wirklich zu lachen! Ist es brillant? Naja, soweit würde ich nun nicht gehen. Aber es funktioniert. Auf einmal erkenne ich die Ironie und den Witz und die vielen kleinen Umwege und Schlenker, die das Drehbuch nimmt, um dem Plot seinen Stempel aufzudrücken. Mein Gemüt entzückt regelrecht. Hätte ich es doch nicht für möglich gehalten. Ich bin bis zuletzt bestens unterhalten und zu guter Letzt entlässt der Film mich mit einem Knall.
Ich bin perplex. Der Film kann niemals so geplant gewesen sein. Ich muss direkt online nachschauen. War alles nur ein Unfall? Ich klickte mich zur Wahrheit durch. Aber nirgends wurde der Film als Komödie gelistet. Rätsel über Rätsel.
Und dann: Überraschung. Zu meiner Enttäuschung wohlgemerkt, erfahre ich - zu spät - dass es sich beim Film um ein Remake handelt. Vermutlich eines noch besseren Films. Plötzlich macht alles Sinn. Hätte ich das doch gewusst, hätte ich mir lieber das Original angesehen, denke ich... Doch je länger ich nachdachte (und ohne das Original zu kennen) dachte ich mir... ohne Liam Neeson ist der Film keine Parodie mehr. Diese Casting-Entscheidung hat dem Film vielleicht eine ganz neue Dimension geöffnet, die er sonst gar nicht hätte. So muss es sein! Das muss ich unbedingt bei Moviejones berichten. Das wird mir keiner glauben. Und so steht es nun geschrieben. Eine etwas andere "Kritik". Und ich verbleibe überrascht und gehe zufrieden ins Bett (was auch an I, Tonya liegt, den ich direkt im Anschluss schaute. Super Film!).
Manchmal wird man doch eines besseren belehrt. 3,5-4/5 Hüten.