Bewertung: 2.5 / 5
Illang ist ein Südkoreanisches Remake des japanischen Anime Klassikers Jin Roh. Hierbei wird die Grundprämisse ein bißchen auf das koreanische Publikum zugeschustert und es geht um eine Wiedervereinigungsbewegung vs. interne politische Machtkämpfe. Gepaart wird dies mit einer erwachseneren (sprich düstereren/pessimistischeren/nihilistischeren) Herangehensweise an das Rotkäppchen-Motiv. Mehr sollte man nicht über den Inhalt wissen, um ein gewisses Überraschungsmomentum nicht zu spoilern.
Jin Roh selbst ist wenn man wirklich ehrlich ist im Grunde genommen ein astreiner 6-7 Punkte B-Film mit deutlich mehr Potential, da er schon durchaus einige sehr gute Ideen hat, welche allerdings in dem (für japanische Verhältnisse quasi typisch-aufgesetzt) nüchtern nihilistischen Aufbau und der optischen Finesse dann doch untergehen. Gerade das Ende ist eines, dass geradezu danach schreit, 1-2 Punkte besser bewertet zu werden als es der Film eigentlich verdienen würde. So kommt es auch nicht von ungefähr, dass er meistens mit mindestens 8 Punkten bewertet und als Klassiker gilt. Vor allem aber auch wegen seiner optischen Vorreiterrolle. Wie gesagt, ich sehe ihn eher bei 6-7 Punkten.
Trailer zu Illang - The Wolf Brigade
Dennoch bedarf es schon einer gewissen Selbstsicherheit, als etablierter Regisseur sich an Jin Roh ranzuwagen und dann auch noch den Mumm zu beweisen, die Handlung komplett in einen anderen historischen Kontext zu setzen. Vor allem funktioniert dies auch in den Szenen, in denen immer wieder Reminiszensen an das geteilte Deutschland gezogen werden. Abseits dessen jedoch ist Illang aber in allen Belangen inhaltlicher Art ein riesiger Rückschritt für Kim Jee Woon.
Und hier kommt der bereits in meiner Überschrift angekündigte Quervergleich zu Park Chan-Wook ins Spiel als riesenlanger Exkurs ins Spiel:
Ich habe irgendwann mal bei einem selbsternannten Filmkritiker gelesen, dass es in Südkorea gerade zwei der interessantesten Regisseure weltweit gibt, der eine ist das Äquivalent zu einem Stanley Kubrick (Chan-Wook) und der andere ist das Äquivalent zu Ridley Scott (Jee-Woon), abseits dessen ist Südkorea recht normal. Nun ja, wenn man solche Namen wie Kim Ki-Duk, Bong Joon-Ho oder sogar Ryoo Seung-Wan, welche lediglich die Speerspitze der damaligen Kreativitätsexplosion in Südkorea darstellten als Normal ansieht, dannn ist man wohl als Kind in einen LSD-Topf gefallen. Fakt ist, dass neben den ganzen Strohfeuern mindestens 4 Regisseure sich (inter-)national und mittel- bis langfristig etablieren konnten, aber die bekanntesten waren tatsächlich Chan-Wook und Jee-Woon. Und wenn man es wirklich nur auf reine Oberflächlichkeit runter reduziert ist am Vergleich Kubrick und Scott durchaus was dran. Aber wo Chan-Wook wirklich ähnlich Kubrick menschliche Abgründe sezierte und mit seiner eigenen Sichtweise paarte, dabei aber nie vergass vorzügliche Werke abzuliefern (seine Rachetrilogie ist prinzipiell Pflicht für jeden Cineasten und eigentlich auch das erste und letzte Wort zum Thema Rache) war Jee-Woon tatsächlich der umtriebigere der beiden und fühlte sich in jedem Genre wohl, dabei aber auch nie vergessend betörend zu inszenieren und inhaltlich vieles dem Zuschauer zu überlassen (Sein Haunted House Meisterwerk A Tale of Two Sisters ist genauso ein Muss für Cineasten, wie sein Beitrag zum Rache-Genre I Saw The Devil, der nirgendwo auf der Welt einfach so durch irgendwelche Zensuren kam). Selbst sein Ausflug in die USA war einer der besten Schwarzenegger-Filme, die nie ein Publikum fanden, zu Unrecht! Der Mann kann jedes Genre. Und da ist natürlich ein Vergleich mit Scott natürlich leicht zu ziehen. Doch immer war Jee-Woon in seinen Filmen ein intelligenter Filmemacher, der sein Publikum forderte und dann auch belohnte - etwas was Scott eigentlich so nie gelingt, der alte Mann hat immer irgendwelche tollen Ideen, aber kann sie nie adäquat umsetzen. Was Chan-Wook aber von Jee-Won abgrenzt ist die Tatsache, dass Chan-Wook immer erkennbar Chan-Wook ist, egal wo die Inszenierung oder was der Inhalt. Was die beiden eint ist allerdings etwas, was so ziemlich allen Koreanern gleich ist, die betörenden Bilder und Arrangements. Und beide inszenieren in der Regel für ein erwachsenes Publikum, das mitdenkt. Bis heute kann man beispielsweise Oldboy und A tale of Two Sisters mindestens 10 mal schauen und es ergeben sich immer neue Perspektiven. Selbst der halb erfolgreiche The Good, The Bad, The Weird ist nicht so dumm dreist wie man annehmen könnte, dennoch funktioniert er nicht 100%-ig, vielleicht auch deshalb, weil der Mann es wagt sich mit Leones Übermeisterwerk zu messen.
Kommen wir wieder zu Illang:
Hier wandelt Jee-Woon erstmals auch inhaltlich auf Scotts Spuren, es werden einfach charakterliche Entwicklungen behauptet, die einfach inhaltlich Null Sinn ergeben, das alles wird in schöne Bilder gepackt, welche mich an die inhaltlichen Schwächen bei Blade Runner erinnern (wo auch einfach mal die Beziehung von Fords und Youngs Charakter forciert wurde) und so hangelt sich der Film von Stückwerk zu Stückwerk. Jede Einzelszene für sich genommen überzeugt, inszenatorisch hat er es ja sowieso drauf, aber als großes Ganzes verhaspelt er sich hier genauso wie der große englische Meister, den ich oft genug in den Augen vieler hier wohl schon angegriffen habe und daher teilweise rüde angegangen wurde.
Spätestens nach seinem Age of Shadows ist Jee-Woon im Kreise der etablierten Regisseure in seiner Heimat angekommen, der auch mal Stoffe verfilmt, die nicht mehr innovativ sind, sondern wirklich potentiell Blockbusterformat haben. Man kann über alls eine vorherigen Filme sagen was man will, aber es waren immer auch Nischenfilme gewesen. Mit Age of Shadows liefert er einen perfekten 4-Quadranten-Film ab, der auch sonst nichts anbrennen lässt. Mit seinem Jin Roh Remake entfernt er sich ein gutes Stück aus der Comfort Zone heraus, und macht auch noch den Fehler, inhaltlich zu holpern. Das ist zugegebenermassen etwas, was man ihm schon immer irgendwie ankreiden konnte, oft auch fahrlässig und falsch, aber in keinem seiner Werke war es so offenkundig wir hier. Dies läßt zum einen die Frage zu, ob die hier auf Netflix vorliegende internationale Fassung tatsächlich Jee-Woons nationale Fassung ist. Wahrscheinlich schon, denn der Film ist auch in Südkorea gnadenlos durchgefallen. Und zum anderen macht er aber gerade bei einem Remake eines Werkes wie Jin Roh den Fehler, plötzlich ein humanistisches Element finden zu müssen. Das ist menschlich, da gewinnt der etablierte Mainstreamregisseur die Überhand, aber im gegebenen Sujet ist es irgendwie nicht wirklich der richtige Platz.
Also dann: Illang ist nicht der erhoffte große Wurf, er bewegt sich inszenatorisch absolut auf der Höhe der Zeit und ist über jeden Zweifel erhaben. Inhaltlich ist aber mehr als nur ein bißchen im Argen, die Charakterentwicklung ist forciert und das Ende wird der Grundausrichtung der Vorlage nicht gerecht. Ich würde von einem Scheitern auf hohem Niveau sprechen (etwas was der Mann mit Scott gemein hat).
6 Punkte (sicher nicht weniger, aber auch nicht mehr)