Bewertung: 4 / 5
Die Erde steht einer großen Bedrohung bevor, denn die Marsianer erreichen die Erde und scheinen nicht mit friedlicher Absicht gekommen zu sein. Der amerikanische Präsident James Dale (Jack Nicholson) versucht zunächst noch, die Angreifer friedlich zu begrüßen, doch der Plan misslingt. Unterdessen entführen die Außerirdischen Professor Donald Kessler (Pierce Brosnan) und die Reporterin Nathalie Lake (Sarah Jessica Parker), um an ihnen Experimente vorzunehmen. Dale glaubt weiterhin an ein Missverständnis und versucht die vermeintlichen Kommunikationsprobleme beider Völker zu beheben.
Um die Geschichte um Mars Attacks! zusammenzufassen, braucht es wirklich nur wenige Worte. Kurz um: Aliens kommen. Die Menschheit verteidigt sich. Doch man sollte diesen Film nicht auf die Geschichte reduzieren, weil es darum wie so häufig eigentlich nicht geht. Tim Burton hat in den 1990er Jahren seine Zeit damit verbracht, Hommagen an längst vergangene Tage zu drehen. So war es mit Ed Wood (1994). So war es mit Sleepy Hollow (1999). Und so ist es mit auch Mars Attacks!. Dabei erkennt man sofort, an welcher Epoche der Film sich am meisten bedient und es liegt nahe, daß der Science-Fiction-Kultfilm Plan 9 aus dem Weltall (1959) hier mit als Hauptinspirationsquelle diente. Daß nun die gesamte Welt von einem Alienbesuch bedroht wird, führt natürlich dazu, daß viele unterschiedliche Perspektiven im Film gezeigt werden. Und das macht tatsächlich auch ein großes Problem am Film aus, weil das Werk dadurch für einen nicht unwesentlichen Anteil auch den Fokus verliert. In Windeseile wechselt das Bild von Präsidenten, zu einem ehemaligen Boxer, der nun in Nevada in einem der Casinos angestellt ist, hinüber zu einem jungen Mann, der seine Familie beschützen möchte und so weiter und so fort. Dabei verliert man als Zuschauer aber leicht die Übersicht, weil der Film gerade für diese Aspekte viel zu wenig Zeit aufwendet, sodass etwaige Nebencharaktere gar für einen Großteil des Films dann komplett verschwinden.
Doch darüber kann man leicht hinwegsehen, weil es für diesen Film natürlich primär um eine Sache geht, nämlich eine Invasion. Und wenn man diesen Gedanken im Hinterkopf behält, so sind die Subplots fast schon irrelevant. Das mag absonderlich anmuten, weil der Film es auf dieser Ebene nicht schafft, den Zuschauer bei Laune zu halten, oder zur Genüge zu erklären. Dennoch ist es gar nicht wichtig und was vor allem im Fokus steht, ist doch der Konflikt zwischen Irdischen und Außerirdischen. Und gerade in diesen Momenten schafft es Tim Burton genau das zu liefern, was seine Kunst ausmacht. Die Kombination zwischen völliger Absurdität, großartigem Subtext, aber auch optischer Opulenz gelingt in allen Maßen. Es ist und bleibt ein Rätsel, wie Burton seine Außerirdischen so dermaßen klischiert und gleichzeitig grotesk in Szene setzen kann, ohne daß man dem Film seine Glaubwürdigkeit abspräche. Im Prinzip ist so ein Film zum Scheitern verurteilt, weil er ein völlig absurdes Konzept zum Thema macht und sich dessen aber auch bewusst ist. Daß ist Ironie, wie sie im heutigen Hollywoodkino keinen Platz mehr findet. Denn während Charaktere in modernen Filmen nur noch feststellen, wie absurd die Situation gerade ist, lässt dieser Film seine Figuren aber nie aus der Rolle fallen. Es ist klar, wo die Figuren stehen und wer sie sind. Da gibt es dann eine Überraschung, wenn die Geschichte es zulässt, nicht aber, weil die Charaktere jetzt mal aus ihrer eigenen Rolle fallen müssten.
Natürlich räumt der Film dabei auch gekonnt mit dem amerikanischen Patriotismus auf, der gerade auch in den 1990er Jahren durch Regisseure wie Roland Emmerich oder Michael Bay extrem präsent war. Klar wurde das vor allem durch die Kalter Krieg-Filme von Sylvester Stallone und anderen Vertretern ziemlich in den Vordergrund gerückt, aber es passte auch noch ziemlich gut in diese Phase. Daß etwa kein anderes Land abseits den USA in diesem Konflikt eine Rolle spielt, liegt nicht etwa daran, daß das Drehbuch von Jonathan Gems hier nur die USA als Nation wahrnehme, sondern ist mit dem Narzissmus in Teilen dieser Kultur begründet. Da gibt es dann nur ein Land, daß wichtig ist. Nur ein Präsident, zu dem alle wollen. Und natürlich landen die Aliens auch erstmal in den USA. Über andere Perspektiven verfügt dieser Film nicht und das ist nur der Anstoß für weitere Kritiken am vorherrschenden System. Natürlich muss auch die Frage gestellt werden, warum Aliens nun ausgerechnet die Orte angreifen, die sie angreifen. Da wird dann unter anderem Las Vegas zum Ziel und es ist eine starke Vermutung, daß gerade das Kapital hier auch angegriffen werden soll. Der Kapitalismus also wieder. Das ist nicht subtil, aber um ehrlich zu sein, ist ein Film, indem klischierte böse Aliens die Erde angreifen und sich mit Menschen bekriegen, etwa subtil? Natürlich nicht und somit fügt sich diese idiologische Kritik sehr gut mit dem Gesamtkonzept des Werkes. Interessant dabei ist vor allem, daß die aktiven Gruppen in diesem Krieg natürlich wieder aus der finanziellen Unterschicht kommen. Der Held der Arbeiterklasse, der in stockkonservativen Filmen der genannten Regisseure gerne für den Status-Quo operiert, wird hier erneut zum Kämpfer, während sich das Weiße Haus adrett auf die Ankunft der Außerirdischen vorbereitet.
Auf schauspielerischer Seite versteht sich der Film vor allem aber als Ensemble-Film, der Künstlerinnen und Künstler in Rollen steckt, wodurch das Who-is-Who im Film beginnt. Von Jack Nicholson als entnervtem Präsidenten, über Martin Short als skurillem Pressesekretär hinüber zu Michael J. Fox, Pierce Brosnan, Jack Black oder Danny DeVito versammelt der Film natürlich Charaktere in gewohnten Gefilden. Das macht Spaß und sorgt auch dafür, daß die Überfrachtung der Figuren wesentlich leichter vonstattengeht. Dazu untermauert der Film mit diesen gekonnt inszenierten einzelnen Episoden über die gezeichneten Akteure, die vor allem im Kern ein wenig an Full Metal Jacket (1987) aber auch X-Men: Apocalpyse (2016) erinnern, seinen Standpunkt und sogt rein technisch immer für Abwechslung. Für viele dürfte natürlich die Ausbreitung der Geschichte zu wirr oder zu unfokussiert wirken, gleichsam verbreitet das aber auch eine große Freude, weil der gesamte Film sich auf eine unpenetrante Weise leichtfüßig anfühlt.
Natürlich suchen Menschen dann nach einer Begründung, mit welcher die Aliens die Erde angreifen und sich zu Herrschern ernennen wollen. Doch diese bleibt außen vor, was natürlich den Menschen als ewig suchendes Wesen so ein wenig in eine Zwickmühle verfrachtet. Und es könnte sogar sein, daß die Charaktere, die menschlichen Wesen diesen Umstand einfach auch selber aufgrund einer narzisstischen Inkompetenz befördern. Das Missverständnis ist natürlich als Stilmittel nicht immer zündend, was dieser Film aber ebenso gekonnt parodiert und damit eigentlich auch einen pazifistischen Weg für sinnvoller hält. Dadurch mündet der Film ebenso in eine herrlich schräge Farce, über die Erkenntnis keiner Erkenntnis.
Wie reagiert man, wenn der Mars angreift? Diese Frage beantwortet Mars Attacks! Gleich auf mehreren Ebenen, was den Film zu weilen ein wenig zu weit ausholen lässt. Dutzende an Figuren, gespielt von dutzenden Stars. Das ist natürlich ein großes Fass, über das der Film aber leicht hinwegtrösten kann, weil er auf anderen Ebenen eben Quatsch mit echter Gesellschaftssatire verbinden kann. Diese wird dann vom Unerwarteten serviert, weil niemand so recht erahnt, wohin die Reise gehen wird. Burton gelingt somit ein Kunstwerk auf mehreren Ebenen und hebt sich durch seinen sehr eigenen Stil damit erneut von der Masse ab.