Bewertung: 3 / 5
Agathe (Isabelle Huppert) ist entsetzt: Eben noch hat sie in ihrer Galerie über Kunstfotografie diskutiert, und jetzt streckt ihr daheim ein elender Proll sein wenig ästhetisches Bauarbeiterdekolletee entgegen. Der Übeltäter: Patrick (Benoît Poelvoorde), Teilzeithandwerker und Vollzeitversager. Er soll eigentlich nur ein Ankleidezimmer in das Luxusappartement einbauen, das die Galeristin mit Freund und Sohn teilt. Doch nach und nach macht er sich nicht nur in der Wohnung, sondern auch in ihrem Leben breit. Wer der Realität verhaftet ist, weiß: Das kann nicht funktionieren. Wer aber die romantische Komödie kennt, weiß: Das muss funktionieren! Und so wird Patrick für Agathe schon bald Mein liebster Alptraum.
Gegensätzlicher könnten die beiden kaum sein: Sie ist kühl, kontrolliert und geistvoll, er dagegen laut, zügellos und obszön. Dass die beiden es überhaupt miteinander zu tun bekommen, liegt an Agathes Lebensgefährten François (André Dussollier). Der Verleger ist fasziniert von dem Rüpel, der eines Tages im intellektuellen Idyll auftaucht, weil sein Sohn sich mit dem des Paares angefreundet hat. Für den erfolgreichen François ist der lebensuntüchtige, aber -frohe Patrick ein Kuriosum, das sich zu studieren lohnt. Alsbald hat Patrick seinem neuen Kumpel eine Affäre vermittelt und macht sich dann daran, ihm die Partnerin auszuspannen.
Dass die Figuren nicht bloße Klischee-Schablonen bleiben, verdankt die französische Regisseurin Anne Fontaine ihren Hauptdarstellern. Eigentlich hat Isabelle Huppert schon allzu oft die kunstsinnige Zicke gegeben, doch diesmal darf sie sie heftig überzeichnen und tut das mit Genuss. Gleichzeitig besitzt ihre Agathe aber auch eine Tiefe und Verletzlichkeit, die sie über eine Karikatur hinaushebt. Benoît Poelvoorde wirft sich mit Verve in die Rolle des Proleten, der ständig dem Rausch hinterherjagt, um den unvermeidlichen Kater noch ein bisschen hinauszuzögern. Und André Dussollier verleiht seinem Salonsozialisten genau die richtige Mischung aus Gutmenschentum und Charakterschwäche.
Allein: Die bei all ihren Macken sympathischen Charaktere können nicht über die Schwächen des Films hinwegtäuschen. Zu unentschlossen geht Regisseurin Anne Fontaine mit ihrer Geschichte um. Sie verliert zwischen sozialkritischen Einschüben gelegentlich die Richtung aus den Augen und mutet ihren Figuren nach dem durchaus amüsanten Beginn ein paar Wendungen zu viel zu. Dazu gehört auch ein Ausflug nach Belgien, wohin der verantwortungslose Patrick zwischenzeitlich vor seinen Vaterpflichten flüchtet. Ein paar Belgierwitze sind derzeit wohl Pflicht in einem Film mit Poelvoorde, dem Paradebelgier des französischen Kinos ("Nichts zu verzollen"). Für deutsche Zuschauer ist das aber nur bedingt nachvollziehbar.
Mein liebster Alptraum bekommt 3 von 5 Hüten.
(Quelle: teleschau - der mediendienst | Sabine Metzger)