Bewertung: 2.5 / 5
Wenn Wilee (Joseph Gordon-Levitt) in Premium Rush voll in die Pedale tritt, schafft er bergab eine Geschwindigkeit von bis zu 60 Stundenkilometer. Mit dem Kopf ist der Fahrradkurier aber wohl noch schneller. Einen Kinderwagen rammen, gegen einen Lastwagen prallen, einen Zusammenstoß zwischen Taxi und Sportwagen hervorrufen - in Sekundenbruchteilen erfasst er die Gefahren im Verkehrschaos von New York und schlängelt sich haarscharf und rasant an ihnen vorbei. Doch als er diese Fähigkeit am meisten braucht, versagt sie.
Ein Moment der Unachtsamkeit, und Wilee wird durch die Luft geschleudert. Hart schlägt er mit dem Hinterkopf auf den Asphalt. Außer dem Krankenwagen trifft am Unfallort auch der Polizist Bobby Monday (Michael Shannon) ein. Schon den ganzen Tag hat er Wilee durch die Stadt gehetzt. Mit dem wertvollen Brief, den Wilee bei sich hat, will Monday seine Spielschulden begleichen. Doch einen kleinen Jungen am anderen Ende der Welt würde das die Freiheit kosten. Wilee weiß das inzwischen - aber was kann er jetzt noch tun?
Trailer zu Premium Rush
Der Actionthriller Premium Rush ist nach dem chaotischen Fahrradkurierdienst benannt, für den Wilee im Höllentempo kreuz und quer durch New York strampelt. Nicht aus wirtschaftlicher Not, wie seine Kollegin und Immer-mal-wieder-Freundin Vanessa (Dania Ramirez), sondern aus Leidenschaft und echter Überzeugung. "Den größten Genuss vom Dasein einzuernten, heißt: gefährlich leben" - diesen Nietzsche-Spruch könnte sich Wilee als Maxime in sein geliebtes Fahrrad eingravieren, das, wie er stolz betont, weder Gangschaltung noch Bremsen besitzt.
Verkörpert wird der Zweirad-Extremsportler von Joseph Gordon-Levitt. Nach größeren Rollen in Inception, The Dark Knight Rises und Looper ist der 31-Jährige momentan einer der angesagtesten jüngeren Hollywood-Schauspieler. Gerade hat er einen komplett eigenen Film mit sich als unersättlichem modernen Don Juan in der Hauptrolle abgedreht. Für Premium Rush ging wenig Energie in die Liebesgeschichte, dafür aber umso mehr ins Pedaltraining: Gordon-Levitt verbrachte sechs Wochen lang fünf Tage auf dem Rad, um Zwölf-Stunden-Drehtage durchzustehen.
Ob sich die Mühe gelohnt hat, darf bezweifelt werden. Die Resonanz auf Premium Rush in den USA fiel denn auch verhalten aus. Vielleicht, weil der Fun-Faktor eine zu große Rolle spielt. Die Story lässt sich eigentlich ganz gut an. Wilee soll für Vanessas Mitbewohnerin, die aus China stammende Studentin Nima (Jamie Chung), einen wichtigen Brief in spätestens anderthalb Stunden abliefern. Kaum hat er ihn an sich genommen, fordert der Polizist Monday dessen Herausgabe. Aber Wilee wird misstrauisch. Er weigert sich - und muss sein Bestes geben, um nicht unter die Räder von Mondays Dienstwagen zu geraten.
Das könnte visuell aufregend sein, ist es aber nicht. Freunde von Klassikern wie Speed dürften darben. Auch die Fantasie der Set-Designer für den Hindernisparcours erschöpft sich schnell. Schmissige Rockmusik als Untermalung macht das nicht wett. Die immer wieder eingeschobenen animierten Stadtpläne und das unaufhörliche Headset-Gequatsche der Kuriere zerstreuen die Aufmerksamkeit statt sie zu bündeln.
Ein Actionthriller braucht nun mal Konzentration auf das Wesentliche. Umso schwerer wiegt der Fehler von Regisseur und Co-Autor David Koepp, den Blickwinkel von Wilee zu verlassen. Unvermittelt und quälend langatmig wird erzählt, wie es zu Mondays Spielverlusten kam. Immerhin beginnt man zu begreifen, dass Nimas Brief mit einem Kind zu tun hat, das aus China herausgebracht werden soll. Das komplizierte Menschenschmugglersystem, das dahintersteht, hat man aber nach Tagen noch nicht verstanden. Wenn dann auch noch Gegenwart und Vergangenheit ununterscheidbar werden, hat ausgerechnet Koepp, einer der führenden Drehbuchautoren Hollywoods, der an Jurassic Park und Spider-Man mitschrieb, sein Publikum völlig verwirrt.
Premium Rush bekommt 2,5 von 5 Hüten.
(Quelle: teleschau - der mediendienst | Andreas Günther)