Bewertung: 2.5 / 5
Während des Dritten Kreuzzugs kämpft der Englische König Richard Löwenherz (Danny Huston) fernab der Heimat auf einem Feldzug gegen die Franzosen. Als Löwenherz auf dem Schlachtfeld stirbt, wird sein egomaner und inkompetenter Bruder John (Oscar Isaac) König von England. Unterdessen gelangt der Bogenschütze Robin Longstride (Russell Crowe), mit seinen Mitstreitern Little John (Kevin Durand), Will Scarlett (Scott Grimes) und Allan ADayle (Alan Doyle) zurück in die Heimat, wo er Sir Walter Loxley (Max von Sydow) und der Ehefrau Lady Marion Loxlay (Cate Blanchett) von dem Tod ihres Mannes Sir Robter Loxlay (Douglas Hodge) unterrichtet.
Unzählige Male, in unzähligen Versionen wurde der englische Mythos Robin Hood über die Filmgeschichte hinweg bereits verfilmt. Mal als wegweisender Technicolor-Film, mit einem Hollywoodstar der goldenen Ära der Traumfabrik. Mal als Zeichentrickfabel, daß sich im Zuge einer turbulenten Produktionsgeschichte in eher unvollständig anfühlenden Liedern verliert, mal als Starvehikel, für eine Ikone der 1990er Jahre, die aus unerfindlichen Gründen tatsächlich mal einer der Kassenmagneten in Hollywood war, mal als Persiflage auf eben diese Produktion und seinen Hauptdarsteller, mal als vermeintlich trendiger Anbiederungsversuch an ein modernes, Blockbuster-Publikum, daß in endlosen, hektischen Szenen jedwede Koordination vermissen lässt und mal als Version eines britischen Großmeisters des Kinos, der zum fünften Mal mit einer weiteren Hollywoodikone zusammenarbeitete. Eben jenes Werk ist Robin Hood aus dem Jahr 2010.
Trailer zu Robin Hood
Nun gilt dieser Film nicht unbedingt zu den Sternstunden der Zusammenarbeit von Russell Crowe und Sir Ridley Scott, die nach Gladiator (2000), Ein gutes Jahr (2006), American Gangster (2007) und Der Mann, der niemals lebte (2008) zum fünften Mal miteinander arbeiteten. Klar ist Russell Crowe schauspielerisch über jeden Zweifel erhaben, wie er auch eindrucksvoll in einigen der genannten Werke, aber eben auch unter der Regie von Ron Howard, Peter Weir oder Shane Black zum Ausdruck brachte. Ein vielseitiger Schauspieler, der natürlich auch nicht zuletzt für dieses Talent mehrfach geehrt würde. Das interessante hierbei ist, daß Crowe eigentlich den Kontrast aus Feinfühligkeit in ruhigen Momenten, aber auch purer Härte in Actionsequenzen meistern kann. Doch hierbei tut sich schon das erste große Problem dieser Inkarnation von Robin Hood auf. Denn Crowe fehlt es eindeutig daran, diesen Robin Hood mit Charme zu erfüllen. Die Figur lebt nicht zuletzt auch dadurch, daß sie eine gewissen Moral und Naivität, gleichsam aber auch einen gewissen Witz in die Welt trägt. Doch dieser kommt im Film mal so gar nicht rüber, und so bleibt Robin Longstride den gesamten Film über ziemlich klar und stoisch in seiner Wahrnehmung und Verarbeitung der Umwelt.
Tatsächlich beißen sich auch so ziemlich alle anderen Kernelemente, die Robin Hood ausmachen, mit dieser Interpretation des grüngekleideten Mythos. Denn nicht nur ist es die Darstellung von Crowe, die nicht wirklich zum eigentlichen Charakter passen zu scheint, sondern auch das Drehbuch, daß hier vor allem an einigen Stellen krankt. Das beginnt schon bei der Etablierung der Hauptfigur, die hier weder etwas besonders edles hat, noch an höhere Ansprüche für die Bevölkerung denkt. Dieser Robin Hood denkt zunächst an sich selbst, wodurch er etliches an Charisma einbüßt und auch seine Beweggründe so gar nichts Nobles mehr haben. Fast schon zufällig steigt Robin Longstride, der im Film eigentlich nie als Robin Hood zu verstehen ist, zum größten Widersacher der falschen englischen Krone auf. Der starke Kontrast der Legende um Robin Hood macht ja vor allem eben auch die Tatsache aus, daß er als Adliger – der zwar seinen Titel unberechtigter Weise verliert – eben als Bindeglied zwischen Adel und Bevölkerung fungiert. Er bekämpft das System quasi von einem anderen Blickwinkel heraus und somit von Innen heraus. Davon ist in Scotts Film allerdings nichts zu sehen und so bleibt auch die eigentliche Entwicklung der Figur auf der Strecke, weil sie eben zu Beginn, wie auch zum Ende hin eigentlich immer den gleichen Charakter hatte.
Ebenso etabliert der Film Robin Hoods Kumpane als simples Rag-Tag-Team, welches er mal ganz nebenbei auf dem Schlachtfeld einsammelt. Zwar werden die Figuren nicht wie in Robin Hood – König der Diebe (1991) mit stellenweise sinn- und zusammenhangslosen Subplots überfrachtet, dennoch scheint ihre Eigenschaften auf ein Minimum heruntergefahren zu werden, da sie in der eigentlichen Handlung sowieso keine Rolle spielen. Da werden dann wahllos Namen wie Little John oder Will Scarlett in den Raum geworfen, doch eine wirkliche Persönlichkeit bekommen sie im gesamten Film dadurch nicht. Doch nicht nur Robin Hoods Kumpane werden von der Seelenlosigkeit des Drehbuches ereilt, auch die Figuren der anderen Seite bekommen kaum Leben. Zwar tauchen hier und da klassische Robin Hood Figuren wie der Sherif von Nottingham auf, dennoch schafft der Film es nicht den Figuren irgendeine Form von herausstechender Charakteristik oder Einprägsamkeit zu verpassen.
Doch das ist gleichsam dem Umstand geschuldet, daß der Film seine Hauptausgabe darin sieht, daß Mittelalter und die Struktur des Feudalismus im Allgemeinen anzukreiden. So zeigt der Film auf, wie schlecht grundsätzlich das Ausbeuten Derjenigen ist, die nicht mit blauem Blut geboren werden. Das zur Schau stellen einer Welt, die hier nur darauf beruht, daß einzelne Herrscher sich in ihrer vermeintlichen Ehre gekränkt sehen und darin die Begründung eines Kriegs rechtfertigen. Das ist das paradoxe an diesem Robin Hood, denn ohne ein bisschen naive Romantik kann Robin Hood gar nicht funktionieren. Das Stigma des rechtmäßigen, guten Königs schafft der Film ab und etabliert auch Richard Löwenherz als wahrlich unangenehme Person. Das mag für einen Historienfilm funktionieren, beißt sich dennoch abermals mit der pathetischen Grundhaltung, die die Sagengestalt zu diesem Thema in der Regel einnimmt. Denn im Endeffekt kämpf der Charakter dann für gar Nichts, wenn ein böser Herrscher durch den nächsten, immer und immer wieder ausgetauscht wird.
Ohnehin ist auch die Dämonisierung von Johann Ohneland, oder auch Prinz John genannt ein wenig problematisch. Denn während der Film eben den einen Herrscher als Prolligen Tyrannen zeichnet, wirkt der andere zwar trotz seiner Inkompetenz, immer noch als rational, logisch Handelnder Herrscher. So ist es völlig natürlich, daß ein Krieg eben kostet und das daher auch höhere Steuern und weitere Abgaben erhoben werden müssen. In seinem Versuch das Land vor dem Bankrott zu retten, wendet Ohneland hier sicherlich fragwürdige Methoden an, dennoch müssen diese angewandt werden, um das Land zu retten. In jedem anderen Film wäre so eine Herangehensweise sicherlich ein Gewinn für die Durchleuchtung einzelner Heldenmythen, doch in diesem Fall braucht es ganz klar simple und einfache Feindbilder, weil sonst die Verarbeitung des Gezeigten und die Figur um Robin Hood eben nicht mehr als noble, systemkritische und zeitlose Heldengestalt funktioniert. So ließe sich die Thematik um Robin Hood auch sicherlich in die moderne Verfrachten, und dennoch fehlt es hier eindeutig an dem Können, um entweder die richtigen Figuren zu kritisieren, oder das System als Solches konsequent zu analysieren. So spielen auch wirtschaftliche Zweckehen, oder das Leben auf dem Land eine nicht unwichtige Rolle im Film, dennoch schwingt der Film zu sehr die Moralkeule und sieht den Feind in nur einer Personalie.
Gleichsam lässt der Film sich auch nicht ganz verteufeln, so sind auch einige Aussagen zu der systemischen Handhabung im Mittelalter mehr als nur treffend gezeichnet. So möchte man im Kern schon zustimmen, wenn der Film behauptet, daß der Lebensstil einiger Weniger, auf der Ausbeutung vieler mehr beruht. Wo sich das in unserer aktuellen Gesellschaft überall anwenden ließe, erspare ich allen an der Stelle mal.
Interessant ist zudem die Darstellung der Lady Marian in diesem Robin Hood. So zeigt der Film auf, wie schnell sich der gesellschaftliche Stand einer Frau zu dieser Zeit ändern kann, wenn der Mann verstirbt. Nun ist diese Problematik alleine schon etwas, was auch noch etliche Hundert Jahre nach dem historischen Kontext von Robin Hood auf unsere Gesellschaft anwendbar ist, gleichsam definiert der Film Marian auch als eine Frau, die wenig von den Strukturen, in welchen sie gefangen ist, hält. So tut der Film zwar für seinen eigentlich Kern gut daran Marion als unabhängige starke Frau zu skizzieren, gleichsam analysiert und kritisiert der Film hier abermals die Struktur hinter dem Mittelalter und verliert sich hier eben auch in seinem ständigen Fingerzeig. So wird Marion einerseits zu spät im Film überhaupt erst thematisiert und andererseits kann man dem Film somit diese vermeintliche Romanze, und damit einen Teil der eigentlichen Fallhöhe hinter dem Drama nicht im mindesten Abkaufen. Doch das will der Film auch gar nicht zeigen und so ist die Interpretation ihrer Figur im Vergleich zum restlichen Film stimmig, im Vergleich aber zur eigentlichen Bedeutung der Figur nicht im mindesten. Auch hier hätte dem Film vielleicht etwas mehr Ambivalenz in der Darstellung gut getan.
Überdies kann der Film mit den üblichen Stärken eines Ridley Scott Films aufwarten. So sehen wir große, aufwändige Schlachtszenen, die aber leider auch im Vergleich zu anderen groß bebilderten Ridley Scott-Szenen jener Art von einer gewissen Substanzlosigkeit getragen werden. Das liegt zum einen daran, daß die Bilder wenig Abwechslung bieten und dadurch etwas monoton werden. So gibt es hier den ein oder anderen Bogenschuß, während dann schließlich hauptsächlich mit einem Schwert gekämpft wird. Zum anderen wirken die Fronten hinter den Heeren auch etwas gesichtslos. Dafür gibt es im Grunde auch mehrere Möglichkeiten, die sich in ihrer Ausführung aber dann auch widersprechen dürften. Zum einen wäre hier zu nennen, daß man ob der Fülle an gezeigten Charakteren zwar einerseits den Fokus leicht verlegen kann, aber auf der anderen Seite somit keinen festen Ankerpunkt zum Verfolgen hat und somit nur das Gefühl einer großen Schlacht vermittelt bekommt. Zum anderen könnte es aber auch daran liegen, daß die Figuren als solche nicht genug ausgearbeitet wurden und man sowieso schon von vorne herein das Gefühl hat, daß es irgendwie egal ist, was mit den Charakteren passiert. Im Kern sind diese großen, monumentalen Bilder durchaus von einer gewissen Kraft, doch diese schafft es nicht zur Gänze auf den Zuschauer überzuspringen.
So verbleibt man bei Robin Hood mit einem unausgegorenen Gefühl. Die grundsätzliche Idee ist zwar einerseits innovativ und auch die Umsetzung bedient sich vielerlei Kniffe, die man zumindest als neu einstufen kann. Doch ist neu grundsätzlich auch gut. Diese Frage lässt sich in diesem Falle zu weiten Teilen mit einem klarem "Nein" beantworten, weil der Film einerseits eine wirkliche Wende für den Mythos bedeutet und auf der anderen Seite vielleicht auch zu wenig Liebe für den Stoff als solches übrig hat. Dadurch kommt auch viel weniger Spannung auf, weil die Schicksale einzelner Figuren zu weiten Teilen, im weiteren Verlauf auch bloße Behauptung bleiben.