
Bewertung: 4 / 5
"It’s a very personal movie. I love it. I call it a "fairytale for troubled times" because it’s an ointment against the world, where we’re waking up every morning with worse news." - Guillermo del Toro -
"Shape of Water" ist zu großen Teilen ein gutes, altes Hollywood-Märchen angereichert mit bekannter Handlung, diversen Klischees und nostalgischer Verklärung des Hollywoods der 60er Jahre; dass dieser Film bei den Oscars zum Besten Film gekrönt wurde, war im Nachhinein betrachtet gerade zu absehbar. Überraschenderweise teilt "Shape of Water" dabei viele Gemeinsamkeiten mit Damien Chazelles "La La Land", zuletzt gibt es sogar eine Musicaleinlage.
Abseits davon zeigt sich die Qualität des Films in zwei Dingen:
Trailer zu Shape of Water - Das Flüstern des Wassers
Zum Einen kreiert Märchenonkel Guillermo del Toro aus überragendem Szenenbild, Kostümen, Effekten und dem Soundtrack aus der Feder von Alexandre Desplat ein hochatmosphärisches und phantastisches Liebesmärchen. Er setzt auf kreative Spielereien und Szenenübergänge, "Shape of Water" ist nicht nur der Titel, sondern spiegelt sich abseits des Inhalts auch im Bild wieder. Mir persönlich geht dabei das Herz auf!
Auch wenn der Film (unfreiwillig) an "Die Schöne und das Biest", "E.T." oder "Free Willy" erinnert, sollte man "Shape of Water" nicht mit einem Kinderfilm verwechseln, dafür beschäftigt sich Del Toro zu offen mit Gewalt und Sex(ualität). Eben ein Märchen für Erwachsene. Welche Filme ich mir nun aber noch ansehen müsste, sind Del Toros Hauptinspirationsquelle "Der Schrecken vom Amazonas" und "Die fantastische Welt der Amélie", der von einigen "Shape of Water"-Kritikern als der geistige Vorreiter und bessere Film angesehen wird.
Zum Anderen richtet "Shape of Water" abseits des konservativen Hollywood-Märchens und der nostalgischen Verklärung allerdings auch einen progressiven Blick auf die heutige Gesellschaft und das heutige Hollywood. Sally Hawkins und Octavia Spencer spielen mit Elisa Esposito und Zelda Fuller zwei selbstbewusste Frauen, Elisa wird zudem als sexuell aufgeschlossen und emanzipiert dargestellt. Ihnen gegenüber steht Michael Shannons rassistischer, faschistischer und frauenverachtender Richard Strickland, der Typus Mann, der gerade in Hollywood zuletzt für großes Aufsehen sorgte. Guillermo Del Toro positioniert sich mit "Shape of Water" also gegen die Harvey Weinsteins dieser Welt.
Anhand des Nebenhandlungsstrangs um den homosexuellen Giles (Richard Jenkins) deutet "Shape of Water" erschreckend darauf hin, dass Homophobie und Rassismus nicht nur am gesellschaftlichen Rand sondern auch in der Mitte und im Bildungsbürgertum verankert sind. Ein Barkeeper, den Giles als langjährigen und intellektuellen Gesprächspartner schätzt, zeigt sein wahres Ich, als ein schwarzes Paaar seinen Laden betritt und sich Giles als schwul offenbart.
Fazit: Sicherlich ist "Shape of Water" nicht der "Beste Film" bei den Oscars 2018 geschweige denn des Filmjahres 2017, aber doch schon ein sehr guter und sehenswerter und für Fantasyfans ein absolutes Muss!
Es ärgert mich, dass man sich für manche Kritiker als "konservativer und naiver Gutmensch" offenbart, weil man einen Film mag, der seine humanistische und progressive Botschaft als Märchen verpackt. Seit wann haben Märchen den Anspruch, realistisch zu sein und in charakterlichen Graustufen zu arbeiten?
