Bewertung: 5 / 5
Heute verfasse ich die bislang wohl schwierigste Kritik
meiner „Kritikerkarriere“ zu einem Western aus dem Jahr 1968 mit dem Titel Once
upon a Time in the West. Der Unter der Regie des Meisters des Spaghettiwesterns
Sergio Leone entstandene Film mit dem grandiosen Score von Ennio Morricone gilt
noch heute als Meilenstein des Genres und wird oft als einer der besten Western
aller Zeiten gehandelt.
[b][u]Inhalt:[/u][/b]
Ein einsamer Fremder, den alle aufgrund seines
Mundharmonikaspiels nur Mundharmonika nennen, hilft der frisch verwitweten Frau
des Farmers McBain gemeinsam mit dem sympathischen Banditen Cheyenne, ihre Farm
gegen den skrupellosen Eisenbahnmogul Morton und seinen Handlanger Frank zu
verteidigen. Dabei geraten alle Figuren in einen Strudel aus Rache, Habgier,
Selbstsucht und Tod. Viel mehr kann man eigentlich über die Handlung des Filmes
gar nicht sagen, ohne all zu viel zu verraten. Aber es ist weniger das [u]WAS[/u]
erzählt wird, sondern [u]WIE[/u] es erzählt wird, was diesen Film ausmacht.
[b][u]Kritik:[/u][/b]
Die Story von Once upon a Time in the West gibt wahrlich auf
den ersten Blick nicht all zu viel her. Trotzdem gelingt es Leone mit dem
eigentlich geringen Hintergrund so gekonnt zu spielen, dass dabei am Ende ein
beeindruckendes und stimmiges Ganzes entsteht. Getragen wird sein Konstrukt von
vier Kernfiguren, die allesamt gleichberechtigt auftreten und dem ganzen Film
eine Grundlage liefern.
[b]Figuren:[/b]
[i]Charles Bronson[/i]
spielt den schweigsamen Fremden, der von allen nur [i]Mundharmonika[/i] genannt wird. Eine enorme Ruhe zeichnet seine
Darstellung aus, die nur in wenigen Szenen durchbrochen wird, wenn gezeigt
wird, was unter der Oberfläche dieser Figur brodelt. Dann ist der ruhige Mann
kaum wiederzuerkennen, Gewalt bricht hervor und das wahre Naturell des
Mundharmonikaspielers tritt zutage. Allerdings sind diese Szenen in der
Unterzahlt, die meiste Zeit strahlt die Figur vorwiegend Ruhe und
Bedrohlichkeit aus. Stets mit Auftritten, die den Zuschauer nicht nur
überraschen, sondern die auch filmisch immer wieder gekonnt gelöst sind, hat diese
Figur etwas Geheimnisvolles an sich. Fast als wäre er ein entsandter Samariter,
der nur auftaucht um der Witwe McBain zu helfen. Was es später mit der Figur
auf sich hat, hat mit dem Bild des Samariters freilich nur noch wenig zu tun,
lässt sich aber ohne den Spaß an der Figur zu nehmen hier nicht nennen. Es sei
nur so viel erwähnt, keine der Figuren in diesem Film ist wirklich, was sie
scheint und da macht Mundharmonika keine Ausnahme. Bronson gelang mit diesem
Film der wirkliche Durchbruch. Sein kerniges Gesicht, die groben Züge und die
kleinen stierenden Augen machen aus ihm die ideale Besetzung für den
unbekannten Mundharmonikaspieler, der sich von Beginn an irgendwo zwischen gut
und böse einpendelt.
[i]Henry Fonda[/i] spielt
den Gegenspieler von Mundharmonika mit dem Namen [i]Frank[/i]. Fonda, der vorab im Grunde einer der Inbegriffe des
Westernhelden war, spielt hier einen Mann, dessen Seele so schwarz ist wie sein
Anzug. Bereits in seiner ersten Szene gibt er Befehl zur Erschießung einer
ganzen Familie, der Familie McBain. Fonda mit seinen Babyblauen Augen dabei zu
beobachten, wie er solche Taten vollbringt, trifft den Zuschauer ins Herz.
Besetzungstechnisch wurde hier im Grunde der Genrestandart verdreht. Wo sonst
in der Regel der kernige Bronson die Schurken spielt, ist es hier der alte
Symbolheld des Western Fonda, der das komplette Gegenteil dessen Mimen darf,
was ihn im Westerngenre bekannt und berühmt gemacht hat. Fondas Darstellung ist
über jeden Zweifel erhaben. Perfekt verkörpert er den gewissenlosen Mann, der
keine Ideale kennt. Auf eigenen Vorteil bedacht und nicht selten überaus
skrupellos wird die Antipathie gegen die Figur auf Seiten des Zuschauers immer
wieder mit der Beliebtheit Fondas abgewogen. Der Ausschlag geht jedoch über die
Dauer des Filmes klar auf die Seite der Antipathien gegen Frank, denn man kann
nicht umhin, diesen kalten und bösartigen Mann zu hassen.
[i]Claudia[/i] [i]Cardinale[/i] spielt die Witwe [i]Jill McBain[/i]. Die wunderschöne junge
Frau, die eigentlich aus New Orleans stammt und gemeinsam mit dem Farmer McBain
auf der Sweetwater-Ranch leben wollte, steht bereits zu Beginn des Filmes vor
dem Abgrund. Ohne Familie und völlig verlassen ist Jill im brutalen Westen
ziemlich verloren. Zudem stellt sich heraus, dass der Eisenbahnmogul Morton die
Ranch der Frau für sich beansprucht, da auf dem Land seine Eisenbahnlinie
verlaufen soll. Farmer McBain hatte den Plan, aus der Ranch eine Stadt mit
Eisenbahnstation zu machen und musste deshalb sterben. Diese unfreiwillige
Verstrickung bringt die Witwe in Lebensgefahr und verknüpft ihr Schicksal mit
dem des Mundharmonikaspielers. Cardinale mit ihren wunderschönen großen Augen
und dem unschuldigen Gesicht passt zunächst überhaupt nicht ins Bild des
Westerns. Sie wirkt ebenso deplaziert wie ihre Figur und weckt sofort den
Beschützerinstinkt. Die junge Frau stellt sich im Laufe des Films jedoch als
weit resoluter heraus, als man zu Beginn annehmen möchte und dieser Wandel wird
von Cardinale auch perfekt vermittelt.
[i]Jason[/i] [i]Robards[/i] ist der letzte der großen vier
Darsteller im Zentrum des Filmes und spielt den Outlaw [i]Cheyenne[/i]. Bereits sein erster Auftritt ist von Schüssen und Lärm
begleitet und lässt erahnen, dass dieser Mann keinen guten Umgang darstellt.
Wenn er in die Bar tritt, nachdem er sich aus dem Gewahrsam des Gesetztes
befreit hat, noch die Handschellen an den Gelenken, dann gebietet das
Ehrfurcht. Keine Figur sagt etwas, bis aus dem Dunkel die Mundharmonika ertönt
und die Spannung gelöst wird. Der 2000 verstorbene Robards ist heute den
meisten wohl noch bekannt aus seiner letzten Rolle als Krebskranker
TV-Patriarch Earl Patrige im Film [u]Magnolia[/u]. Er macht seine Sache überaus
gut und spielt den sympathischen Schurken überzeugend und bisweilen furchterregend.
Seine Figur hat noch am ehesten den Beigeschmack eines echten Westernhelden, da
er sich ohne offensichtliche Motive entschließt, der Witwe McBain gegen Morton
zu helfen und dieser Linie bis zum Ende treu bleibt.
Die wichtigste Nebenrolle hat [i]Gabriele[/i] [i]Ferzetti[/i] als
Eisenbahnmogul [i]Morton[/i]. Der an
Knochentuberkulose leidende Morton geht an Krücken und steht körperlich im
krassen Gegensatz zu seiner Machtposition. Als Mann im Hintergrund hat er
scheinbar die Kontrolle über Frank und steuert über ihn das Machtspiel um die
Sweetwater-Ranch. Er will das Land unter seine Kontrolle bringen, um so die
Eisenbahnlinie fertig zu stellen. Dabei ist ihm jedes Mittel recht. Die Figur
ist unsympathisch und bösartig und wird perfekt verkörpert. Ferzettis wohl
bekannteste Rolle hatte er neben diesem Film in James Bond im Geheimdienst
ihrer Majestät als Vater von Bonds Ehefrau Marc Ange Drago. Schauspielerisch
gibt es auch hier keinen Grund zur Klage, die Figur wird perfekt ausgefüllt.
[b]Die Musik:[/b]
Ennio Moriccones großartiger Score trägt einen Großteil zur
enorm dichten Atmosphäre des Filmes bei. Jeder Figur wird ein eigenes Thema
zuteil, dass seine Figur perfekt unterstützt.
Mundharmonikas Thema „Man with a Harmonica“ ist das wohl
bekannteste Thema aus dem Film. Unterlegt mit dem Mundharmonikaspiel des namenlosen
Fremden, welches die letzten Atemzüge eines Sterbenden suggeriert, bricht das
Thema immer wieder aus und bleibt geheimnisvoll und bedrohlich. Die perfekte
Untermalung für Bronsons Figur ist bis heute in die Annalen der Filmmusik
eingegangen und zählt als eine der bekanntesten Filmmelodien aller Zeiten.
Dieses Thema findet bis heute immer wieder in TV und Werbung Verwendung und ist
wohl das erste was vielen Menschen zu diesem Film einfällt.
Jills Thema ist ruhig, ergreifend und berührend. Es spiegelt
zugleich die Verletzlichkeit der Figur wie auch ihre grenzenlose Güte und
Hoffnung wider. Immer wieder wunderschön, treibt es einem regelrecht die Tränen
in die Augen. Die traurige und großartige Melodie verzaubert und ist wie ein
Spiegel Cardinales über die Musik.
Cheyennes Thema ist wie ein ruhiger Ritt und passt perfekt
zu der ungebundenen Figur. Im Film in verschiedenen Variationen, mal ruhig und
fast beschwingt, mal hart und treffend vertont, verkörpert diese Melodie
Robards Outlaw genau. Die Auftritte von Cheyenne erhalten durch dieses Thema
etwas fast humorvolles und geben der Figur auch zugleich eine Art
augenzwinkernde Komponente.
Franks Thema ist im Grunde immer wieder präsent und zieht
sich auch durch den gesamten Film. Im Grunde ist das Thema Franks das Thema des
Films. Hart, fast brutal trifft einen das bedrohliche Thema und vermittels
Franks Härte und Kälte. Die Figur gewinnt dadurch enorm an Bedrohlichkeit und
Intensität.
Insgesamt bietet der Soundtrack extrem gute Unterstützung
für den Film und verleiht ihm seine epochale Stimmung. Der Film wird durch die
kraftvollen Melodien in ruhigen und harten Passagen getragen und gewinnt sehr
viel Tiefe durch diesen perfekten Score.
___
Once upon a Time in the West gilt nicht zu unrecht als
Meisterwerk des Westernfilms. Leone hat hier so unglaubliche Bilder geschaffen
und sie gemeinsam mit Moriccones unvergesslichem Score zu einem Tanz des Todes
verknüpft. Die Bildgewalt ist überragend und die Intensität der Einstellungen
enorm.
Die Landschaftsaufnahmen pendeln zwischen endloser
Trostlosigkeit und einem Gefühl von Hoffnung immer wieder hin und her. Wenn der
raue Westen in seiner Weite gezeigt wird, fühlt man sich als Zuschauer
zwischenzeitlich sehr klein gegen diese gewaltige Landschaft. Aber auch in den
Innenräumen stimmt die Stimmung der Bilder vollauf. Zudem bietet der Film
einiges an mutigen Einstellungen, wie das extreme Close-Up auf Bronsons und
Fondas Augen gegen Ende, bei dem das gesamte Bild von ihren Blicken erfüllt
wird und der Film einen Höhepunkt an ungeahnter Bildintensität erreicht und
einen im übertragenen Sinne regelrecht anstarrt.
Die Ausstattung lässt auch nichts zu wünschen übrig. Ob nun
die Innensets oder die Außenbereiche, alles ist perfekt arrangiert und passt
genau und vermittelt den Eindruck von Authentizität bei dem was man sieht.
Überall finden sich allerlei Kleinigkeiten, die, wie man über die
Produktionsnotizen erfährt, von Leone akribisch positioniert wurden, damit die
Einstellungen auf den Punkt gelingen und wirken.
Dramaturgisch lässt sich der Film extrem viel Zeit. Die
Handlung entspinnt sich äußerst langsam und verleiht dem Film ein sehr
gesetztes Tempo. Allerdings ist das für die Erzählung und ihre Spannung sehr
förderlich. Immer wieder erfährt der Zuschauer neue Details und Hintergründe über
Figuren und Handlungen und wird so nach und nach zum großartigen Finale
geführt.
Als Beispiel für eine solche Sequenz mit gekonntem
Spannungsaufbau sei die Eröffnungssequenz zu nennen: Drei Männer kommen an
einem Bahnhof an, offensichtlich warten sie auf jemanden. Nachdem sie sich in
Position gebracht haben - einer sitzt auf der Veranda, einer steht unter einem
Wasserturm und einer an einem Zaun – warten sie und der Zuschauer mit ihnen,
auf die Dinge die da kommen mögen. Das Warten wird von den Bildern perfekt
untermalt. Der Mann auf der Veranda hat mit einer lästigen Fliege zu kämpfen,
die ihn umschwirrt und ihm mit ihrem penetranten Gesumme auf den Geist geht.
Dem Mann unter dem Wasserturm tropft Wasser auf die Hutkrempe, was er stoisch
ruhig zulässt, bis er das gesammelte Wasser in aller Ruhe von der Hutkrempe
trinkt. Der Mann am Zaun lässt immer wieder und wieder die Gelenke seiner
Finger knacken, ohne Unterlass. Diese ganzen Handlungen werden so gekonnt und
interessant inszeniert, dass der Zuschauer das Warten praktisch greifbar vor
Augen hat. Die Spannung wird bis ins Unerträgliche gesteigert, um dann mit der
Ankunft des Zuges mit einem Schlag gelöst zu werden. Hier zeigt sich die ganz
große Kunst Leones, Bilder und Stimmung perfekt aufeinander abzustimmen und so
einen Effekt zu kreieren der einfach stimmig wirkt.
[b][u]Fazit:[/u][/b]
Once upon a
Time in the West ist
Kino par Excellence. Der Film fesselt und besticht durch großartige
Charakterzeichnung, die von einem überragenden Score getragen wird. Die Inszenierung
Leones ist über jeden Zweifel erhaben und trifft die Stimmungen im Film immer
wieder perfekt auf den Kopf. Die Wuchtigkeit und Bildgewalt erschlagen einen
förmlich und vermitteln den Eindruck, etwas von epischen Ausmaßen vor sich zu
haben. Dieser Eindruck bewahrheitet sich schließlich auch, wenn der Film in
seinem beeindruckenden Finale aufgelöst wird.
Der Film bekommt in seiner Perfektion in allen Belangen, die
mir keine Kritikpunkte lässt,
[b][u]10/10
Mundharmonikas,[/u][/b]
als meiner Meinung nach bester Western aller Zeiten und
großartiges Meisterwerk, dass ich nur jedem empfehlen kann. Ich sollte dazu
erwähnen, dass ich eigentlich nichts mit Western anfangen kann, aber dieses
monumentale Werk sollte jeder Filmfreund zumindest einmal gesehen haben.
Spiel mir das Lied vom Tod Bewertung