Bewertung: 4 / 5
Schon lange ist Netflix darum bemüht, große Namen für eigene Filmprojekte zu gewinnen. Über die Jahre wurden viele Projekte produziert, in die auch sehr viel Geld geflossen sind, die aber nicht selten enttäuschten. Der Ruf der Netflix-Filme hat über die Jahre ziemlich gelitten und große Namen bedeuten nicht immer auch große Qualität. Hin und wieder jedoch brachten diese Bemühungen auch gute bis sehr gute Filme hervor. Doch zu welcher Sorte gehört The Adam Project?
The Adam Project Kritik
Um die Frau, die er liebt, zu retten, begibt sich der zeitreisende Pilot Adam (Ryan Reynolds) auf eine abtrünnige Rettungsmission. Dabei wird sein Schiff jedoch beschädigt und er muss in der Vergangenheit notlanden. Er ist gezwungen, sich mit seinem jüngeren Ich (Walker Scobell) und seinem verstorbenen Vater (Mark Ruffalo) zusammenzutun, um mit seiner Vergangenheit ins Reine zu kommen und gleichzeitig die Zukunft zu retten.
Trailer zu The Adam Project
Schauspieler Ryan Reynolds und Regisseur Shawn Levy, da haben sich zwei gefunden. Mit Free Guy landeten die beiden zusammen einen ziemlich großen Hit in den Kinos, der auch bei Kritikern gut ankam. Für beide war klar, dass dies nicht das letzte gemeinsame Projekt sein sollte.
Für Netflix taten sie sich erneut zusammen und drehten The Adam Project. Wenngleich der Film diesmal, auch aus thematischen Gründen, nicht so spektakulär daherkommt wie Free Guy, haben sie es erneut geschafft, einen unterhaltsamen Film zu erschaffen, dem es nicht an Herz und Gefühl mangelt. Während sich Free Guy vor allem der heutigen Gaming-Szene als Thema widmet, fühlt sich The Adam Project wie ein Amblin-Film der 80er Jahre an. Auch dank seiner für heutige Verhältnisse nur kurzen Laufzeit von 106 Minuten.
Es wird sicher auch kein Zufall sein, dass man sich an ganz bestimmte Filme erinnert fühlt. Gibt es bereits zu Beginn eine Szene, die an E.T. - Der Außerirdische denken lässt, fühlt man sich nur wenig später deutlich an Der Flug des Navigators erinnert. Und wir können nicht die einzigen sein, die sogar an Masters of the Universe denken mussten. Natürlich hat das ganze auch etwas von Zurück in die Zukunft und selbst Star Wars findet seinen Platz. Aber versteht dies nicht falsch, es handelt sich hier keineswegs um reine Kopien bekannter Elemente anderer Filme. Es wirkt schlicht so, als würden die Macher benannte Klassiker einfach sehr mögen und sich von diesen haben inspirieren lassen.
Dabei orientiert man sich an eine weitere wichtige Eigenschaft vieler 80er Filme: The Adam Project erzählt, trotz all der Science Fiction-Elemente und der Action, im Kern eine sehr persönliche Geschichte. Geht es heute nicht selten um das Schicksal des ganzen Universums, rückt dies hier in den Hintergrund. Es geht im Kern um Adam. Um die Beziehung des Älteren zum Jüngeren. Um ihren Verlust und wie beide dies verarbeiten. Und auch wenn der Held auch hier versucht, die Welt zu retten, so steht die Rettung der persönlichen Beziehungen deutlich im Vordergrund. Die Welt wird nebenbei auf der persönlichen Reise mit gerettet.
Dies ist jedoch ein Punkt, der bei einigen für Enttäuschung aufgrund der Erwartung sorgen könnte. Auch wenn viele heute als Klassiker verehrt werden, wurden die Filme der 80er nicht mit dem Gedanken gedreht, dass hier etwas ganz Großes oder gar ein Meisterwerk entsteht. Obwohl sie heute rückblickend als Blockbuster wahrgenommen werden, ähneln sie im Kern eher kleineren Independent-Filmen.
Die Goonies waren keine Superhelden, haben nicht gegen einen großen Bösewicht gekämpft und am Ende die Menschheit gerettet. Es war eine Gruppe liebevoller, aber gewöhnlicher Kinder, die schlicht auf dem Dachboden eine Schatzkarte gefunden haben, in einem Keller landeten und nach einem Schatz suchten, um den Verkauf ihres Zuhauses zu verhindern. Zurück in die Zukunft handelt von einem normalen Teenager der 80er, der durch Zufall in der Vergangenheit landet und dort seinen Eltern helfen muss.
Es sind meist simple Geschichten mit durchschnittlichen Menschen in einem zumeist spektakulären Rahmen, in denen das Spektakel jedoch nie im Vordergrund steht. Diese Filme haben nicht versucht, unbedingt das nächste große Event im Kino zu werden. Heute ist man dies kaum noch gewohnt. Da ist die Enttäuschung schnell da, wenn nicht alles höher, weiter, besser ist.
The Adam Project will nicht das nächste große Marvel-Abenteuer sein, trotz vieler Marvel-Schauspieler im Cast. Und doch kann der Film am Ende nicht völlig seiner Zeit entfliehen. Der erwachsene Adam ist am Ende dann doch irgendwie ein Superheld. Er ist ein klasse Pilot, nimmt es mit ganzen Horden von Soldaten auf und ist fast immer Herr der Lage. Und er benutzt eine ganz bestimmte Waffe, die sein jüngeres Ich in Ekstase versetzt. Er wirkt einfach nicht wie ein durchschnittlicher Typ und sieht so auch nicht aus.
Eines der größten Highlights könnte für viele zugleich der größte Kritikpunkt sein: Walker Scobell als junger Adam. Dies ist seine erste Rolle und der Junge liefert genau das ab, was er soll. Es ist ein nahezu perfektes Casting. Denn er spielt natürlich nicht nur die junge Version von Adam, sondern eben auch die von Ryan Reynolds und das spürt man bereits von den ersten Minuten an. Seine ganze Attitüde, sein Humor, sein Timing - alles sitzt perfekt. Und nebenbei agiert er komplett auf Augenhöhe mit dem echten Ryan Reynolds.
Doch eben hier liegt auch der mögliche große Kritikpunkt. Wenn ihr genervt oder übersättigt seid vom Reynolds-Humor, dann macht lieber einen großen Bogen um The Adam Project, denn hier bekommt ihr die doppelte Portion geliefert. Scobell ist so gut, man denkt wirklich, man hätte Reynolds zweimal im Film. Und der Kleine haut die Sprüche genauso raus wie der Große.
Jennifer Garner, Zoe Saldana und Mark Ruffalo haben vergleichsweise kleine Rollen, dienen aber als wichtiger, emotionaler Anker für Adam. Während Saldana wirklich nur einen kurzen Auftritt hat, hat Garner neben den beiden Adams die meiste Screentime und weiß diese auch zu nutzen. Sie hat zu allen eine gute Chemie und dient in gewisser Weise als zentraler Fixpunkt für die einzelnen Figuren. Mit Reynolds hat Garner eine gemeinsame Szene, die einfach ans Herz geht.
Betrachtet man den Film als Science Fiction-Abenteuer, findet man sicher noch weitere Kritikpunkte und bewertet den Film schlechter, als wir es getan haben. Wenn man aber selbst ähnliche Erfahrungen gemacht hat, dann betrachtet man The Adam Project vor allem als einen Film über einen Jungen, der mit dem Verlust seines Vaters fertig werden muss. Der in einer Phase des Erwachsenwerdens damit kämpft, sich alleine zu fühlen. Der Trauer in Wut verwandelt und sich dessen nicht einmal bewusst ist. Und dessen zukünftiges Ich sein jüngeres nicht leiden kann, weil ihm bewusst geworden ist, wie schwer er es als Kind seiner Mutter gemacht hat, die ebenfalls schwer unter dem Verlust leidet, aber natürlich versucht, für ihren Sohn stark zu wirken.
The Adam Project ist ein charmanter Abenteuerfilm in der Tradition früherer Amblin-Filme mit einem emotionalen Kern. Dabei ist er sicher nicht perfekt. Walker Scobell ist eine Entdeckung und die Kombination Reynolds und Levy funktioniert auch hier. Man kann nur hoffen, dass sie ihre Ankündigung wahr machen und noch viele weitere Filme gemeinsam drehen werden. Und wenn ihr eine Schwäche für Vater-Sohn-Geschichten habt, solltet ihr eure Taschentücher bereithalten.
Wiederschauwert: 70%