
Bewertung: 5 / 5
Anfang der 1990er erzählt ein einsamer Cowboy (Sam Elliot) die Lebensgeschichte von Jeffrey Lebowski (Jeff Bridges), der sich nur "Der Dude" nennt. Zu den besonderen Interessen des Alt-Hippies gehört vor allem das Bowlingspielen, welches er zusammen mit seinen Freunden Walter (John Goodman) und Donny (Steve Buscemi) betreibt. Doch eines Tages ändert sich das Leben des Dudes schlagartig, als durch eine Verwechslung mit einem Millionär Bekanntschaft mit einigen Schlägern macht. Nun fordert der Dude, daß der wohlhabende Mann ihm seinen Teppich ersetzt und findet sich schließlich in Mitten eines Entführungsfalles wieder.
Eigentlich kann man The Big Lebowski nichts anderes als eine Farce in Filmform nennen. Denn dieser Film ist so unscheinbar und so unerreicht, daß es einem Regelrecht die Sprache verschlägt, weil die ohnehin mit Lachen beschäftigt ist. Um das zu definieren braucht handfeste Indizien, die es einem möglich machen, daß Gefühl, welches dieser Film im Zuschauer auslösen kann, zu umschreiben. Tatsache ist, daß der Film es schafft dem Zuschauer eine der unscheinbarsten und gleichzeitig absurdesten Heldenfiguren der Filmgeschichte zu präsentieren und seine persönliche Odyssee zu einer der skurrilsten Erfahrungen des späten 1990er Kinos zu machen. Von Nihilismus, über Feminismus, zu Hippies und de Judentum bietet der Film eine ganze Bandbreite an verschiedenen Weltanschauungen die zwar alle samt ein wenig mit einem Augenzwinkern repräsentiert werden, auf der anderen Seite aber auch so einen immensen Stellenwert im Leben des Dudes einnehmen, der hier eigentlich als eine Art Laufbursche für höhere Mächte fungiert, dabei aber auch nicht vergisst, daß Geschehene zu hinterfragen.
Es ist, als haben sie den Krieg nie ganz hinter sich gelassen. Denn während sich höhere Mächte um den Dude und seine Welt zusammenbrauen, kämpfen auch die Personen im Leben des Dudes mit ihren ganz eigenen Sorgen. So spiegelt die von Johhn Goodman verkörperte Figur des Walter Sobchak die traumatisierte Arbeiterklasse eines Krieges wieder. Denn während die Figur immer wieder von Regeln und Anstand schwärmt, verfällt sie oft der Vorstellung den Krieg nie ganz hinter sich gebracht zu haben. Da werden dann wahllos Waffen gezogen, und auf die ein oder andere Person im näheren Umfeld gerichtet, um Ungerechtigkeiten, oder bloße Wut zu entblößen. Wären die Situationen, in denen die Figur ihre Beherrschung verliert, nicht so absurd und nichtig, dann würde einem vermutlich das Lachen im Halse stecken bleiben. Tatsache ist aber, daß die Momente der Ruhe keinen Frieden mehr bringen können. Nichts vermag das zu tun, und so steigern sich diese traumatisierten Menschen in Struktur und Ordnung herein, sodass die Regeln, die nun gelten auch gerne mal gebeugt werden dürfen. Dann wiederum gibt es auch die Darstellung einer eher klassischen Trauma-Bewältigung, nämlich die Flucht in Substanzen. So ist auch der Protagonist nicht frei von Lasten und weiß den Alltag anders gar nicht mehr zu bewältigen. Das ist eigentlich schon Tragikomisch und sollte sich de Frage gefallen lassen, ob denn das Gezeigte witzig ist, oder eben nicht.
Allgemein ist dies eine Frage, die sich bei The Big Lebowski auftut. Warum ist das Witzig, warum sind diese absurden und abstrusen Figuren und Verwicklungen so dermaßen Unterhaltsam. Nun es mag daran liegen, daß der gesamte Film eigentlich aus Versatzstücken von Figuren besteht. Eine wirklich durchleuchtende Charakterstudie darf man hier nicht erwarten, und dennoch bekommen die Figuren alle eine Eigenschaft, die sie für den Zuschauer sofort verständlich und greifbar macht. Es mag schlichteres Storytelling sein, doch das ist es nur auf den ersten Blick. Vom Dude, über Walter, Donny, den Cowboy, bis hin zu Jesus, unterhält der Film mit den Geschichten über Figuren die den schmalen Grat aus Überzeichnung und Nähe perfekt meistern. Dann wiederum schafft der Film es auch immer wieder ernste Untertöne anzusprechen, indem er die Frage nach gesellschaftlich vergessenen Kriegsveteranen und der Trauma-Bewältigung stellt.
Das mag vermutlich auf den Ersten Blick nicht unbedingt viel zum philosophieren Taugen, wenn Veteranen mittleren Alters über die Wichtigkeit von Bowling lamentieren, gleichsam steckt in den so unscheinbar und urkomischen Dialogen auch ein wahrer Kern, der immer die Überlegung nach Beschäftigung in einer so konsumorientierten Welt stellt. Was fängt man mit der Zeit an, die einem bleibt, gerade wenn man keine "Aufgabe" mehr zu haben scheint. Dabei schaffen es die Coenbrüder auch, durch ihre fokusverschobene Erzählweise den Zuschauer immer wieder mit skurrilen Einfällen zu füttern. Ein Einkauf in einem Bademantel, eine Waffe auf einer Bowlingbahn, eine Seebestattung, die einfach nicht funktionieren will. In solchen Momenten kommt das Schwarzhumorige, der Tabubruch und die komplette Überforderung der einzelnen Figuren in den Szenen perfekt zum Ausdruck. Und das alles wird wunderbar kommentiert, durch einen alten, weisen Cowboy, der die Geschichte wie ein Epos wiedergibt, welches nicht zu eigentlichen Geschichte passen will. Das ist indessen auch schon eine weiterer Paukenschlag, da die eigentliche Handlung des Filmes mehr die Odyssee eines gesellschaftlich vermeintlichen Taugenichts ist, als wirklich eine bahnbrechende Heldenreise. Es fühlt sich so an, als seien die Personen im Film, im falschen Film. Dabei kommt werden die Erlebnisse eben nicht nur durch den Erzähler erzählt, sondern gegen Ende auch konsequent kommentiert, wodurch der Film die Vierte Wand durchbricht und dem Zuschauer die Gefühle nun auf dem Präsentierteller serviert. Natürlich alles mit einem Augenzwinkern und dem nötigen Verständnis für das Absurde.
Zudem gelingt es dem Film – selbst wenn seine Geschichte nicht allzu wichtig ist – die unterschiedlichsten Genre zu mischen und dabei perfekt den Fokus auf das wirklich wichtige zu legen: Nämlich die Figuren. Ob Krimi, ob Drama, ob Komödie, ob Neo-Noir, ob Antikriegsfilm, diese Vermischung verschiedenster Genre gelingt dem Film in jedem Moment, weil er sich nicht darum bemüht, ob die Geschichte aus der Sicht der Zuschauer irgendwie in der Realität verankert sein könnte, geschweige denn irgendeinen Sinn ergibt. Der Film zeiht seinen Reiz aus unterschiedlichsten Momenten, die für sich genommen, aber auch im Gesamten eine Einzigartigkeit zu sich haben.
Auch wenn Sam Elliot vielleicht einzelne Szenen findet, die ihm nicht so gut gefallen haben, so muss man bei The Big Lebowski gestehen, daß es dieser vermutlich nicht wirklich gibt. Schauspielerisch sind diese Figuren mit so viel Leben erweckt worden, daß das was im Hintergrund so abläuft nur marginal eine Rolle spielen muss. In einigen Momenten schafft der Film es auch seine härteren Themen konsequent anzusprechen, ohne dabei das Ziel aus den Augen zu verlieren. Denn in erster Linie will dieser Film nur unterhalten, was ihm in allen Belangen gelingt.
