Bewertung: 3.5 / 5
Entgegen dem Titel “The People vs. George Lucas" handelt es sich bei dieser Dokumentation weder um ein weiteres George Lucas Bashing, noch wird hier streng über den Allvater von Star Wars gerichtet. Es handelt sich vielmehr um eine sehr interessante Darstellung verschiedener Meinungen zu Lucas Erbe und seinem Tun, intelligent von Regisseur Alexandre O. Philippe zusammengeschnitten, sodass sich aus unzähligen Interviews eine Debatte entwickelt. Der Film ist von 2011, also vor der Übernahme durch Disney, und ich wünsche mir jetzt eigentlich schon eine Fortsetzung nach Abschluss der neuen Trilogie, denn Anlass genug gibt es wohl.
Wie ich bereits in einem Kommentar erwähnt habe ist dies ein sehr interessanter deep dive in das dysfunktionale Verhältnis vieler Star Wars Fans zu George Lucas. In offensichtlicher Referenz zu den Filmen ist der Film in Episoden eingeteilt, und beschäftigt sich zunächst mit dem was wir heute als Episode IV-VI kennen: die original Trilogie. Dass Star Wars Fans von dieser tief beeinflusst wurden muss ich glaube ich nicht näher erläutern (und dieser Teil des Filmes ist auch der offensichtlichste), aber der Film geht hier auf einen interessanten Punkt ein: die Erstellung von „Fan Fiction“. Eigene Versionen von Star Wars selber zu filmen oder zu schneiden, mit dem was man so liebt zu experimentieren und zu spielen, gehörte schon immer zu den Hobbies einiger Fans, und dieses Detail sollte man im Hinterkopf behalten wenn es in den zweiten Teil der Dokumentation geht.
Denn hier geht es im den ersten Konfliktpunkt: Die sogenannte „Special Edition“, oder, und dass ist der Knackpunkt, dass was Lucas aus der originalen Trilogie gemacht hat. Das Lucas juristisch das Recht dazu hat, steht (Stand: 2011) außer Frage, und auch andere Künstler haben bereits ihre Kunst nachträglich verändert. Aber die Fans stellen in den Interviews eine interessante Frage auf: welchen Zweck hat es, etwas zu verändern, was einen so tiefen Einfluss auf viele Menschen hatte, und was viele Fans in ihr Herz geschlossen haben? Schwingt da nicht eine gewisse Egomanie, oder sogar Verachtung mit, wenn man daher geht und sagt „Wisst ihr was? Was ihr so toll findet, war nie meine Vision, und war unvollkommen. Ich alleine darf, und werde, es jetzt korrigieren.“ Dies wird natürlich dadurch kompliziert, dass viele der Änderungen, wenn auch kleine Details, dem eigentlichen Handlungsfluss und der Stimmung der ursprünglichen Filme eher abträglich sind. Die sinnlose „Korrektur“ der Szene, in der Han bekanntlich zuerst schoss, darf bei der Debatte natürlich nicht fehlen. Viel schlimmer ist für mich allerdings die Szene, in der Lucas in Episode VI eine quietschbunte Band in Jabbas Höhle einbaute, die den finsteren Ton, ein passender Übergang von Empire, komplett zerstörte. Aber als wirklich problematisch für viele Fans stellt sich heraus, dass bei der Digitalisierung angeblich die Originalversion verloren ging, und Lucas Studios auf Nachfrage hin offenbart haben, dass sie kein Absicht haben, diese nochmals zu veröffentlichen. Und an dieser Stelle fragen dann viele direkt: hat der Erfolg von Star Wars Lucas ruiniert, und sein künstlerisches Verständnis seiner eigenen Filme irgendwie abhandenkommen lassen?
Und so kommt der Film dann auch zu dem anderen kritischen Punkt, der einen Keil zwischen Lucas und diverse Fans getrieben hat: die oft bedauerten Prequels. Unvermeidlich kommt es an dieser Stelle natürlich zu einem exzessiven JarJar Binks und Mediclorianer Trashing, aber der Film bleibt angenehm unparteiisch (soweit das geht). So offenbart sich etwa in Befragungen von Kindern der Fans, dass diese JarJar sogar für das halten, was Lucas mit ihm vorhatte: „He is a funnier character than we ever had before.“ Und hier stellt der Film dann auch die sinnvolle Frage, ob man Star Wars „damals“ einfach auch anders wahrgenommen hat, weil man jünger war. Ist Star Wars vor allem Nostalgie?
Ich persönlich denke nicht, ich denke die original Trilogie, zumindest bis zu den Ewoks, war eine wunderbare und auch gut konstruierte Mischung aus Science Fiction und Abenteuer B-Movie Impressionen, die Lucas wiederum in seiner Kindheit genoss. Und an dieser Stelle fehlte mir auch etwas an der Dokumentation: Sie stellt die Meinung und Erwartungen, die die Fans an die Prequels hatten, in den Vordergrund, ohne einmal von filmkritischer Seite an die Prequels heranzugehen und die Unterschiede zu der alten Trilogie herauszukristallisieren (wer hier einmal sehr tief einsteigen will, dem empfehle ich natürlich die beliebten Mr. Plinkett Reviews). Dass hier die Erwartungen der Fans so im Vordergrund stehen finde ich natürlich gerade wegen der aktuellen Debatte um die neuen Filme problematisch, da auch hier ein gewisses „self entitlement“ schon mitschwingt.
Dafür wird der Film an anderer Stelle erfrischend konfrontativ. Es ist nur eine kurze Szene, aber in dieser „verflucht“ eine Frau Lucas dafür, dass sowohl ihr Mann als auch ihr Sohn ihr ganzes Geld (angeblich…) für Star Wars ausgeben. Hier deutet sich wieder an, dass der Film doch auch eine kritische Sicht auf dieses ganze „Fandom“ hat. Aber gerade deshalb, und weil der Film halt “The People vs. George Lucas" heißt, fehlt leider auch die Konfrontation mit George Lucas selbst zu den angesprochenen Themen. Alexandre O. Philippe hat, zumindest wenn man dem sehr empfehlenswerten Interview bei „Half in the Bag“ glauben mag, versucht mit Lucas in Kontakt zu treten, und ihm zumindest einen privaten Schnitt zu zeigen, aber leider ohne Erfolg. Und so fehlt dem Film dann doch ein wichtiges Puzzlestück, aber es gibt genug worüber man nachdenken kann.
Und sowieso, würde bei mir jemand anklopfen und fragen, ob ich ein Interview zur Dokumentation „The People vs. Hast du wirklich meinen echten Namen hier erwartet? ;-) " geben würde… Ich wäre wohl auch wenig motiviert.
Der Film gibt diverse Einsichten und bleibt über 92 Minuten interessant, und ich würde ihn auch an Filmfreunde empfehlen, die Star Wars nicht besonders nahe stehen. Es ist ein interessanter und sehr aufschlussreicher Einblick in ein sehr spezielles "Fandom".
Also wer die Möglichkeit hat, sollte definitiv einen Blick riskieren.