Bewertung: 4.5 / 5
Nach den komödiantischen Klassikern „Shaun of the Dead“ und „Hot Fuzz“ schickte Regisseur Edgar Wright mit „The World´s End“ den abschließenden Teil seiner Cornetto-Trilogie in die Kinos. Dementsprechend sind die Erwartungen an den letzten Film enorm hoch. Doch kann auch der dritte Film der losen Trilogie die Stärken der Vorgänger weiterführen und mehr als nur eine sinnlose Komödie darstellen, oder endet der Streifen in niveaulosen Witzen? [b][u]Handlung:[/b][/u] Die vier Freunde Andy, Steven, Oliver und Peter aus Kindertagen wollen unter der Führung des noch immer kindlichen Gary King eher unfreiwillig in ihre Heimatstadt Newton Haven zurückkehren, um eine unvollendete Angelegenheit endgültig abzuschließen: Sie wollen die „Goldene Meile“ bestehend aus zwölf Kneipen abarbeiten, welche vorsieht, in jedem Pub ein Glas Bier zu trinken. Während es die Jugendfreunde in den 1990er Jahren nicht geschafft haben, dieses Vorhaben bis zum Ende durchzuziehen, befinden sie sich diesmal auf dem richtigen Weg und können die Kneipentour vollenden, wenn da nicht die Einwohner der kleinen englischen Stadt wären, welche ihre Probleme mit den Trinkenden hat... [b][u]Kritik:[/b][/u] Dabei beginnt der Film mit einem kleinen Prolog, welcher dem Zuschauer die erste Kneipentour im Jahre 1990 aufzeigt und somit die Charaktere gekonnt durch nette Kommentare des Erzählers Gary King näher bringt und die Beweggründe dessen erläutert. Als King den Entschluss gefasst hat, seine alten Jugendfreunde wieder zusammenzubringen, besucht er jeden dieser Freunde in ihren neuen Leben und diese Sequenzen können als erstes Highlight des Filmes angesehen werden, da diese die Figuren kurz, aber ausreichend charakterisieren und einen Hintergrund geben, was man bei sonstigen Komödien vermisst. Außerdem bekommt der Zuschauer die aus dem Prolog bekannten Freunde weiterentwickelt und in ihrem seriösen Arbeitsleben zu sehen, während Gary King sich in keinster Weise verändert hat, also immer noch der zurückgebliebene Draufgänger ist. Allerdings funktionieren diese verschiedenen Charaktere nur aufgrund der perfekten Besetzung, denn der Einfaltspinsel und Anführer der Truppe Gary King wurde vom britischen Darsteller Simon Pegg („Star Trek“; „Mission: Impossible III“) mit einer unfassbaren Leichtigkeit, sowie einer genialen Mimik und Gestik dargestellt, welche diese Figur authentisch und sogar liebenswert darstellen lässt. Desweiteren spielt Nick Frost („Paul“; „Attack the Block“) Kings gereiften, besten Freund Andy Knightley etwas zurückhalten, was aber zum Gesamtbild der Kneipentrinker passt und auch in seinen zahlreichen Actionszenen überzeugen kann. Neben diesem Duo der Vorgängerfilme der Trilogie darf man sich auch wieder auf Martin Freeman („Die Hobbit“-Trilogie) als mysteriösen Geschäftsmann Oliver mit wiederholt guter schauspielerischen Leistung und auf Eddie Marsan („Sherlock Holmes“) als schüchternen Peter freuen. Der letzte im Bunde stellt Paddy Considine („Hot Fuzz“) als den fitnessbegeisterten Steven dar, welcher eine wichtige Rolle innerhalb der Gruppe inne hat und sogar eine Liebesbeziehung zur Jugendliebe Sam Chamberlin eingehen darf. Diese Sam wurde von Rosamund Pike („James Bond: Stirb an einem anderen Tag“) verkörpert, welche zwar in desinteressierten Momenten überzeugen kann, jedoch leider nur einen einzigen Gesichtsausdruck zu Stande bringt, was im Endeffekt zu wenig ist, wenn man ihre Performance mit den restlichen Schauspielern vergleicht. Neben diesen genannten Hauptdarstellern, welche allesamt im Fokus stehen und niemand mit größerer Screentime bevorzugt wird, selbst Anführer Gary nicht, gibt es den ein oder anderen überraschenden Auftritt weiterer britischer Charakterdarstellern. Bei jedem einzelnen Protagonist darf man eine Entwicklung miterleben, welche im Prolog der Jugendjahre beginnt, mit der Einführungssequenz fortgesetzt wird, dann jedoch in der Heimatstadt noch weiter vorangetrieben wird. Dadurch stehen die im ersten Moment witzigen Figuren in deutlich tieferen Konflikten, die Persönlichkeit wird dadurch aufgezeigt und sind äußerst passend, wenn auch archetypisch, gezeichnet. Diese tiefe Charakterarbeit ist dem Drehbuch zu verdanken, welches von Regisseur Edgar Wrigth und Hauptdarsteller Simon Pegg verfasst wurde, welches voller gehalt-, sowie inhaltsvollen Dialoge besteht. Doch während die Freundesgruppe erstklassig gezeichnet wurde, fehlt es den Einwohnern der Kleinstadt an Hintergrund und die Beweggründe der „neuen Einwohner“, um nicht zu stark auf Spoiler einzugehen, werden leider in nur ein, zwei Sätzen offenbart, was zwar durchaus vollkommen ausreichend ist, jedoch ein wenig mehr Informationen nicht schlecht gewesen wären. Da es sich hierbei um den Abschluss der „Blood and Crime“-Trilogie handelt, wurden auch zahlreiche Elemente der beiden Vorgängerfilme wieder aufgegriffen und sorgen mit Szenen wie dem Zaunsprung oder dem legendären Erscheinen des Cornetto-Eises für gelungene Insider-Gags. Aber dennoch schafft man einen eigenständigen Film und selbst diese Anspielungen sind lustig für diejenigen, welche „Shaun of the Dead“ oder „Hot Fuzz“ nicht kennen. Außerdem kann man mit einem gelungenen Humor aufwarten. Genau dieser bildet nämlich das Herzstück dieser Komödie und lebt nicht vom aktuell häufig aufkeimenden Fäkalhumor wie man ihn aus „Hangover“ kennt, sondern von charmanter Situationskomik und gut auf den Punkt gebrachtem britischem Wortwitz, welcher nicht aufdringlich, sondern äußerst dezent inszeniert wurde und nicht krampfhaft versucht, komisch zu sein. Aufgrund dieses Humors ist die erste Hälfte des 109 minütigen Streifens mehr als witzig, während dann die Handlung einige Wendungen durchlebt und man sich immer weiter von der Komödie entfernt und in einem Sci-Fi Horrorfilm landet, doch selbst diese ernsthaftere und atmosphärisch düsterere zweite Hälfte liefert immer noch zahlreiche, lustige Momente die im Gedächtnis bleiben. Dieser schwierige Spagat zwischen Humor und Sci-Fi schafft der Regisseur Wright jedoch fabelhaft und kann dadurch den Spannungsaufbau immer weiter vorantreiben. Wer keinerlei Trailer vor dem Ansehen kannte, dürfte durch diesen raschen Umschwung ziemlich überrascht sein und dadurch wird der aufkommenden Ermüdungserscheinung der Kneipentour gekonnt entgegengesetzt. Spätestens an dieser Stelle merkt man als Anseher auch, dass die Sauftour dazu dient, um die Geschichte zusammenzuhalten und dementsprechend nicht einfach nur einen niveaulosen Alkoholtrip darstellt, was auf manche Personen zu Recht abstoßend gewirkt hätte, doch dieses Motiv ist nur der Hintergrund der viel größeren Handlung. Durch diesen inhaltlichen Wechsel bekommt man als Zuschauer allzu viele Actionsequenzen präsentiert, welche sich vor allem auf Faustkämpfe konzentrieren und diese stark überzeichnet sind und unsere liebgewonnene Charaktere heroisch darstellt, doch das symbiosiert ausgezeichnet mit dem restlichen Humor und parodiert auf charmante Weise auch den ein oder anderen Kung-Fu Streifen, natürlich immer wieder mit einem zwinkernden Auge. Darüber hinaus machen diese Kampfszenen einfach nur Spaß aufgrund einer gelungenen Choreographie, welche auf der einen Seite abwechslungsreich und etwas gewalttätig härter ist, auf der anderen Seite jedoch wirklich komödiantische Elemente beinhaltet. Diese Choreographien wurden hierfür vom Stuntteam des legendären Jackie Chan inszeniert und das merkt man tatsächlich in einem positivem Sinne. Außerdem gelingt es Regisseur Wright, welcher demnächst den Marvel Streifen „Ant-Man“ inszenieren wird, eine fühlbar dichte Atmosphäre aufzubauen, sei es eine in Erinnerungen schwelgende im Prolog, eine locker amüsante während der Kneipentour oder eine düster bedrohliche Atmosphäre während der Actionsequenzen, sowie der endgültigen Schlusssequenz, welche noch einmal eine komplett andere Stimmung erzeugt. Doch trotz dieser Vielzahl an unterschiedlichsten Gefühlen und Emotionen ist im Endeffekt ein äußerst stimmiger Film entstanden und auch hier ist der Spagat und die fließenden Übergänge zwischen den Atmosphären gelungen. Genau diese Atmosphären werden durch eine präzise und detaillierte Inszenierung Wrights erzeugt, denn die kompletten Umgebung sind voller minimaler Details, welche hin und wieder humorösen Hintergrundes sind, oder auch als Vorrausdeutung für die Handlung dienen, wie die Statue der modernen Kunst im Stadtpark, welche jedoch keine Spannung nehmen, da diese sowieso erst als solche entlarvt werden, wenn man in der Handlung an diesem Punkt angelangt. Vorallem hat es sich ausgezahlt, dass Wright den Großteil der Geschichte an originalen Drehorten in Südengland gedreht hat und somit eine authentische Umgebung erschaffen konnte. Die musikalische Untermalung steuert ebenfalls ihren Beitrag zur dichten Atmosphäre durch zeitlich passende Songs wie „This Corrosion“ von Kings Lieblingsband „Sisters of Mercy“ oder „Step Back in Time“ von Kylie Minogue, welche die Stimmung etwas aufheitern, durch ihre Songtexte jedoch auch inhaltliche Überschneidungen zur Freundesgruppe zulässt. Neben diesen 90er Jahre Songs gibt es jedoch auch noch komponierte Filmmusik von Steve Price, welche vorallem in den Kampfszenen Spannung erzeugt, jedoch auch das Augenzwinkern beinhaltet und in den zahlreichen ernsthafteren Momenten die melancholische Stimmung aufgreift. Eine weitere Stärke der Visualisierung ist die Kameraführung durch Bill Pope, welche im Prolog einen angepassten Farbfilter und eine dementsprechende Filmkörnung besitzt und den zeitlichen Charme der 90er Jahre auf den Zuschauer überträgt. Aber auch die restlichen Kameraeinstellungen sind gelungen und können mit faszinierenden Fahrten während den Kampfsequenzen überzeugen, aber auch mit kurzen Momentaufnahmen. Dabei hilft der Schnitt durch Paul Machliss, welcher für fließende Übergänge zwischen einzelnen Szenen sorgt, selbst wenn diese an unterschiedlichen Orten stattfinden und mit ziemlich schnellen, modernen Schnitten während der Bierglasfüllung unterhalten kann. Außerdem kommen für die zweite Hälfte des Filmes und insbesondere der Schlusssequenz zahlreiche visuelle Effekte zum Einsatz, welche zwar spärlich eingesetzt werden und somit nicht die Authentizität oder den Charme rauben, sondern perfekt in das Gesamtbild passen und trotz des geringen Gesamtbudgets des Filmes von jediglich 20mio US-Dollar kann das CGI sich im Vergleich zu teuren Blockbustern sehen lassen. Wie es die tiefe Charakterzeichnung und Vielzahl an ernsteren Tönen bereits angedeutet haben, gibt es auch in „The World´s End“ einige gesellschaftskritische Ansätze und das ist für eine Komödie äußerst selten und spricht eindeutig für den Film. [u][b]!!ACHTUNG!!DIESER ANALYSE-TEIL ENTHÄLT MASSIVE SPOILER! WER NICHTS VON DER HANDLUNG ERFAHREN MÖCHTE, SOLLTE ZUM FAZIT ÜBERGEHEN![/b][/u] So wird beispielsweise die industrielle Entwicklung und Globalisierung stark in die Kritik genommen, welche sich in der Heimatstadt Newton Haven darin wiederspiegelt, dass zahlreiche, einst familiäre, Pubs von einer großen weltweiten Kette aufgekauft werden und der Gast unter dieser Kommerzialisierung leidet und einen Einheitsbrei angeboten bekommt. Außerdem setzt sich der Film kritisch mit dem heutigen Wunsch nach Jugend und Perfektion auseinander und dem Druck der Gesellschaft sich weiterzuentwickeln. Desweiteren wird mit dem Immobilienmakler Oliver mit einem Handy-Headset bereits gezeigt, dass er sich immer weiter vom ursprünglichen Menschen entfernt und bereits der Technologie komplett verfallen ist, sogar bevor er von den roboterhaften Aliens überhaupt umgewandelt wird. Sehr nachdenklich ist auch die apokalyptische Finalszene, in der gezeigt wird, wie das Ende unserer Zivilisation aussieht, es ist nämlich keine Zerstörung der Welt selbst oder ein großes Massensterben, sondern das Ende der Menschen kommt mit dem Ende der Technologie und darauf hin müssen alle Menschen wie in Urzeiten biologisch und einfach leben. Die Moral oder Aussage des Filmes liegt ganz klar auf der Hand, denn man sollte einfach einmal aus dem grauen Alltag ausbrechen und seinen langersehnten Wünschen nachgehen oder alte Freunde wieder einmal besuchen. [u][b]Fazit:[/b][/u] Mit „The World´s End“ ist Edgar Wright ein mehr als würdiger Abschluss seiner kleinen Trilogie gelungen und hat einen überaus eigenständigen, charmanten, abwechslungsreichen und vorallem lustigen Film inszeniert, welcher sehr tiefe Charakterarbeit und einige Überraschungen zu bieten hat und aufgrund einer perfekten Laufzeit von 109 Minuten auch keinerlei Längen besitzt. [u][b]Bewertung:[/u] 9/10 Punkten[/b] für eine niveauvolle Komödie, welche nicht nur Anhänger der beiden Vorgänger in seinen Bann ziehen wird. Unbedingt anschauen!
The World's End Bewertung