Bewertung: 3 / 5
X-Men: Systemsprenger
Seit jeher stellen sich die (neuen) "X-Men"-Filme gegen gesellschaftspolitischen Chauvinismus - Wir gegen die Anderen, normale Menschen gegen die Mutanten -, seit jeher unterteilen sich die Mutanten aber auch in zwei Interessensgruppierungen: die liberal-demokratischen X-Men um Charles Xavier und die extremistisch-terroristischen Abtrünnigen um Magneto.
Trailer zu X-Men - Dark Phoenix
Rückblickend war es nach dem Film eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis ein Mutant auftritt, der sich weder der einen noch der anderen Gruppierung zuordnen lässt, sich also direkter formuliert in keine Schublade stecken lässt. Dies geschieht in "Dark Phoenix" anhand von Jean Grey, die während einer Weltraummission stellare Energie in sich aufnimmt und seitdem über enorme, unkontrollierbare Kräfte verfügt, die eine Gefahr für beide Mutanten-Parteien darstellen.
Interessanterweise werden hier die Charaktereigenschaften Charles Xaviers und Magnetos partiell ins Gegenteil umgekehrt. Xavier gefällt sich zum Einen in seiner Rolle als bei Politikern und der Bevölkerung beliebter Superheld, zum Anderem manipuliert er Jean Greys Erinnerungen und belügt sie bewusst, um sie vor schmerzhaften-tragischen Kindheitserlebnissen zu schützen. Magento hat sich derweil vom Kämpfen und Töten abgewandt und lebt nun ein friedliches, zurückgezogenes und geruhsames Leben.
Des Weiteren geht "Dark Phoenix" konsequent über die Leichen langjähriger Hauptcharaktere (hinsichtlich des Produktionshintergrunds um Jennifer Lawrence allerdings auch eine leichte, absehbare Entscheidung), um die Problematik zu verdeutlichen und den "inner-mutantischen" Konflikt voranzutreiben. Jean Grey fühlt sich von Charles Xavier verraten und ist zudem angewidert von ihrer Macht und ihren Taten, sodass sie die X-Men verlässt. Nach einem erneuten Kontrollverlust wird sie jedoch auch von Magneto fortgeschickt, weil sie das Leben seiner eigenen Leute und das unschuldiger Menschen gefährdet. Als Folge des Tods von Raven läuft Beast dann sogar zu Magneto über, um sich gemeinsam mit ihm an Jean Grey zu rächen. Im Finale gelingt es Jean Grey schließlich, aus dem Mutanten-System auszubrechen und sich von allen Einflüssen loszusagen, sie explodiert in die Freiheit hinein und nimmt mit dem Phönix ihre wahre Gestalt an.
Dass "Dark Phoenix" als Film dennoch fast bzw. zu großen Teilen scheitert, liegt - neben diversen Erkärbär-Dialogen für Offensichtliches - an der Etablierung einer humanoiden Alienspezies als Antagonist, angeführt von einer blassen Jessica Chastain. Die Existenz einer solchen Alienspezies in der ansonsten irdisch angelegten "X-Men"-Reihe halte ich ohnehin für keine allzu kluge Idee, weil die X-Men und die gesellschaftspolitischen Themen deswegen kleiner und unbedeutender erscheinen, als sie es verdienen, speziell hier führt das darüberhinaus den gesamten, "inner-mutantischen" Konflikt ad absurdum. Anstatt aus sich selbst heraus eine Lösung der Problematik zu suchen, wird alles vereinfachend auf einen äußeren Feind abgewälzt, der lediglich gemeinsam besiegt werden muss. Dahingehend verliert sich der Film in den letzten 30 Minuten obendrein in irgendwann ermüdender Action.
Mit der Endszene, in der sich Charles Xavier und Magneto in Erinnerung an alte Zeiten zum Schachspiel treffen, findet "Dark Phoenix" nichtsdestotrotz noch ein schönes, sympathisches und melancholisches Schlussbild, mit dem man die "X-Men"-Reihe auch ideal hätte ausklingen lassen können (es folgt ja noch "New Mutants"). James McAvoy und Michael Fassbender so noch einmal zusammen zu sehen, zusammen sehen zu dürfen, das ist die Quintessenz meiner persönlichen "X-Men" innerhalb der letzten neun Jahre. Erst 2011 mit "First Class" habe ich die X-Men wirklich kennen und lieben gelernt, die 2010er Jahre waren mein X-Men-Jahrzehnt und unter Disney bricht nun eine neue, noch ungewisse Ära an.
Weil mir die positiven Aspekte sehr gefallen haben und mich das Ende als gefühlter Abschluss der Reihe melancholisch stimmt, vergebe ich nun wohlwollend 6 von 10 Punkten, obwohl das nüchtern betrachtet eher Richtung 5 von 10 tendiert.