Martin Scorsese zählt zu den unvergänglichen Namen im Geschäft, die eine immense Strahlkraft haben, wenn es um den kulturellen Wert der Lichtspielorte und dem Filmgeschäft geht. Seit Jahren plädiert er dafür, dass man dem Verlangen nach Franchise- und Superheldenfilmen Einhalt gebieten müsse.
Im Gespräch mit Zach Baron von GQ führte Scorsese aus, dass eine wesentliche Gefahr dieser effektgeladenen und verschwenderischen Blockbuster darin bestünde, dass sie die Kultur der Filmwahrnehmung entscheidend verengen würden, denn es gäbe fortan Generationen von Leuten, die denken, dass Filme nur aus Superhelden-Schemata und furiosen Schlagabtauschen bestünden.
Als der Interviewer im Anschluss an diese Aussage darauf verwies, dass manche der Zuschauer:innen wahrscheinlich längst diesen einseitigen Erfahrungszustand besitzen, legte Scorsese nach, dass sich Seinesgleichen umso stärker dagegen wehren sollten. Leute wie Christopher Nolan oder die Safdie Brothers müssten gemeinsam dafür einstehen, was das klassische Filmhandwerk und Geschichtenerzählen zu bieten habe.
Man müsse von allen Seiten angreifen und mit Kunstkönnen unter Beweis stellen, dass auch diese Klangfarben ihre Berechtigung besäßen. Es gelte demzufolge, dass man sich neu erfinden müsse, sofern man weiterhin am Diskurs beteiligt sein wolle. Dabei spricht der 80-Jährige überhöhend von der "Rettung des Kinos".
Bereits 2019 äußerte sich Scorsese in einem Essay in der New York Times kritisch darüber, was die Omnipräsenz von Marvel, DC und Co. anbelangt. Dieser Artikel brachte dem legendären Filmemacher viel Häme vonseiten des jugendlichen Publikums ein, denn nicht selten wird er in den sozialen Netzwerken als Dinosaurier diffamiert, der sich seinem Schicksal nicht ergeben will. Hierzu sei allerdings anzuführen, dass Scorsese keinesfalls ein ewiggestriger Geist ist, denn allein Hugo Cabret oder The Irishman beweisen, dass er trotz aller Nostalgie gewillt ist, seinen Stoffen mit modernsten Technologien auf die Sprünge zu helfen.
Man muss außerdem konstatieren, dass Scorseses Werk eine unglaubliche Bandbreite adressiert, mit der er in mittlerweile über fünf Jahrzehnten zur Tat schreitet. Zuvorderst wären hier unter anderem Werke wie Taxi Driver, Wie ein wilder Stier, GoodFellas - Drei Jahrzehnte in der Mafia, Gangs of New York oder auch The Wolf of Wall Street anzuführen.
Stimmt ihr den angriffslustigen Aussagen von Scorsese zu oder vermutet ihr hier nur das Brusttrommeln einer Regielegende? Wir dürfen bei allem Lob immerhin auch nicht außer Acht lassen, dass Scorseses Werke zwar von außerordentlicher künstlerischer Qualität sind, sie aber nie die ganz großen Publikumsströme in die Kinos locken konnten. Der angesprochene The Wolf of Wall Street ist mit seinen knapp 390 Mio. US-Dollar an weltweiten Einnahmen nämlich bereits das Ende der Fahnenstange. Shutter Island belegt Platz 2 und kommt dann leider schon auf nicht einmal mehr 300 Mio. US-Dollar.
Dank Apple darf sich Scorsese mit seinem höchst beeindruckenden Cast um Leonardo DiCaprio, Lily Gladstone, Robert De Niro, Jesse Plemons und Brendan Fraser ins Schlachtgetümmel des aktuellen Kinojahres stürzen. Ab dem 19. Oktober läuft nämlich sein epochaler True-Crime-Thriller Killers of the Flower Moon in den deutschen Kinos an und buhlt mit mutmaßlichen Glanzleistungen vor und hinter der Kamera um die Gunst des Publikums.