Frank: Mir geht es ja nicht explizit um Ms. Marvel. Hier ist es mir nur mal wieder stark aufgefallen, wie kindgerechte Programme heute definiert werden. Ich finde das auch für die Kinder bedenklich, denn gerade Kinder wollen und müssen herausgefordert werden.
Als es hieß, Ms. Marvel wird eine Serie, die sich eher an Jüngere richtet, war ich gespannt. Denn wie ich schon deutlich machte, richten sich nahezu alle Filme und Serien von Marvel meines Erachtens an Jüngere. Wo sollte also hier der große Unterschied liegen? Nachdem ich alle sechs Folgen gesehen habe, offensichtlich darin, Kindern keinerlei Herausforderung mehr zu bieten.
Ms. Marvel lässt sich daher für mich am ehesten als reduzierte, heruntergefahrene Marvel-Serie definieren. Sie hat im Grunde all das, was man kennt, nur eben noch reduzierter, noch einfacher, noch simpler. Halt einfach langweiliger als der Rest. Selbst aus den ganzen Tagträumereien, was visuell echt hätte cool werden können, macht man nichts. Ich sehe hier einfach nicht viel, was mich damals als Kind abgeholt hätte.
André sprach die Batman-Animationsserie an. Da hatte man es als Kind wöchentlich mit Psychopathen zu tun. Auch die Spider-Man-Serie. Oder die X-Men-Serie. Da wurden teils schwere Themen behandelt. Ms. Marvel ist für mich nur ein weiterer Beweis dafür, dass sich das alles in eine völlig falsche Richtung entwickelt.
Steffi: Naja, Animation ging schon aufgrund ihres Formats immer weiter als Realserien, die eben dann auch "echter" wirken bei härteren Sachen. Das Taggeträume wurde in der Premiere von Ms. Marvel schon gut ausgeschöpft, das muss man sich nun auch nicht 6 Folgen lang immer wieder angucken, gerade das fand ich visuell ziemlich cool z.B.. Aber sie kommt ja flott in der Realität als tatsächliche Superheldin an, da ist es vorbei mit Geträume und die echte Action da - mit ihren Fallstricken, die in Tagträumen eben nicht vorkommen. Das ist ja gerade das Thema, Wunsch vs. dann Realität.
Fast bei allen TV-Comicserien wurden die Schurken auch erst Schritt für Schritt finsterer, mit Ausnahme der Netflix-Serien. Das ist auch bei Stargirl oder z.B. Supergirl so, das wird meist erst von Staffel zu Staffel erwachsener - Loki & Co. gehen eben nicht mehr zur Highschool, Kamala schon. Und naja, die Schurkenriege ist so ohne ja nun auch nicht in Ms. Marvel, Stichwort (Achtung Spoiler) Rückkehr mit Gang über die Leichen einer ganzen Welt.
Muss ein Schurke immer irre aussehen wie ein Joker? Ich finde es erfrischend, dass es mal so gestrickt ist wie hier mit finsterer Motivlage ohne schon wieder schrägem Psycholook oder Ähnlichem, das kennt man doch auch alles schon. Als älterer Erwachsener hat man zudem einen anderen Blick, man schaue sich heute mal die originale Flash-Realserie an oder auch Smallville - da würden wir jetzt auch sagen: Kinderkram.
Es kommt ja auch immer auf die Art der Helden an, Batman muss finster sein, die X-Men waren auch nie fröhlich. Ms. Marvel dagegen ist eher eine Art Supergirl-Typ. Siehe auch der Unterschied Arrow vs. The Flash. Wer eher Richtung Batman will, muss halt Moon Knight gucken, oder Doctor Strange und später Blade, wenn es endlich soweit ist. Und apropos Animation - Marvels Hit Monkey ist ziemlich cool... und so gar kein Kinderkram^^.
"Marvels Hit Monkey" Season 1 Trailer 1
Star Wars wiederum richtet sich nicht nur an Kinder, sondern auch an Ü-40er, der Nostalgiefaktor eben, das ist bei Ms. Marvel ganz sicher nicht das Ziel. Da sind schon die Comicvorlagen noch recht neu im Vergleich zu anderen, wie Moon Knight, bei diesem Superheld sind auch die Comics kein Kinderkram (habe reingelesen).
André: Ich finde auf jeden Fall, dass Frank ein paar interessante Bemerkungen zur heutigen Film- und Serienlandschaft getätigt hat. Besonders in Hinblick darauf, dass Kinder auch bei Unterhaltungsformaten (auf moderate Weise) gefördert und gefordert werden wollen, wählt Disney schon verdächtig oft den "sicheren Weg", anstatt auch einmal ungewohnte Kost zu bieten.
Steffi: Naja, wenn man sagt, sowas wie Loki und WandaVision ist doch schon für Kinder, dann ist zum Beispiel gerade WandaVision ein ziemliches Wagnis. Beginnend als Schwarz-Weiß-Marvel-Comedy mit Mystery, die durch die Brüche, die anteasen, dass da mehr hintersteckt, schon für Kids auch einen gewissen Gruselfaktor und für alle Altersklassen einen Spannungsfaktor hat. Das ganze Format der Serie ist eine Herausforderung und ein Wagnis gewesen.
Überhaupt, all die Serien mit nicht den typischen gut bekannten Helden wie Moon Knight und Ms. Marvel oder auch She-Hulk - Die Anwältin als Mix aus Comedy und Anwaltserie sind alles Wagnisse schon im Format und Grundthema, angesichts einer leidenschaftlichen Fanbase durch alle Altersgruppen hindurch, die sich das anschauen. Aber hier würde Disney wohl ähnlich wie bei Star Wars antworten: "Wir decken den Tisch reichlich, man nehme sich, was einem schmeckt." Was einem nicht schmeckt, schmeckt dafür anderen. Disney hat nunmal auch einen gewissen Ruf, warum sollte man sich hier gravierend verändern? Was man von Disney nicht bekommt, bekommt man woanders, dafür weiß man so grob, was man vom Mauskonzern zu erwarten hat.
André: Ich frage mich auch, ob der Anspruch der Herausforderung so allgemeingültig auf heutige Medienangebote für den Kinder- und Jugendsektor gemünzt werden kann. Mir ist es wichtig, dass das Pendel nicht in Extremen verharrt, wenn es um Produktionen für jüngere Menschen geht: Gerade in den jüngeren Altersstufen variieren die Grenzen in Hinblick auf das Zumutbare ziemlich. Deshalb sollte es einfach ein reichhaltiges Angebot für sämtliche Bedürfnisse geben.
Eine Reihe wie Star Wars richtete sich beispielsweise erst im Verlauf an jüngere Menschen. Auch so etwas wie Jurassic Park würde ich da verorten, weil das Schema der Blockbuster seit deren Siegeszug so ziemlich alle Menschen von 0 bis 99 Jahren zur Zielgruppe erklärt hat. Nur weil Erwachsene ihre Kinder für solche Filme mit ins Kino nahmen, sind sie nicht automatisch für genau diese junge Zielgruppe zu verstehen.
Man darf auch nicht vergessen, dass es unter den jungen Menschen auch solche gibt, für die die von euch beschriebenen Szenen aus Ms. Marvel schon purer Thrill sind. Und sind wir mal ehrlich: Über mangelnden Content mit unterschiedlichen Schwerpunkten können sich auch jüngere Menschen wahrlich nicht beschweren.
Steffi: Sehe ich auch so - der voll gedeckte Tisch, wo jeder auswählen kann. Also ich bin noch mit wenigen TV-Programmen aufgewachsen, da war so etwas wie die Der unglaubliche Hulk-Realserie z.B. ein Mega-Highlight. Star Trek ist auch keine Kinderserie, und doch hab ich es als Kind gesehen - so ziemlich jedes Kind wird mal etwas schauen, was sich eigentlich an Ältere richtet und dadurch zusätzlich gefordert.
André: Ich sehe da im Endeffekt nicht den großen Verfall hinsichtlich fordernder oder düsterer Plots, denn wenn ich mich an das Kinderprogramm meiner Kindheit erinnere, denke ich nicht nur an Batman, New Spider-Man oder The Real Ghostbusters, sondern auch an Bibi Blocksberg, Benjamin Blümchen oder Nils Holgersson. Die letztgenannten Beiträge fand ich zwar persönlich nicht so doll, aber die gab es und sie werden bis heute wegen ihrer friedlichen Atmosphären und Botschaften von tausenden Kindern geliebt. Deshalb braucht es dafür ebenso moderne Entsprechungen, wie für die "düsteren" Sachen.
Vielleicht ist das also bei Ms. Marvel der Fall? Ist das wirklich so schlecht? Denn was mir bei der Diskussion noch ein wenig zu kurz kam: Eine junge Heldin darf auch einfach mal nur sympathisch und nett sein. Sie muss bei ihrem ersten Auftritt nicht gleich das ganz große, düstere Drama ereilen oder eine tiefgreifende Wandlung durchmachen. Das zugehörige Marketing von Disney hat mir im Übrigen nie etwas anderes suggeriert, wenn ich ehrlich bin. Und wenn die Serie tatsächlich hoffnungslos belanglos ist: Solche Produktionen kennen wir leider alle auch unter den erwachseneren Formaten der Zunft. ;-)
Na toll: Nachdem ich nun eine solche Brandrede für seichte Kinderserien gehalten habe, verspüre ich nun mächtig Lust auf Doug. kennt das überhaupt noch wer?^^ Weiter auf Seite 4