Der Hollywood Reporter will aus höheren Kreisen Hollywoods erfahren haben, dass mancher Studiobesitzer nicht daran glaubt, dass Will Smith langfristige berufliche Einbußen drohen. Die Ausführungen einer Quelle lesen sich dabei durchaus zynisch, fügen sich aber ins Kalkül des Hollywood-Games ein:
Will Smith sei nach wie vor nicht als Kryptonit zu bezeichnen. Er werde wohl lediglich kurze Zeit auf der Strafbank um Vergebung bitten müssen, lässt ein Studioleiter wissen.
Smiths lange Erfahrung in der Branche werde ihm dabei zugute kommen, so die Person weiter. "Er ist am Set nie gewalttätig gewesen. Er war immer besonders entgegenkommend. Und man hat gelesen, was er am Set von King Richard getan hat." (Um sie für die parallele Vermarktung des Films auf HBO Max zu entschädigen, hat der Star den übrigen Darstellern Boni geboten.)
Die Aussage verdeutlicht, dass in Hollywood wohl deutlich mehr angerichtet werden muss, damit ein Schauspieler dauerhaft in Ungnade fällt. Wir wüssten nicht, dass es einen besonderen Preis dafür gäbe, wenn man sich gewaltfrei und wertschätzend gegenüber Drehteams verhält. Und trotzdem bleibt es eine tolle Geste des Schauspielers, dass er seinen Verdienst mit anderen Menschen teilt.
Ein anderer Studiomanager ist bei seinem Urteil etwas vorsichtiger und bescheinigt Smith aussichtsreichere Chancen zur Rettung seines Images "wenn er sich zum Beispiel öffentlich mit Chris Rock versöhnen würde." In jedem Fall würden die Studios eine Kosten-Nutzen-Rechnung für ein Engagement des Darstellers aufstellen. Zunächst könne er vielleicht sogar seine Gage reduzieren, allerdings sei das keine dauerhafte Lösung, um in Hollywood nicht an Reputation und Geltung zu verlieren.
Eine Marketing-Managerin glaubt hingegen an einen irreparablen Image-Verlust. Seine vor King Richard veröffentlichten Filme Gemini Man (2019) und Verborgene Schönheit (2017) erhielten verhaltene Kritiken und haben unterdurchschnittlich performt.
Tech-Konzern Apple lehnt derzeit eine Stellungnahme ab. Eigentlich soll in diesem Jahr Antoine Fuquas Sklaven-Thriller Emancipation mit Smith in der Hauptrolle veröffentlicht werden. Eine mögliche Strategie könnte nach unserer Auffassung darin münden, dass man das Werk zu einem späteren Zeitpunkt als angedacht zur Verfügung stellt. Fraglich bleibt, ob Apple den Schauspieler für weitere Rollen buchen wird.
Besonders brisant dürfte für Smith auch der Umgang mit seiner Person bei Preisverleihungen und Gala-Veranstaltungen sein. Rutanya Alda, Mitglied der Schauspielervereinigung, ließ gegenüber dem Blatt verlauten, dass Smiths Verhalten sie dazu veranlasst hatte, sich zu wünschen, dass sie nicht für ihn gestimmt hätte. Ein namhaftes Studio ist sogar der Meinung, dass Smith wegen seines mangelnden Respekts dauerhaft von den Zeremonien der Oscars ausgeschlossen werden sollte. Auf diese Weise könne er Buße tun und würde langfristig wieder zu Ehre gelangen.
Zu dieser These passt es auch, dass Tim Solberg, Professor für Business of the Arts an der Olin Business School der Washington University in St. Louis, glaubt, dass die Academy selbst dauerhaften Schaden erleiden könnte, wenn sie keine adäquaten Maßnahmen ergreift.
Anzumerken ist für das mögliche Szenario, dass Smith, je nach Auslegung, trotzdem noch nominiert werden könnte. Wir glauben allerdings nicht, dass er sich dann ernsthafte Chancen für einen Gewinn ausrechnen dürfte, schließlich wäre eine solche Situation zutiefst unangenehm für alle Beteiligten und böte genügend Sprengstoff, um im Nachgang weitere Debatten vom Zaun zu brechen. Weiterhin muss man bedenken, in welch unrühmlicher Gesellschaft sich der Hollywood-Star im Zuge eines Ausschlusses befände: Harvey Weinstein, Roman Polanski und Bill Cosby. Der 2019 verstorbene Schauspieler Carmine Caridi machte 2004 den Anfang für diese illustre Runde, weil er Kopien von Oscar-Filmen entgegen der geltenden Urheberrechtsbestimmungen unerlaubt weitergegeben hatte.
Bis zu dieser Stelle haben wir lediglich von Will Smiths Schauspiel-Karriere gesprochen. Doch auch seine geschäftlichen Bestrebungen könnten von dem Vorfall getrübt werden. Er ist ein Markenbotschafter von Fitbit. Der Konzern verweigerte auf Nachfrage des Hollywood Reporter die weiterführende Auskunft zu seiner Beteiligung: "Wir bewerten die Situation und haben zum jetzigen Zeitpunkt keine Informationen, die wir teilen können."
Besonders schmerzhaft könnte es auch noch für die familieneigene Produktionsfirma Westbrook Inc. werden: Die Firma erhielt im Januar 60 Millionen Dollar bei einer Bewertung von 600 Millionen Dollar von dem von Blackstone unterstützten Unternehmen Candle Media. Das Scoring wurde in Teilen mit Smiths immensen Bekanntheitsgrad sowie seine stetigen Aufträge begründet. Westbrook erhielt einen Anteil an jedem Projekt, bei dem die Eigner Will Smith und Jada Pinkett Smith beteiligt waren.
Sollte Smith von den Studios oder anderen Stars gemieden werden, würde sich das mit ziemlicher Sicherheit negativ auf sein Unternehmen auswirken, das aktuell die Expansion anstrebt. Bei alledem haben wir noch nicht einmal darüber gesprochen, welche unangenehmen Konsequenzen dem Rest des Familienclans drohen könnten.
Wie ihr merkt, wiegt der Sachverhalt außerordentlich schwer und es ist nicht im Ansatz abzusehen, welche Blüten die unbedachte Ohrfeige und die groben Worte von Smith gegen Rock treiben werden. Zu viele rechtliche, unternehmerische und persönliche Risiken sind mit der gewaltvollen Reaktion auf einen geschmacklosen Witz bei einer der prestigeträchtigsten Preisverleihungen der Welt verbunden.
In diesem Sinne hoffen wir auf das Beste: einerseits, dass man eine versöhnliche Lösung finden wird und andererseits, dass sich Will Smith und Chris Rock vielleicht irgendwann versöhnen und sich friedlich von Angesicht zu Angesicht begegnen können. Ein beherzter Handschlag, wie ihn etwa der nunmehr zweifach mit dem Oscar ausgezeichnete Special-Effects-Künslter Gerd Nefzer (Blade Runner 2049, Dune) gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa) vorschlägt, wäre jedenfalls ein würdevoller Abschluss für ein düsteres Kapitel der Academy Awards.
Umso mehr wünschen wir uns natürlich auch, dass es im Forenbereich friedlich und gesittet zugeht. Hitzige Debatten sind selbstverständlich trotzdem gestattet! ;-)