mit Joaquin Phoenix, Zazie Beetz, Robert De Niro
Joker - A Breaking Bad Movie
Im Prinzip wurde schon alles zum Film geschrieben, "Joker" zeigt eindrucksvoll, unschön und radikal, wohin eine kapitalistische Gesellschaft mit mangelhaftem Arbeits- und Sozialsystem führen kann. Überragend gespielt von Joaquin Phoenix und ebenso hochwertig musikalisch untermalt von Hildur Guðnadóttir ("Chernobyl", "Sicario 2"), die ihren Score im Bezug auf das Pompöse und Melodische zum Teil an Hans Zimmers "The Dark Knight"-Score angelehnt hat.
Folgend ein paar Beobachtungen und Gedanken meinerseits, die ich noch zum Ausdruck bringen möchte:
Der "The Killing Joke" referenzierende Dialog zwischen Arthur Fleck und der Psychotherapeutin in der Endszene des Films stellt sich als außergewöhnlich pointiertes Schlussbild heraus, welches nicht nur Arthur Flecks Geisteszustand und seine Entwicklung hin zum Joker resümiert, sondern darüberhinaus auch Bruce Waynes Geisteszustand und dessen Wandel hin zu Batman allumfassend skizziert bzw. vorankündigt. In der Szene fängt Arthur an zu lachen und die Therapeutin fragt, was so witzig sei. Arthur meint, ihm sei ein Witz eingefallen, den sie aber nicht verstehen würde. Darauf folgt ein Schnitt zu Bruce neben seinen toten Eltern, meiner Einschätzung nach kann hier also nur der Witz gemeint sein, den der Joker Batman in "The Killing Joke" erzählt. Den Witz kann eben nur jemand verstehen, der Traumatisches erlebt hat und psychisch so kaputt ist wie Arthur, zudem schwingt sich wie Arthur Fleck auch Bruce Wayne zu einem maskierten Rächer auf, der von der Bevölkerung gefeiert und nachgeahmt wird.
Zu den oft genannten Kritikpunkten zählt das abermalige Ausbuchstabieren des Mordes an Thomas und Martha Wayne, eine implizite Andeutung wäre viel schöner gewesen. Da bin ich anderer Meinung, das eindeutige Zeigen des Mordes fungiert wunderbar als inhaltliches und formales Ausdruckselement des Realitäts-Psychosen-Gefüges, mit nichts weiter als einer Andeutung hätte das weniger gut funktioniert. Arthur Fleck leidet unter Psychosen, die medikamentös behandelt werden, im Verlauf der Handlung werden in Gotham allerdings die Sozialleistungen gekürzt, sodass seine nun arbeitslose Psychiaterin ihm keine Medikamente mehr verschreiben kann. Infolgedessen verschlechtert sich sein Geisteszustand, Psychosen treten häufiger auf, in der ersten Filmhälfte werden die Psychosen noch durch Plottwists entlarvt, in der zweiten Hälfte verzichtet der Film allerdings darauf oder bessert gesagt: Es gelingt dem Film nicht mehr, zwischen der Realität und den Psychosen zu unterscheiden. Sowohl die Realität als auch die Psychosen werden von Todd Phillips gleich deutlich und ausbuchstabierend (in der Kritik: unsubtil) inszeniert, hätte er den Mord an den Waynes also nur implizit angedeutet, würde das dementsprechend eine inszenatorische Anomalie darstellen und deutlicher als Realität zu erkennen sein.
Diese Mehrdeutigkeit in der zweiten Filmhälfte finde ich ziemlich faszinierend, es ist nie genau klar, ob Arthur Flecks Morde, die gesellschaftlichen Aufstände und Arthurs Wandel zum maskierten Rächer und Volkshelden tatsächlich geschehen oder nur seinem psychotischen Minderwertigkeitskomplex entspringen.
Die Vergleiche mit "Taxi Driver" kann ich übrigens kaum nachvollziehen, explizit könnte ich keine speziellen Szenen nennen, die an den Scorsese-Film erinnern. Ähnlich ist hier nur die allgemeine Rahmenhandlung, also dass Arthur Fleck psychisch durchdreht und sich an der Gesellschaft rächt. Abseits davon finden sich vermehrt Verweise auf "The King of Comedy", nicht zuletzt das Casting Robert De Niros als von Arthur Fleck geliebter Comedian und Host eine Late-Night-Show, ansonsten musste ich persönlich anstelle von "Taxi Driver" wie oben erwähnt mehr an "Breaking Bad" denken.