
Bewertung: 3 / 5
Die "Anti-Avengers" sind da! Vier Jahre nach DCs The Suicide Squad bringt nun Marvel ihre eigene Truppe an Außenseitern, Schurken und Gesetzlosen zusammen auf die große Leinwand. Ein Team, das keins sein sollte, denn im Vergleich zu James Gunns Spezialeinheit ist der Zusammenschluss dieser Helden und Schurken nicht gewollt. Wie also schlagen sich die Thunderbolts* in Marvels neuestem Inhaltsupdate für das MCU?
Thunderbolts* - Kritik
In Thunderbolts* stellt Marvel Studios ein unkonventionelles Team von Antihelden zusammen – Yelena Belova (Florence Pugh), Bucky Barnes (Sebastian Stan), Red Guardian (David Harbour), Ghost (Hannah John-Kamen), Taskmaster (Olga Kurylenko) und John Walker (Wyatt Russell). Nachdem sie in eine von Valentina Allegra de Fontaine (Julia Louis-Dreyfus) gestellte Todesfalle geraten sind, müssen sich die hoffnungslosen Außenseiter auf eine gefährliche Mission begeben, die sie zwingt, sich den dunkelsten Ecken ihrer Vergangenheit zu stellen. Wird diese dysfunktionale Gruppe sich gegenseitig zerfleischen oder Erlösung finden und sich zu etwas viel Größerem zusammenschließen, bevor es zu spät ist?
Trailer zu Thunderbolts*
Wenn wir uns Thunderbolts* anschauen, fallen zwei Vergleiche sofort ins Auge, den zu DCs The Suicide Squad und Marvels The Avengers, dem Film, der erstmalig die Helden des MCUs zusammenführte und sich in unsere Gedächtnisse brannte. Der große Unterschied zwischen den Avengers und den Thunderbolts besteht nur darin, dass vier der sechs Mitglieder der Rächertruppe zuvor ihren eigenen Film hatten und wir sie bereits auf ihrer eigenen, ganz persönlichen Reise begleiten konnten. Thunderbolts* präsentiert uns hingegen Charaktere, die wir, mit Ausnahme von Bucky, zuvor kaum kennenlernen durften. Während wir Caps besten Freund schon seit dessen ersten Auftritt in Captain America - The First Avenger ins Herz geschlossen haben, besitzen die anderen Teammitglieder verschwindend wenig Screen time im MCU. Ausgerechnet durch ihren Status als Schurke oder Antiheld spielten sie als Antagonisten oder Sidekicks zuvor nur eine untergeordnete Rolle. Yelena, Red Guardian und Taskmaster erlebten wir größtenteils an der Seite von Black Widow, Ghost war die Gegenspielerin in Ant-Man and the Wasp und John Walker war ebenfalls nur eine Nebenfigur in The Falcon and the Winter Soldier. Keine der Figuren bekam ihren eigenen Film und so fühlen wir uns mit diesen Figuren lange nicht so verbunden wie mit ihren großen Vorbildern, den Avengers.
Dass jedoch eine Truppe von zuvor nie etablierten Figuren in einem Schurken-Ensemble funktionieren kann, zeigte uns bereits James Gunns The Suicide Squad. In seiner Version des ikonischen Squads unter der Führung von Amanda Waller setzte er sogar auf teils komplett unbekannte Figuren. Gleichwohl schaffte er es durch gut geschriebene Dialoge, uns an die Truppe zu binden. Wir kennen sie nicht und doch mögen wir sie. Marvels Thunderbolts* gelingt dies partiell in seinen ruhigen Momenten, wenn wir für eine Sekunde hinter die Fassaden der gebrochenen Menschen schauen können. Dort entfesselt sich die größte Stärke eines Films, der im Kern eine Geschichte über Einsamkeit, Ziellosigkeit und Zusammenhalt erzählt. In diesen Ausschnitten traut Marvel dem Publikum für ein FSK 12 erstaunlich viel zu. Es sind die alltäglichen Themen und Probleme der Figuren, die uns an sie binden.
Zu unserer Ernüchterung fokussiert sich Thunderbolts* weniger auf die spannende Entwicklung seiner Figuren und mehr auf die Action und den sehr speziellen Humor von Red Guardian. Nahezu jeder komödiantische Einschub kam von David Harbours Figur. Es war erstaunlich, wie wir im gesamten Film nicht ein einziges Mal auflachten. Glücklicherweise bekommt ihr in den Trailern bereits einen Eindruck von der Stumpfsinnigkeit seiner Kommentare. Springt ihr auf seinen Humor an, werdet ihr wesentlich mehr Spaß in Marvels neuem Abenteuer haben als wir. Die Ursprünge für Gags wie diese liegen verankert im bereits schwachen Drehbuch. Ausgehend von den Dialogen, stoßen wir auf das nächste Problem. Während wir die behandelten ernsten Themen sehr schätzen, ist es oft der Umgang damit, der die Figuren unecht wirken lässt. Regelmäßig werfen sich die abgehärteten Attentäterinnen und Antihelden ihre innersten Gefühle, Konflikte und Gedanken an den Kopf, als wären sie schon jahrelang eng befreundet. Jedes Stückchen Gefühlswelt der Figuren wird den Zuschauern aufs Brot geschmiert. Hier wird nichts subtil oder glaubhaft erzählt, stattdessen spricht Marvel uns nahezu jegliche Empathie ab.
Kommen wir kurz und spoilerfrei auf die Handlung von Thunderbolts* zu sprechen. Diese ist auffällig konstruiert und durchdrungen von fragwürdigen Ereignissen. Figuren, wie die Assistentin (Geraldine Viswanathan) von Valentina Allegra de Fontaine, werden aufgebaut und nach der Erfüllung ihres Zwecks für den Plot komplett fallen gelassen. Dies gilt für eine weitere Figur, die ganz trocken aus dem MCU genommen wird. Dies ist weder der Figur gegenüber angemessen, noch ergibt es sich durch eine Notwendigkeit in der Geschichte des Films. Marvel weiß schlicht nichts mit seinen Figuren anzufangen. Das Ergebnis daraus wird uns zum Abschluss im wahrscheinlich heftigsten Plot-Twist des MCUs offenbart. Zwar macht dieser Twist durchaus Spaß und lässt uns gespannt auf zukünftige Filme zurück, doch ergeben sich dadurch auch unzählige unbeantwortete Fragen und Logiklöcher. Ein Twist, der nur dem Selbstzweck dient, statt der Handlung oder dem größeren Ganzen.
Ein anderer Aspekt, den wir einfach so hinnehmen müssen, ist der "Antagonist" des Films. Wie bereits in den Trailern vorweggenommen, wird in Thunderbolts* eine Figur eingeführt, die schier übermächtige Kräfte zu haben scheint. Ihre bloße Existenz und vor allem Kräfte werden nicht weiter erläutert oder eingeordnet. Wir müssen es einfach akzeptieren.
Genauso müssen wir akzeptieren, dass wir trotz all der Kritik durchaus Spaß mit Thunderbolts* im Kino hatten. Mit seinen 126 Minuten wirkt der Film erstmal lang, bedenken wir, wie wenig hier wirklich erzählt wird, doch schaut er sich überraschend gut weg. Darüber hinaus schauten wir der dysfunktionalen Gruppe gespannt dabei zu, wie sie sich einander annäherten und schließlich als Team agierten. Auch die Action ist uns positiv aufgefallen, versucht Marvel sich in den letzten Filmen doch zunehmend mehr an langen ungeschnittenen Action-Sequenzen. Dennoch bleibt es auf einem Niveau, welches wir aus anderen Teilen des MCUs bereits kennen. Andererseits waren wir vor allem zum Finale hin erstaunt, dass Regisseur Jake Schreier hier fast völlig auf eine große CGI-Materialschlacht verzichtet, eine Entscheidung, die zu den Kernthemen des Films passt und Thunderbolts* von vielen anderen Projekten des MCUs abhebt.
Fazit
Wie die Schurken und Antihelden in Thunderbolts*, ist auch der Film eine wilde Mischung aus zusammengewürfelten Einheiten, die nicht so ganz zusammenpassen sollen. Die Figuren sind zwar interessant, nur werden sie nicht hinreichend weiterentwickelt oder ausgearbeitet. Wir würden gerne mehr über John Walkers persönliche Probleme mit der Last des gescheiterten Captain America wissen oder Yelenas Suche nach dem Sinn in ihrem Leben. Dafür ist berechtigterweise in diesem Streifen kein Platz, doch hätten diese Figuren zuvor in Einzelfilmen oder Serien mehr in den Fokus gerückt werden müssen. Stattdessen wollte Marvel der Idee eines The Suicide Squad folgen und konstruierte eine unorganische Geschichte, um ihre Charaktere für das nächste Kapitel im großen MCU in Stellung zu bringen. Im Kern dieser Handlung stehen wiederum Themen, die der Film in seinen besten Momenten hervorragend in Szene setzt und die ihn zu einem letzten Akt bringen, der ausnahmsweise nicht durch die pure Kraft des Stärkeren aufgelöst wird. Lediglich der lächerlich zurecht geschriebene Twist am Ende mag einer spannenden Idee entsprungen sein, doch wird er in dieser Form der Qualität und Logik von Thunderbolts* umso mehr zum Verhängnis.
