Bewertung: 4 / 5
Lange haben wir auf die Fortsetzung zu Joker gewartet und uns gefragt: Wird das jetzt wirklich ein Musical oder singt Lady Gaga nur ein oder zwei Songs? Nun hat das Warten ein Ende, denn Joker - Folie à Deux ist endlich da und wir können euch gewissenhaft versichern: Ja, es ist ein Musical.
Joker - Folie À Deux Kritik
Von dem trostlosen und sinnlosen Alltag im Arkham Asylum geplagt, wartet Arthur Fleck (Joaquin Phoenix) auf seinen anstehenden Prozess als Joker. Mitten im Kampf zwischen seinen beiden Persönlichkeiten trifft er auf die dort ebenfalls eingewiesene Lee (Lady Gaga). In ihr findet er nicht nur seine wahre Liebe, sondern auch die Musik, die schon immer in ihm schlummerte.
Trailer zu Joker - Folie à Deux
Ja, Joker - Folie à Deux ist ein Musical. Ja, die Songs werden euch nerven, falls ihr Musicals gegenüber abgeneigt seid. Nein, es bleibt kein Song aus dem Film lange in eurem Gedächtnis, ABER ich bin trotzdem froh, dass ein Musical daraus gemacht wurde. Doch dazu später mehr. Wie bereits Joker wird auch Joker - Folie à Deux von Regisseur Todd Phillips inszeniert und auf die große Leinwand gebracht. Dabei sticht sofort seine stilsichere und eindrucksvolle Kinematografie ins Auge. Erneut mischt Phillips düstere Bilder mit satten Farben, die nicht nur Akzente setzen, sondern auch Arthur Fleck’s Gefühlswelt darstellen. Sein bunt geschminkter Joker in der tristen Welt des Arthur Fleck.
Deutlich prominenter als im ersten Teil ist die Differenzierung seiner zwei Persönlichkeiten. Die Frage, ob Arthur eine zweite Persönlichkeit in Form des Jokers hat, wird zur zentralen Frage des Films gemacht. Seine anstehende Anhörung vor Gericht soll genau darüber und die daraus folgende Strafe für seine Verbrechen bestimmen. Ohne zu viel vorwegzunehmen, können wir euch sagen, dass der Film hauptsächlich im Arkham Asylum und dem Gerichtssaal in Gotham City stattfindet. Je nach Ort der Szene wechselt der Streifen somit zwischen Gefängnisfilm und Gerichtsdrama. Darüber stehen die Musical-Einlagen, die das kreative Herz von Joker - Folie à Deux verkörpern und den Höhepunkt von Todd Phillips Kinematografie bilden.
An Joker’s Seite gesellt sich die im Film nur Lee genannte Harley Quinn beziehungsweise Lady Gaga. So eindeutig ist das gar nicht zu sagen, kommt sie einem in den Song-Performances doch fast eher wie Superstar Lady Gaga vor. Abseits davon verkörpert sie die Rolle der Lee jedoch sehr gut und zeigt erneut ihr Multitalent als Künstlerin. Ihre Rolle in der Geschichte ist ebenso spannend, ist sie doch diejenige, die den Joker in Arthur wieder hervorbringen möchte. Wie schon in House of Gucci zeigt sie sich dabei von ihrer manipulativen Seite und dreht die Rollen der beiden aus den Comics fast auf den Kopf. Dort ist es vor allem der Joker, der ihre Liebe zu ihm oft schamlos ausnutzt, um seine niederträchtigen Ziele zu erreichen. In Joker - Folie à Deux scheint sie uns dann aber doch sehr prominent aufzutreten. Da wir euch nicht spoilern wollen, können wir nur sagen, dass sie in vielen Szenen Dinge tut oder ihr erlaubt werden zu tun, die für uns kleine Logiklücken im Kopf erzeugten. Gleichzeitig liefert ihr Charakter allgemein dadurch viel Raum für Interpretation.
In den größeren Nebenrollen sehen wir Brendan Gleeson als Anstaltswärter, Catherine Keener als Anwältin von Fleck, Zazie Beetz in ihrer etablierten Rolle als ehemalige Nachbarin und Harry Lawtey als strahlenden weißen Ritter Gothams. Insbesondere die wichtige Rolle von letzterem hat uns im Film positiv überrascht, obwohl er doch im Vergleich zu Phoenix und Gaga in der Versenkung verschwindet. Seine Interpretation der Figur wird uns nicht lange im Gedächtnis bleiben, doch soll sie das auch gar nicht. Der Film konzentriert sich auf den Joker und Harley Quinn. Gerade deswegen sticht Brendan Gleeson’s Rolle des Anstaltswächters so heraus, er ist in Arkham immer an Arthur’s Seite und droht dabei ständig ihm die Szene zu stehlen, so gut passt er in diese Figur. Genau wie Harley’s Verhältnis zu Arthur, entwickelt sich auch das des Anstaltswächters zu ihm und gibt seiner Rolle eine spannende Ambivalenz.
Wir haben bereits in Ansätzen ein paar Worte über das Musical hinter diesem Film, hinter der Handlung des Films verloren. Also widmen wir uns dem Clownprinzen im Raum. Die Performances sind phänomenal, die daraus resultierenden Bilder, die uns präsentiert werden, sogar noch besser. Leider sind es die Songs bei weitem nicht. Sie wirken nicht nur repetitiv und zu ähnlich zueinander, sondern blieben bei uns gar nicht im Gedächtnis hängen. Keine einzige Melodie. Dadurch stellten wir uns die Frage, ob es das Musical dann überhaupt gebraucht hätte. Ja, das hat es.
Die Musik funktioniert wie des Joker’s größte Waffe, wie der Colt des Revolverheldens, wie Batman’s Batarang. Er verzaubert dadurch nicht nur die Massen, sondern mit den eindrucksvollen Performances auch uns als Zuschauer. Wir wissen um seine mörderische Seite und feiern ihn dennoch. Er wirkt genau in diesen Musical-Einlagen mehr wie der Clownprinz von Gotham als jeder andere Live-Action-Joker zuvor. Der König der Unterwelt, der nicht nur durch Angst herrscht, sondern vor allem durch die Liebe seiner Anhänger. Gerade diese Szenen haben uns ebenso an die Situation in den USA mit Donald Trump erinnert, die subtilen Parallelen sind unverkennbar.
Abseits von dem Musical besitzt Joker - Folie à Deux natürlich den gewohnten Joker-Score mit seinen tiefen Tönen und geradezu deprimierenden Melodien. Über die Effekte können wir ebenfalls nicht viel sagen, ohne etwas vorwegzunehmen, doch sind sie sehr rar gesät und sehen eher mittelmäßig aus. Hier explodiert kein ganzes Krankenhaus-Set und geht in echten Flammen auf.
Fazit
Der Clownprinz von Gotham ist zurück! Zusammen mit Lady Gaga als Harleen Qinzel stellen sie beide das triste Gotham mit farbenfrohen und wilden Musical-Performances auf den Kopf. Während diese Einlagen den Joker glorifizierender als je zuvor inszenieren, sind die Songs in ihnen doch die größte Schwäche des Films. So gespannt wir der Handlung im Arkham Asylum und dem Gerichtssaal auch gefolgt sind, so langsam nimmt sie auch Fahrt auf. Auf eine unerträgliche Spannung wie im letzten Drittel von The Dark Knight warten wir hier vergebens. Joker - Folie à Deux bleibt somit ein sehr sehenswerter Streifen, der mit einem sehr uneindeutigen Ende sicherlich so einige Fan-Theorien aufkochen lassen wird. Seid ihr daran interessiert, wie Arthur Fleck’s Geschichte fortgesetzt wurde und habt ihr eine Schwachstelle für Musicals, so erwartet euch im Kino eine würdige Fortsetzung, die sich kaum unterschiedlicher vom ersten Teil anfühlen könnte.
Wiederschauwert 30%