Bewertung: 4 / 5
Die Ressourcen des Universums sind finit. Leben können nur gerettet werden, wenn die Hälfte der Bewohner des Universums sterben – so zumindest die These von Thanos, dem wahnsinnigen Titan. Deshalb sucht er die Infinity Steine, mächtige Artefakte, die ihm grenzenlose Macht verschaffen sollen. Nachdem er die Überlebenden von Asgard schon umgebracht und den Tesseract in seinen Besitz gebracht hat, schickt er seine Diener zur Erde, wo sie die beiden Steine, die Dr. Strange und Vision haben, besorgen sollen. Das ruft die Avengers auf den Plan, die sich ihm in den Weg stellen. Während Iron Man, Spider-Man und Dr. Strange in einem Raumschiff unterwegs zu Thanos Heimatplaneten sind, sammeln sich die restlichen Rächer um Steve Rogers in Wakanda, um sich dort für die letzte Schlacht mit Thanos Armee zu wappnen. Thor indes ist unterwegs zur Schmiede, die Mjölnir hergestellt hat, um sich dort eine neue Waffe schmieden zu lassen, die stark genug ist, um Thanos zu Fall zu bringen...
Zehn Jahre ist es jetzt her, dass Robert Downey Jr. zum ersten Mal als Iron Man über die Kinoleinwände flog. Als die Marvel Studios ankündigten, mit ihren Filmen ein übergeordnetes Universum zu schaffen, in dem alles aufeinander aufbaut und in dem Captain America sich mit Thor zum Kaffee verabreden kann, wurden sie zuerst belächelt. Einen solchen Plan hatte es bis dahin nicht gegeben, das konnte doch nur zum Scheitern verurteilt sein. 2012 trafen sich dann die Avengers im gleichnamigen Film von Joss Whedon und spielten so ziemlich alles Geld der Welt ein, der Plan ging auf und änderte die Kinolandschaft dauerhaft. In der Post Credits-Szene dieses Films bekamen die Zuschauer dann ihre erste Kostprobe von Thanos, dem franchiseübergreifenden Bösewicht, der sich jetzt, sechs Jahre später, endlich bequemt hat, auch mal aktiv zu werden. „Infinity War“ stellt dabei eine Art Kulmination aller vorher unter dem Banner der Marvel Studios erschienen Filme dar. Da stellt sich für den geneigten Filmfreund durchaus die Frage, ob das überhaupt funktionieren kann, denn eigentlich müsste ein solches Mammutprojekt doch aufgrund seines eigenen Gewichts kollabieren.
Trailer zu Avengers - Infinity War
Interessanterweise tut der Film das aber dann doch (so gut wie) nicht. Klar, wer nicht up to date im MCU ist, könnte ob der schieren Masse an Charakteren, Schauplätzen und den mitgeschleppten Handlungssträngen durchaus etwas verwirrt sein. Der Film bemüht sich jedoch halbwegs, auch den Gelegenheitszuschauer abzuholen, sodass man nicht vollends fraglos zurückbleibt. Dramaturgisch zeigen sich im ersten Akt zwar einige kleinere Schwächen, in denen der Film sich vielleicht ein wenig ziellos zeigt, doch diese sind relativ fix ausgebügelt. Sobald es in den zweiten Akt geht, überschlagen sich die Handlungsstränge förmlich. Der Plot wird zu einer Dampflok, die sich unaufhaltsam nach vorne bewegt. Dementsprechend fühlen sich die zweieinhalb Stunden Laufzeit auch nach wesentlich weniger an, manchmal wünscht man sich eine kleine Verschnaufpause.
Das Finale ist leider wieder etwas formelhaft ausgefallen, es gibt die spätestens seit „Avengers“ Marvel-typische Massenschlacht. Das weiß durchaus zu unterhalten, ist aber eben nichts neues. Problematisch gestaltet sich hier jedoch die hohe Charakterzahl, die es fast unmöglich zu machen scheint, die Übersicht zu behalten. Figuren verschwinden für längere Zeit, vor allem Thor macht in der Schlacht um Wakanda durch Abwesenheit auf sich aufmerksam. Der Kampf auf Titan mit Iron Man und seinen Kumpanen ist da wesentlich besser gestaltet, hier werden die Superkräfte und einzigartigen Fähigkeiten der Kämpfer kreativ miteinander verbunden. Die Actionszenen sind größtenteils angenehm übersichtlich gestaltet, man kann ihnen meistens sehr gut folgen. Gerade aber in den Nahkampfszenen setzt das Regie-Duo Joe und Anthony Russo nach „The Winter Soldier“ und „Civil War“ wieder auf Wackelkamera und Nahaufnahmen, die Schläge und Tritte nur erahnen lassen. Beim nächsten Mal bitte den Kameramann einen Schritt nach hinten machen lassen, damit man die Choreographie auch bewundern kann. Dafür ist die Effektarbeit in „Infinity War“ nahezu perfekt, gerade Josh Brolins Thanos sieht meistens fotorealistisch aus, wenn das Licht richtig steht, kann man sogar die Stoppeln auf seinem Kopf sehen. Wahnsinn.
Trotz des massiven Casts ist „Infinity War“ übrigens nicht überfüllt, jeder Charakter bekommt seinen kleinen Moment, um zu scheinen. Und wieder muss man Josh Brolin hervorheben, der dem wahnsinnigen Titan Aussehen und Stimme leiht. Brolins Performance ist wunderbar, seine Stimme verschafft Thanos eine Präsenz, an der sich mancher Bösewicht gerne mal eine Scheibe abschneiden könnte. Das Drehbuch verzichtet dabei darauf, aus Thanos einen eindimensionalen Haudrauf-Schurken (Hallo, Steppenwolf!) zu machen, sondern verpasst ihm durchaus eine (verhältnismäßige) Tiefe. Wenn Thanos gegen Ende des zweiten Aktes weinen darf, verleiht das seinem genozidalen Plan eine Schwere, die es dem Zuschauer möglich macht, ihn noch ein bisschen mehr zu hassen.
Die Handlung macht übrigens einige unvorhergesehene Schwenks, die gegen Ende die Möglichkeit aufkommen lassen, dass wirklich jeder der Helden draufgehen könnte. Natürlich werden einige der Twists definitiv wieder aufgehoben, dennoch verfehlen sie ihre Wirkung nicht. Wenn einer der Helden alleine im Weltraum strandet, geht man im ersten Moment tatsächlich davon aus, dass alles verloren ist. Für Fans dürfte das ein Stich ins Herz sein, der sich gewaschen hat. Der Humor kommt bei dem ganzen Gemetzel aber nicht zu kurz, immer wieder schleichen sich lustige Sprüche und subtile Hintergrundgags ein, die das Geschehen auflockern, die aber auch die dramatischen Momente härter landen lassen. So schaffen die Marvel Studios das unmöglich Gedachte, aus „Infinity War“ eine runde Angelegenheit zu machen, die für einen kurzweiligen Abend im Kino sorgt.
„Avengers: Infinity War“ ist natürlich nichts für absolute Neueinsteiger, alle anderen dürften aber ihren Spaß mit dem Film haben. Nach dem Zeitgeist-relevanten „Black Panther“ kann „Infinity War“ etwas belanglos wirken, für sich genommen ist er aber ordentlich produzierte Unterhaltung.