Bewertung: 3.5 / 5
Die schwierigste (Kurz)kritik, an der ich mich jemals versucht hab. Und da sie immer länger wird, wird’s halt einfach meine erste Kritik. Kritik an der Kritik bzw. Verbesserungsvorschläge und andere Sichtweisen sind sehr erwünscht, auch wenn ich mit der Kritik natürlich Monate zu spät dran bin :).
Ist auch lustig, dazu was zu schreiben, denn man kommt sich so wichtig vor. Wer den Film schon gesehen hat, weiß, was ich meine ;). Und unbeachtet will ich diesen Film auch nicht lassen.
Handlung: Der ehemalige Star einer Superheldenreihe versucht, als Broadway-Schauspieler Fuß zu fassen. Die ehemals verdienten Millionen sind fast weg, seine Ehe liegt in Trümmern. Ein Nobody, wie man so „schön“ sagt, ist er trotzdem nicht und so versucht er seine Rest-Popularität für sein neues Stück zu nutzen, dessen Verwirklichung sich als alles andere als einfach gestaltet. Auch mit sich selbst ist er (natürlich nicht) im Reinen denn auch mit seinem scheinbar noch greifbar nahem Superpromi-Status hat er keineswegs abgeschlossen.
Trailer zu Birdman
Kritik: Die erste halbe Stunde hat mir die größten Probleme bereitet. Das pathetische Vorwort, das (mich) nervende Schlagzeugspiel, das Kreiseln der Kamera um die Darsteller, die „aufbauende“, klischeebeladene Rede der Tochter, ziemlich viele Längen.
Überhaupt begegnen einem Klischees, wohin man schaut bzw. möglicherweise echte Probleme der New Yorker Theaterszene, die alle aber schon gottweißwieoft beleuchtet wurden.
SPOILER-WARNUNG!
Ein Mann, der mit dem vergangenen Ruhm als Blockbuster-Star kämpft und jetzt sozusagen auf die andere Seite gewechselt ist und (wenigstens) als Schauspieler erst genommen werden möchte,
eine Tochter, die aus dem Entzug kommt, nicht dumm, aber ziemlich durch den Wind und sowohl verführerisch wie auch leicht verführbar ist,
natürlich ist Riggan geschieden,
die sehr viel jüngere Freundin ist so unwichtig für ihn bzw. er ist so stark auf sich selbst fokussiert, dass sogar deren Schwangerschaft keinerlei freudige Regung hervorruft, sicher selbst für Hollywood & Co. eine Besonderheit,
übergeschnappte und egozerfressene Kollegen,
böswillige Kritiker, die es nicht geschafft haben, berühmt zu werden,
der Unterschied Blockbuster-Star vs. echter Schauspieler u.s.w.u.s.w
SPOILER-ENDE!
Die Darstellung dieser Probleme ist immerhin lange nicht so platt, wie es hier in der Aufzählung klingt. Auch die Dialoge sind wesentlich intelligenter und spitzfindiger. Selbst wenn jemand diese ganzen Punkte gelesen und die Spoiler-Warnung ignoriert hat ;), wird er oder sie noch nicht viel über diesen Film wissen, zumal man das alles in der ersten Viertelstunde erfährt (bei knapp zwei Stunden Laufzeit).
Die Stimmung ist eher grau-melancholisch, wenn auch nicht komplett hoffnungslos, dazu kommen einige lustige und in diesem Fall wenig subtile Anspielungen, er ist leicht mystisch und es gibt viele verschiedene Ebenen, sowohl auf die Personen bezogen wie auch auf die Ebenen, die der Film als Film enthält: die Probe des Bühnenstücks, dessen Aufführung und die Filmhandlung selbst. Auch innerhalb des Films existieren mehrere Genres. Auf jeden Fall wird man ins Geschehen hineingezogen, fast gegen seinen Willen, denn wie schon erwähnt ist die Situation für alle Beteiligten ziemlich unerfreulich bzw. alle stehen unter Bewährung.
So richtig warm wurde ich eigentlich mit niemandem, aber gelangweilt hat mich auch niemand, evtl. E. Norton hin und wieder bzw. wahrscheinlich eher genervt.
Schauspielerisch sind alle gut bis in die kleinen Nebenrollen. Besonders gut fand ich Emma Stone (Sam) und Naomi Watts. Wenn Sam jemanden etwas fragt und ihm in die Augen schaut, sieht es tatsächlich so aus, als warte sie gespannt auf die Antwort. Auch N. Watts ist wie so häufig völlig natürlich. Auch Michael Keaton und Edward Norton machen ihre Sache gut, aber auf beiden merkt man gelegentlich die Kamera. Vielleicht liegt das an der gehetzten Lage, in der sich Birdman befindet, der Dauerbeobachtung, auch durch sein alter ego, aber ehrlich gesagt glaub ich das nicht.
Die Redmayne-Darstellung von Stephen Hawking (Die Entdeckung der Unendlichkeit) war meiner Meinung nach deutlich besser, nämlich einfach perfekt. Hätte ich beide Filme schon bei der Oscarverleihung gesehen gehabt, wär ich nicht erstaunt gewesen.
Fazit: Warum ich den Film trotz all dieser Kritikpunkte ziemlich gut fand, kann ich mir eigentlich selbst nicht erklären. Es fügt sich alles relativ rund zusammen und wird von den guten Darstellern aufgefangen (auch eine Schubladen-Formulierung siehe Film ;) ). Dazu entstehen im wahrsten Sinne des Wortes einige merkwürdige Szenen. Für mehr Punkte hätte ich mir allerdings weniger Klischees und einen mehr zum Mitfiebern animierenden Verlauf gewünscht obwohl andererseits gerade dieser seltsame Ablauf der Ereignisse den Film mit ausmacht. Fast könnte man denken, der Film würde mit den vielen aufgeführten Klischees spielen (weil sie gar so offensichtlich sind) und da wär noch eine Ebene, aber ich glaube, das ist zuviel der Ehre (noch nie von einem Film gehört, den Publikum UND Kritiker lieben?). Oder doch nicht? Ach, wirklich sehr schwierig. Und den einen Pluspunkt hat sich der Film auf alle Fälle verdient: man erinnert sich an ihn und kann großartig darüber diskutieren.
7/10 Hüte von mir, wobei mich auch 3/10 und 10/10 Bewertungen (ich hab die Kritik von luph gelesen ;) ) nicht erstaunen.