Bewertung: 4.5 / 5
"Blonde" gelingt es, Norma Jeanes Leidensgeschichte zu erzählen, ohne sich dabei am Martyrium zu ergötzen oder einem hechelnden Voyeurismus anheimzufallen, der Film bleibt stets sensibel und charakterisiert die Täter deutlich als Täter, im Fall der häuslichen Gewalt durch Joe DiMaggio lässt Dominik die Tat sogar im Off geschehen und verlässt sich einzig auf den Horror des zu hörenden Glaszersplitterns und der Schläge. Zumal "Blone" ohnehin nicht nur ewiges Martyrium zeigt, Arthur Miller wird als umsorgender Liebhaber und Ehemann dargestellt, mit dem Norma Jeane glücklich war, des weiteren davor noch während der polyamorösen Beziehung mit Charlie Chaplin Jr. und Eddy G. Robinson Jr., da hatte sie ebenfalls eine glückliche Zeit, dem dann jedoch ihr Agent wegen ihrer Karriere einen Riegel vorschob.
Es handelt sich um den empathischen, tiefgehenden und detaillierten Blick in die Psyche einer labilen Frau mit Vaterkomplexen, durch die surreale und experimentelle Form des Films unterstützt, die sich für ihre Karriere und die Marke Marilyn Monroe verstellt und verzerrt, vom misogynen und sexistischen Studiosystem gnadenlos ausgenutzt wird, von einer ebensolchen Gesellschaft begafft oder als Hure verdammt wird und obendrein noch mit Joe DiMaggio und John F. Kennedy an zwei Chauvinisten und Predatoren gerät.
Trailer zu Blond
Allein schon die politische Brisanz, einen Nationalhelden wie Kennedy, gleichzeitig eine Ikone wie Marilyn Monroe ihrerseits, so negativ mit gewaltsamem Oralverkehr darzustellen und darüberhinaus sogar noch eine Entführung und erzwungene Abtreibung durch den Secret Service in den Raum zu stellen, um das politische System im Kalten Krieg vor Kennedys Frauengeschichten zu schützen (der Oralsex mit Norma Jeane wird schließlich auch mit Panzerkanonen im TV-Programm und Szenen aus einem SciFi-Film gegengeschnitten, in denen parallel zum Orgasmus das Washington Monument und das Weiße Haus zerstört werden), das muss man in den USA erst einmal bringen.
Der Oralverkehr wechselt ferner noch auf die Kinoleinwand vor Publikum über und Norma Jeane fragt sich, ob Marilyn sie hierhergebracht habe, dadurch erfolgt zudem noch ein Zirkelschluss zurück zur sexuellen Ausbeutung der Marke Marilyn Monroe und zur sexuellen Ausbeutung von Frauen durch die Pornographie im Generellen. Beim ersten Zusammentreffen mit Norma Jeane meinen Chaplin und Robinson, sie wären früher tatsächlich Pornodarsteller gewesen, und die Art und Weise, wie sie Norma verführen, hätte 1:1 aus einem Porno stammen können. Von der JKF-Szene bin ich restlos begeistert.