Bewertung: 4 / 5
Wer meint, durch das Buch und die Anhänge des "Herr der Ringe" schon alles über den weiteren Verlauf der Hobbit-Trilogie zu wissen, wird bei der diesjährigen weihnachtlichen Kino-Bescherung nicht aus dem Staunen herauskommen, stehen ihm da doch einige Überraschungsgeschenke ins Haus. Die Tolkien-Referenz trägt allenfalls ein geschätztes Drittel zur Handlung bei, der Rest ist frei hinzugedichtet. Natürlich gibt uns auch dieser Teil wieder so einiges zu denken mit, wie schon bei der ein wenig werkgetreueren Ring-Trilogie, aber entspricht das, was wir hier zu sehen bekommen, wirklich noch dem "Geist" Tolkiens? Die Multikulti-Romanze zwischen dem attraktiven Zwerg und der schönen Waldelbin ist ja sehr zeitgemäß, Völkerverständigung inklusive. Ebenso der feministische Einfall, diverse Frauencharaktere einzuführen, die im "Hobbit"-Roman schlicht inexistent sind. Bei den Orks ist es dann aber mit Multikulti vorbei. Getreu der Devise "nur ein toter Ork ist ein guter Ork" sind diese bloß noch als Kanonenfutter zu gebrauchen. Sie sind hier, anders als in den verfilmten Buchkapiteln, fast allgegenwärtig und wahrscheinlich noch abscheulicher als alles, was sich der Schriftsteller in seinen Albträumen je ausgemalt hatte. Allein von ihrer entarteten genetischen Anlage her sind sie ja bereits reiner Abschaum, also kann man sie auch nach Belieben abschlachten. Manch einem kommen da womöglich gewisse Reichstagsreden vor 80 Jahren in den Sinn, aber der Spaß soll jetzt nicht von staubigem Geschichtswissen getrübt werden. Ist ja alles schon so lange her! Die ungemein kreativen - aber zweifellos jugendfreien, da blutleeren - Todesarten, denen diese Ethnie zum Opfer fällt, werden dem Publikum als genüssliche Zirkuseinlage verkauft und zielen eindeutig darauf ab, den latenten Sadismus beim Zuschauer freizulegen. Der soll sich vor Lachen winden, wenn ihm abgeschlagene Köpfe ins Gesicht fliegen oder Orks mit Pfeilen zu Fleischspießen verarbeitet werden. Da lernen selbst die Mütter, denen in Begleitung ihrer minderjährigen Kinder Einlass gewährt wurde, noch ausgefallene Kochrezepte kennen. (Sorry für diesen "Macho"-Einwurf!) Hätte der "Braindead"-Regisseur dieselben Grausamkeiten an Menschen exerziert, dann hätte sich die Kritikermeute bereits am Premierentag auf seinen neuen Film gestürzt und diesen ob seines Zynismus in Stücke gerissen, ähnlich wie beim letzten "Rambo"-Machwerk. Fraglich auch, ob Peter Jackson, der sich gleich am Anfang des Films ins Bild geschlichen hat, das "Sir" in seinem Namen hätte weiter führen dürfen. Davon abgesehen ist es natürlich wieder das Großereignis des Jahres, das sich Millionen Kinogänger erhofft haben. Und der von mir so gern monierte exzessive Action-Overkill, der in Hollywood-Blockbustern seit Jahrzehnten in immer höhere Sphären gesprengt wird, lässt hier zum Glück zumindest genügend Raum für eine Handlung, zumal der Film den Eindruck erweckt, dass er mit seiner 161-minütigen Spielzeit keine Minute zu lang geworden ist. Es gab auch Verbesserungen zur Vorlage: Unverständliche Leerstellen des Romans wurden gefüllt, Logiklöcher geschlossen, manche Figuren besser ausgearbeitet. Alles in allem nicht allzu vorlagengetreu, aber in sich weitgehend stimmig. Die Vision des Mittelerde-Dichters sucht man jedoch besser im Original.
Der Hobbit - Smaugs Einöde Bewertung